Erstes Projekt des Mobilitätszentrums: Optimierung der Verkehrssysteme
Mit dem Forschungszentrum zur Mobilität der Zukunft wollte sich Verkehsminister Scheuer ein Denkmal setzen. Jetzt wird es neu aufgesetzt.
Von Anfang an hantierte Verkehrspolitiker Scheuer, wie bei seinem krachend gescheiterten Vorhaben der Pkw-Maut, mit gigantischen Summen. Mit 500 Millionen Euro sollte das DZM operieren können, hieß es im Vorfeld. Jetzt wurde beim Pressegespräch in Karlsruhe vom Vertreter des Verkehrsministeriums eingeräumt, dass in diese Zahl der langfristige Aufbau einer Wasserstoff-Infrastruktur eingerechnet wurde. Aktuell stehen dem DZM im nächsten Jahr 22,5 Millionen Euro zur Verfügung. Mittelfristig hat der Bundestag bis 2024 insgesamt 322,55 Millionen Euro bewilligt.
Neben der DZM-Zentrale in München, die noch ganz am Anfang steht, wird in Satelliten-Standorten gearbeitet, die bereits über eine Infrastruktur verfügen. Dazu zählen das Hamburg Wireless Innovation Competence Center (HAWICC), in dem neue Sensortechniken zur Fahrzeugsteuerung entwickelt werden, der Forschungscampus Smart Rail Connectivity Campus (SRCC) im sächsischen Annaberg-Buchholz und der Rail Campus Ostwestfalen-Lippe in Minden, wo am autonomen Bahnverkehr gearbeitet wird.
Anfang September – gut getaktet zur Bundestagswahl – fiel die Entscheidung, dass in Chemnitz für 60 Millionen Euro ein Standort des Innovations- und Technologiezentrums Wasserstoff unter dem Dach des DZM errichtet wird. Weitere Standorte sind in Vorbereitung. Während in Chemnitz der Einsatz von Wasserstoff im Bereich der Straßen- und Schienenanwendungen untersucht wird, sind es in Duisburg, Pfeffenhausen und einem Standort in Norddeutschland die Verkehrsträger Schiene, Schiff, Auto und Flugzeug.
Das Karlsruher Projekt will das klassische Mobilitätsproblem zwischen Stadt und Land mit neuen technischen Mitteln angehen. In den ländlichen Regionen ist der öffentliche Personenverkehr kaum bezahlbar, während in den Städten der motorisierte Individualverkehr den Raum blockiert und die Luft verpestet. Die Lösung sollen autonome Shuttles sein, die zwischen Städten und Dörfern bedarfsgesteuert pendeln. Zum Einsatz kommen dabei Fahrzeuge, die elektrisch, autonom und vernetzt sein würden, erläuterte Frank Gauterin vom Institut für Fahrzeugsystemtechnik am KIT bei der Vorstellung des Projekts.
Harten Bruch vermeiden
Ein solches „System eines individualisierten öffentlichen Verkehrs“ gebe der Verkehrsplanung mehr Freiheit und vermeide den harten Bruch zwischen motorisiertem Individualverkehr und klassischem öffentlichen Verkehr. Die Karlsruher „C2CBridge“ will weder den etablierten Nahverkehr ersetzen noch allein „die letzte Meile“ bespielen, also den Weg von der Haustür zur Haltestelle. Vielmehr solle erforscht werden, so Gauterin, „wie die optimale Kombination der Verkehrssysteme aussieht und wie die Übergänge gestaltet werden müssen“.
Technische Lösungen sollen bei dem Karlsruher DZM-Projekt Hand in Hand mit planerischen Konzepten entwickelt werden. „Dazu zählen Analysen von Mobilitätsvorgängen und -bedürfnissen in unterschiedlichen Raumtypen wie Stadt und Land genauso wie die Konzeption und der Bau von Prototypen von Fahrzeugen und Mobilitätsstationen“, erklärten die KIT-Wissenschaftler.
„Dann mal gute Fahrt“ könnte man den Verkehrsforschern wünschen. Wäre da nicht der Koalitionsvertrag vom Mittwoch. In ihm steht auf Seite 51 der neue Politikfahrplan. „Die Mobilitätsforschung werden wir interdisziplinär aufwerten, das Zentrum Zukunft der Mobilität neu aufstellen und erweitern, sowie das Zentrum für Schienenverkehrsforschung stärken“. An Scheuers Denkmal wird schon wieder gerüttelt, kaum dass es aufgestellt ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag