Erneuerung der Union: Bedenken beim Anblick eines Löwen

CDU und CSU wollen sich neu erfinden. Das könnte enden in einem aus den Trümmern neu zusammengesetzten, parteigewordenen Albtraum.

Portrait von Franz Josef Strauß. Es ist ein Schwarzweißfoto. Strauß lacht. Er ist ein alter, dicker Mann mir kurzen dunklen Haaren und trägt Anzug.

Kein senfgelber Löwe, sondern ein weißer Mann Foto: Horst Schnase/imago images

Ich habe vergangene Woche in einem sehr alten Hotel in Nürnberg übernachtet. Das Gebäude stammt aus dem Jahr 1777 und hat die Luftangriffe der Alliierten auf das ideologische Zentrum des Nationalsozialismus im Zweiten Weltkrieg weitestgehend überstanden.

Als ich morgens aus dem Fenster blickte, grinste mich ein senfgelber Löwe neben dem Schriftzug „CSU“ auf der Fassade des Nachbargebäudes an. In einer normalen Welt hätte ich mich gefreut, dass CSU und CDU, die Parteien von Horst Seehofer und Friedrich Merz, mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit bald auf der Oppositionsbank sitzen werden, fast keine Gestaltungsmacht haben, Parteien von gestern sein werden. Aber ich fühlte beim Anblick der Buchstaben C und S und U (in meinem Kopf noch ein D) nur Sorgen, gar ein bisschen Panik.

Wenige Tage vorher hatte der saarländische CDU-Ministerpräsident gesagt, seine Partei brauche nun einen „neuen Sound“. Nach was diese neue Union wohl klingen wird?

Vielleicht nach Sprung in einer alten Platte: Denn aus den Löchern der merkellosen CDU/CSU sind längst jene gestiegen, die schon immer gegen die vermeintlich so nette Bundeskanzlerin rebelliert haben. Jene, die sich in Deutschland eine noch rechtere Rechte erträumen. Entweder weil sie fest daran glauben und/oder weil sie denken, sie würden damit mehr Wäh­le­r*in­nen erreichen. Unionspolitiker (es sind hauptsächlich Männer) laufen im Wahn durch die Parteinetzwerke und stimmen ihre Instrumente, um den „neuen Sound“ zu proben: einige von ihnen wollen mehr Leitkultur, mehr Kapitalismus, mehr Franz Josef Strauß.

Die Lage ist beschissen

Tilman Kuban, Vorsitzender der antik wirkenden Jungen Union, stufte längst die Lage seiner Partei als „beschissen“ ein und kündigte an, dass bei CDU/CSU kein Stein auf dem anderen bleiben dürfe. Die viel beschworene Zerstörung der CDU (und CSU) könnte in einem aus den Trümmern neu zusammengesetzten, parteigewordenen Albtraum enden. Ein Albtraum für Frauen (wegen traditionellen Familienwerten), queere Menschen (wegen „Gender-Gaga“), rassifizierte und migrantisierte Menschen (Menschenwürde verletzende Fluchtpolitik und Zwangsintegration), Arme (noch neoliberaler als die Ampel sein müssen), An­ti­fa­schis­t*in­nen (Law and Order), also für all die, die mit Heimatpolitik nichts anfangen können.

Was soll das überhaupt bedeuten, wenn die bei der Union von „Erneuerung“ faseln? Die SPD hat gezeigt, was Erneuerung im Parteiuniversum bedeuten kann: Olaf Scholz wird (sehr wahrscheinlich) Kanzler. Bei CDU/CSU sollten wir uns in vier Jahren nicht wundern, dass sie es mit einem AfD-Imitat versuchen könnten. Wer kann schon ausschließen, dass sie damit sogar eine Chance hätten, zu alter Prozentstärke wiederzufinden? Vielleicht sogar in politische Lager eingeteilt, weil man für die Zukunft des deutschen Volks einen Konsens auf der rechten Seite des Bundestags gefunden hat.

Ich wünschte, meine Nürnberger Bedenken beim Anblick des CSU-Löwen wären haltlos.

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Mohamed Amjahid ist freier Journalist und Buchautor. Bei Twitter schreibt er unter dem Handle @mamjahid, bei Instagram @m_amjahid. Seine Bücher "Der weiße Fleck. Eine Anleitung zu antirassistischem Denken" und "Let's Talk About Sex, Habibi" sind bei Piper erschienen.

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