CSU emanzipiert sich vom Parteichef: Bloß nicht zur Liste Söder werden

Bayerns Junge Union probt das Revolutiönchen. Dabei offenbart diese viel über das Verhältnis zwischen dem CSU-Chef und seinen Fans.

Markus Söder steht neben neben Christian Doleschal, beide tragen Basecap

Auch nicht mehr jung: Markus Söder bei der Jungen Union in Deggendorf, hier mit Christian Doleschal Foto: Armin Weigel/dpa

MÜNCHEN taz | Plötzlich ist es weg, das Zugpferd. Es sei an der Zeit, „ein schlagkräftiges, frisches Team hinter unserem starken Zugpferd Markus Söder zu bilden“, sollte es eigentlich in einer Erklärung der bayerischen Jungen Union zur Wahlniederlage heißen. So hat es der Vorstand um Christian Doleschal getextet und den Delegierten der JU-Landesversammlung am Wochenende in Deggendorf vorgelegt.

Doch dann kommt es zum Eklat. Ein weitgehend unbekannter Delegierter namens Stefan Meitinger fordert, „Zugpferd Markus Söder“ aus der Passage zu streichen. „Wir müssen es nicht immer auf eine Person reduzieren“, argumentiert Meitinger. Versuche des Vorstands, noch eine Kompromissformulierung herbeizuführen, scheitern, es wird abgestimmt. 75 Prozent wollen kein Zugpferd mehr, nur noch das frische Team. „Wir sind keine Ein-Mann-Partei“, sagt Meitinger, „wir sind die CSU.“ Eine These, die seit der Übernahme des CSU-Vorsitzes durch Söder als steil gelten darf.

Zwar kennt man die Junge Union durchaus als selbstbewusst – aber eben auch als den wohl treuesten Fanclub von Markus Söder. Dass sie sich nun derart deutlich von dem CSU-Chef zu emanzipieren sucht, kommt insofern doch etwas überraschend. Schließlich galt Söder in JU-Kreisen stets als der Heilsbringer schlechthin. Die JU reichte ihm die Säge, als er noch eifrig am Stuhl seines Vorgängers Horst Seehofer sägte, sie unterstützte ihn im Amt, und sie gehörte zu den Ersten, die riefen, Söder müsse Kanzler werden.

Es wäre ein wenig überinterpretiert, sähe man einen kausalen Zusammenhang zum aktuellen Niedergang des konservativen Zugpferds Sebastian Kurz in Bayerns unmittelbarer Nachbarschaft. Und doch dürfte das österreichische Beispiel manchem auch als Warnung dienen, ausschließlich auf ein Pferd zu setzen. Der Argwohn gegenüber Söders vielzitierter One-Man-Show wächst – in der JU, in der CSU, in der CDU.

So jung ist Söder garnicht

Nicht von ungefähr soll CDU-Veteran Wolfgang Schäuble im Kampf um die Kanzlerkandidatur die Befürchtung geäußert haben, die Union werde zu einer „Liste Söder“ verkommen, wenn man ihm die Kanzlerkandidatur antrage, ganz wie in Österreich, wo Sebastian Kurz aus den Überbleibseln der früheren ÖVP die ÖVP/Liste Kurz geformt hatte und mit ihr ins österreichische Kanzleramt gezogen war. Für Schäuble ein Horrorszenario, das ihn die entscheidenden Strippen für Armin Laschet ziehen ließ.

Trotz augenfälliger Parallelen, was die sehr stark auf eine Person fixierte Inszenierung der jeweiligen Parteien angeht, sind die Fälle Kurz und Söder dennoch sehr unterschiedlich gelagert: Söder hat die CSU nicht gekapert, er ist ein echtes CSU-Gewächs, das seine Karrie­re größtenteils in dieser Partei gemacht hat, sich auf ein dichtes Netzwerk in ihr stützt und bei allem bekundeten Modernisierungswillen sehr stark versucht, an den christsozialen Traditionen anzuknüpfen. Statt sich von seinen Vorgängern zu distanzieren, beruft er sich gern auf politische Vorbilder wie Franz ­Josef Strauß oder Edmund Stoiber.

Söder selbst gehört längst zur alten Garde, ist kein Vertreter der Generation Kurz – was bei seiner Selbstinszenierung als junger Modernisierer mitunter in Vergessenheit zu geraten scheint. Söder gehört zur Generation Laschet – der Altersunterschied zu Kurz ist mehr als dreimal so groß wie zu Laschet. Aber mit Söders Talent gesegnet, würde es wohl selbst Prinz Charles verstehen, sich als royale Nachwuchshoffnung zu inszenieren.

Doch dass eine gelungene Selbstinszenierung alleine nicht mehr genügt, hat die JU-Landesversammlung gezeigt. Die Partei möchte sich nicht mehr nur hinter ihrem Chef scharen. So merkten Beobachter an, dass die Begrüßung für den Europapolitiker und stellvertretenden CSU-Vorsitzenden Manfred Weber weit euphorischer ausfiel als die für Söder.

In Regierung und Fraktion gibt es ohnehin schon lange leisen Unmut darüber, dass Söders Staatskanzlei alle wichtigen Themen an sich zu reißen pflegt. Seit der Wahlniederlage, die zu einem Teil auch Söder angelastet wird, rufen immer mehr Christsoziale nach einer breiteren Aufstellung der Partei. Am Tag nach der Wahl darauf angesprochen, sagte Söder: „Haben wir. Bin ich sehr dafür.“

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