Erster AfD-Bürgermeister: Raguhn-Jeßnitz wählt braun
Eine Woche nach dem ersten AfD-Landrat folgt in Sachsen-Anhalt der erste hauptamtliche Bürgermeister. Der AfD-Kandidat Loth holt 51,5 Prozent.
Der 42-jährige Loth hat vor Ort verschwörungsideologische Coronaproteste organisiert, gleichzeitig aber an einem Testzentrum verdient. Ähnlich wie bei der Landratswahl im thüringischen Sonneberg eine Woche zuvor kommt die AfD auf dieses Ergebnis, nachdem rechte Narrative von Parteien wie der CDU normalisiert wurden. So forderte ein Unionsabgeordneter aus der Region schon 2019 wörtlich, „das Nationale mit dem Sozialen zu versöhnen“. Koalitionen mit der AfD solle man nicht generell ausschließen, forderten gleich mehrere CDU-Funktionäre damals.
Die Einheitsgemeinde Raguhn-Jeßnitz ist für die AfD schon länger eine Hochburg, bei der Landtagswahl 2016 kam sie hier auf 34 Prozent. Bei der Landratswahl 2021 in Anhalt-Bitterfeld unterlag sie der CDU deutlich, hier waren 130.000 Menschen wahlberechtigt. In Raguhn gibt es seit acht Jahren rechte Demos – erst gegen Merkels Flüchtlingspolitik, dann wegen Corona und schließlich gegen die Unterstützung der Ukraine.
Hitlergruß bei AfD-Demo
Loth war fester Teil der Proteste und wurde für die AfD bereits 2016 und 2021 in den anhaltischen Landtag gewählt. Als Landwirt war er agrarpolitischer Sprecher. Im Landesvorstand ist er Beisitzer. Loth inszeniert sich als regionaler Kümmerer: So stellte er im Wahlkampf kommunale Themen in den Vordergrund. Ebenso hetzte er ausdauernd gegen Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. Überregional wurde er von der AfD erst kurz vor der Stichwahl unterstützt.
Wie in Thüringen gilt der AfD-Landesverband in Sachsen-Anhalt als besonders radikal. Mitte Februar rief etwa der Vize-Landesvorsitzende Hans-Thomas Tillschneider auf einer „Friedensdemo“ in Magdeburg zum „Krieg gegen die Bundesregierung“ auf. Letztes Wochenende besuchte der AfD-Co-Vorsitzende Tino Chrupalla Raguhn-Jeßnitz und redete bei einer Demo in Magdeburg, bei der es auch zu einem Hitlergruß kam.
Die Linken-Landesvorsitzende Janina Böttger nannte die Wahl der rechtsradikalen AfD „beunruhigend“, der Grünen-Landeschef „massiv enttäuschend“. Die lokale CDU machte indes mal wieder das Protestwahl-Narrativ stark und suchte die Verantwortung bei der Bundesregierung.
Schon vor einer Woche sorgte die erste Wahl eines AfD-Landrats im thüringischen Sonneberg für internationale Schlagzeilen. Der dort gewählte Robert Sesselmann hat mittlerweile die Wahl angenommen und sein Amt angetreten. Dort läuft allerdings noch ein Verfahren der Rechtsaufsicht, die dessen Demokratietauglichkeit auf Basis des Kommunalwahlgesetzes überprüft.
Die AfD hofft schon lange auf einen Erfolg bei einer kommunalen Stichwahl und setzt dafür auch bei kleineren Wahlen große Mittel und Parteiprominenz ein. Sie will sich mit Blick auf die Landtagswahlen 2024 in Sachsen, Thüringen und Brandenburg über exekutive Ämter strategisch normalisieren und die Brandmauer einreißen.
Keine Protestwahl
Der Leiter der Bundeszentrale für politische Bildung, Thomas Krüger, warnte davor, die Wahl der AfD als Protestwahl zu verharmlosen. Die AfD sei ein erfolgreiches Radikalisierungskollektiv, das für menschenfeindliche Positionen stünde. In Teilen der Gesellschaft seien diese Positionen etabliert. Er forderte mehr demokratisches Engagement und politische Bildung in Schulen. In der letzten Woche hatte bereits eine Studie zu autoritären Einstellungen in Ostdeutschland nahegelegt, dass eine AfD-Wahl vor allem mit lange verbreiteten rassistischen und autoritären Einstellungen einhergeht.
Wohl auch deshalb plädierte der Politikwissenschaftler Pascal Begrich, Geschäftsführer des Vereins „Miteinander – Netzwerk für Demokratie und Weltoffenheit in Sachsen-Anhalt“, für die Stärkung und Förderung derjenigen, die sich der AfD entgegenstellen und nicht rechtsextrem wählen – und nicht erneut eine Debatte, welche die AfD-Wählenden in den Fokus stellt. Er schrieb nach der Wahl: „Knapp 50 Prozent haben nicht AfD gewählt, 75 Prozent würden bei Landtagswahlen in Ostdeutschland nicht AfD wählen. Mit ihnen ist demokratischer Staat zu machen und mit dem zivilgesellschaftlichen Engagement für eine offene Gesellschaft vor Ort.“
Als hauptamtlicher Bürgermeister ist Loth Verwaltungsbeamter auf Zeit und kann auch wieder abgewählt werden. Er ist Chef der Verwaltung und Vorsitzender des Stadtrats und repräsentiert die Gemeinde nach außen. Er hat Spielräume bei der Personalführung, muss aber Ratsbeschlüsse umsetzen. Im Stadtrat von Raguhn-Jeßnitz stellt die AfD vier von 19 Abgeordneten. In Sachsen-Anhalt werden Bürgermeister für sieben Jahre gewählt.
Für das Bürgermeisteramt muss Loth sein Landtagsmandat niederlegen. Erster Nachrücker für den Landtag ist Christian Mertens, Landeschef der als gesichert rechtsextrem eingestuften AfD-Jugendorganisation Jungen Alternative.
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