Eskalation im Gazastreifen: Denn sie wissen, was sie tun
Drei Monate vor den Wahlen haben die Angriffe Israels im Gazastreifen einen seltsamen Beigeschmack. Regierungschef Lapid gibt sich als Hardliner.
I srael ist kriegserfahren im Konflikt mit den islamistischen Bewegungen im Gazastreifen. Politik und Militär wissen, was zu erwarten ist, wenn man Waffenlager bombardiert oder einen der führenden Köpfe „präventiv exekutiert“. Umgekehrt dürften die Kämpfer des Islamischen Dschihads keine Zweifel darüber haben, welche Risiken man mit Mörsergranaten auf das Umland des Gazastreifens oder Raketen auf Jerusalem eingeht. Die gegnerischen Parteien kennen sich zu gut, um noch überrascht zu sein.
So drängt sich der Gedanke auf, dass beide Seiten begründet motiviert sind für ihr gewaltsames Vorgehen. Bei den palästinensischen Extremisten reicht oft schon das Kommando aus Teheran, dem Hauptfinanzier, um Juden und Jüdinnen zu ermorden. In diesem Fall war zudem einer ihrer Anführer im Westjordanland verhaftet und schließlich ein Militärchef des Dschihads im Gazastreifen getötet worden. Da war Rache geradezu programmiert.
Es wirkt nicht wie ein Zufall, dass die israelischen SoldatInnen gerade jetzt auszogen, um Dschihadisten im Westjordanland dingfest zu machen, und dass die Luftwaffe das Kommando zur „präventiven Exekution“ bekam. Stattdessen kommt der unschöne Verdacht auf, es könne mit den für den 1. November geplanten Parlamentswahlen zusammenhängen.
Kaum zwei Monate ist Jair Lapid Regierungschef und möchte es gern über den Wahltermin hinaus bleiben. Will er den WählerInnen ein Signal geben, dass er in Sachen Kriegsführung genauso brachial vorgeht wie sein größter Konkurrent, nämlich Mr. Security, Benjamin Netanjahu? Auch die Rhetorik von Lapids sozialdemokratischen Verbündeten erinnert an die Zeit, als Netanjahu regierte. Dazu kommt, dass gerade jetzt Tausende radikal nationalistische Israelis auf den Tempelberg ziehen.
Stärke zeigen für WählerInnenstimmen – wie armselig wäre das und wie riskant. Ob gezielt provoziert oder nicht – die Botschaft dürfte bei den WählerInnen angekommen sein. Jetzt aber gilt es, ein rasches Ende der Eskalation zu bewirken. Je länger die Kampfhandlungen andauern, desto größer ist die Gefahr, dass die Hamas nicht länger stillhält. Die islamistische Führung im Gazastreifen will offensichtlich nicht mitkämpfen.
Das ist eine Chance. Es zeigt, dass es sich lohnt, wenn Israel mehr palästinensische Arbeiter einreisen lässt und mehr Waren, auch Baumaterial, in den Gazastreifen liefert. Hier gilt es, den nächsten Schritt zu tun und die pragmatischeren Kräfte im Gazastreifen zu unterstützen. Wer etwas zu verlieren hat, greift nicht so schnell zu den Waffen.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Gedenken an Hanau-Anschlag
SPD, CDU und FDP schikanieren Terror-Betroffene
Wahlentscheidung
Mit dem Wahl-O-Mat auf Weltrettung
Trump, Putin und Europa
Dies ist unser Krieg
Nach Hitlergruß von Trump-Berater Bannon
Rechtspopulist Bardella sagt Rede ab
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Bundestagswahl für Deutsche im Ausland
Die Wahl muss wohl nicht wiederholt werden