ARD-„Tatort“ aus Hamburg: Neue Patrioten, alte Idioten
Soll man mit Rechten reden? Der „Tatort“ beantwortet die Frage so, dass alle ihnen dauernd zuhören. Ein eher durchschnittlicher TV-Krimi.
Dieser „Tatort“ ist ein durchschnittlicher „Tatort“. Er spielt in einer durchschnittlichen Stadt (Hamburg) mit durchschnittlichen Menschen (alle weiß bis auf einen), die mittels durchschnittlicher (bis auf Patrick von Blume) Schauspielleistungen abgebildet werden und die eine durchschnittliche Regie mit einem durchschnittlichen Drehbuch (beides Niki Stein) durchschnittliche Dialoge sprechen lässt, in einer durchschnittlichen Handlung.
Dieser Tatort überfordert niemanden, er tobt sich nicht in abgestandenen Avantgardismen aus, er kreist nicht um einen vermeintlichen Charakterdarsteller – nein, er ist genau richtig, um sich am Sonntagabend ein wenig mit diesem Land zu beschäftigen, in dem wir leben.
Was ist das für ein Land, das dieser „Tatort“ uns zeigt? Es ist eines, in dem verunsicherte Menschen der Mitte ständig wütenden Menschen von den Rändern der Gesellschaft ausgesetzt sind. Die am linken Rand sind jung, schreien „Nazis raus“ und „BRD, Bullenstaat, wir haben dich zum Kotzen satt“ – da geht man schnell weiter; die am rechten Rand sind erwachsen und kühl im Ton, oft auch mephistophelisch verführend. Das sind die Leute von der Partei „Die Neuen Patrioten“. Tauchte in letzter Zeit öfter die Frage auf, ob man mit Rechten reden solle, so beantwortet dieser „Tatort“ diese Frage in dem Sinne, dass alle den Rechten dauernd zuhören.
Dieses „Tatort“-Land hat Angst, hat keine Argumente gegen rechts – und man darf froh sein, dass die „Neuen Patrioten“ immer noch die alten Idioten sind und sich im Wesentlichen selbst zerlegen: Die Bundespolizisten Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) und Julia Grosz (Franziska Weisz) schauen jedenfalls meist nur angespannt in Bildschirme oder Gesichter, bevor dann doch noch auf sie geschossen wird, damit sie etwas zu tun bekommen.
Hamburg-„Tatort“: „Dunkles Land“, So., 20.15 Uhr, ARD.
Einen Mord gibt es auch, klar, und er wird auch aufgeklärt. Am Schluss bleibt bei den Ermittlern trotzdem ein bitterer Nachgeschmack – ja, auch das hat man schon mal gesehen –, und das liegt nicht nur am Verfassungsschutz, der hier, Variante!, eher trottelig als zynisch agiert.
Zum Glück ist unser Land aber nicht so durchschnittlich wie dieser „Tatort“ es darstellt – sondern vielfältiger, kämpferischer, klüger. Es ist ein Land, in dem die AfD bei jungen Menschen, die im Film verächtlich von „Ziggos“ sprechen, weniger Zuspruch findet als bei älteren Wählern. Eher Letztere werden sich denn auch in diesem „Tatort“ zu Hause fühlen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen