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Erneuerung der UnionKeine AbKURZung für die CDU

Anna Lehmann
Kommentar von Anna Lehmann

Der Sturz von Sebastian Kurz sollte der Union eine Warnung sein. Mit einer neuen Spitze allein ist es nicht getan. Es braucht ein neues Programm.

Neue Köpfe und neue Ideen braucht die Union. Laschet kann dabei allenfalls moderieren Foto: Annegret Hilse/reuters

I st es Pech oder Warnung zur rechten Zeit? Das Schmierentheater in Österreich macht die Lage für die gebeutelte CDU nicht einfacher. Mit den Ermittlungen wegen des mutmaßlich gekauften Wahlkampfs der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) und dem Rücktritt des schneidigen Parteichefs Sebastian Kurz als Kanzler kommt der Union der Posterboy abhanden.

Viele ließen sich gern mit ihm ablichten – Gesundheitsminister Jens Spahn, Junge-Union-Chef Tilman Kuban, CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak und auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), der ihn im Sommer noch als seinen Freund bezeichnete. Doch der Freund steckt offenbar tief im Sumpf der „Freunderlwirtschaft“ und Solidaritätsadressen aus den deutschen Schwesterparteien sind derzeit rar.

Kurz hat ein Politikmodell perfektioniert, das bis vor wenigen Tagen vielen in der Union als verheißungsvoller Weg aus der Krise schien. Er hat seine charismatische Persönlichkeit vor die Partei und deren dröge Gremien gestellt, und Stimmungen vor Abstimmungen und Beschlüsse. Nun wird deutlich, wie manipulierbar und missbrauchsanfällig solch ein popularitätsfixiertes Politikmodell vermutlich ist.

Vielleicht ein Dämpfer für all jene, die bis heute glauben, der Union fehlte nur der richtige Kanzlerkandidat, um weitere Jahrzehnte an der Macht zu bleiben. Denn Markus Söder ist die deutsche Verkörperung eines auf Intuition und Popularität vertrauenden Politikstils. Die österreichische Regierungskrise ist hoffentlich auch eine Warnung an jene in der CDU, die vor allem auf einen neuen Leader setzen und darauf, dass sich die programmatischen Hausaufgaben dann schon von selbst erledigen.

Eine solche Ab-Ku(e)rz-ung wird die inhaltliche Entkernung beschleunigen und der Partei schaden. Armin Laschet wird den Parteigremien am Montag einen Parteitag zur personellen Neuaufstellung vorschlagen. Die CDU braucht aber auch eine programmatische Neuaufstellung und vor allem keine One-Man-Show wie in Österreich.

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Anna Lehmann
Leiterin Parlamentsbüro
Schwerpunkte SPD und Kanzleramt sowie Innenpolitik und Bildung. Leitete bis Februar 2022 gemeinschaftlich das Inlandsressort der taz und kümmerte sich um die Linkspartei. "Zur Elite bitte hier entlang: Kaderschmieden und Eliteschulen von heute" erschien 2016.
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15 Kommentare

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  • „Es braucht ein neues Programm.“



    Ja wie jetzt? Schluß mit Antikommunismus? Wie soll das gehen?



    Ich sach's mal so: Woher nehmen und nicht stehlen?

    • 9G
      95820 (Profil gelöscht)
      @Rainer B.:

      „Woher nehmen und nicht stehlen?“



      Angela Merkel (die Älteren werden sich erinnern) hat doch schon alles bei der Konkurrenz abgeräumt.

  • Ich verstehe das ganze Theater überhaupt nicht. Worin unterscheidet sich denn die CDU/CSU von der ÖVP? Sie ist genauso moralisch verkommen und korrupt bis ins Mark. Es reicht doch dem Philipp Amthor ein paar Kontaktlinsen zu spendieren und ihm einen feschen Haarschnitt zu verpassen, da kann auch ein Toupet Wunder bewirken und schon ist der neue Kurze da. Zugegeben, vielleicht könnte man ihn vorher an die Wand klatschen, im Märchen wurde ja auch aus einem Frosch ein schöner Prinz - doch deutsche Märchen sind da sehr zweischneidig. Die konventionelle Form des Aufhübschens ist da doch sicherer und humaner, falls das Märchen einem doch etwas vorgaukelt, was nicht wahr ist. Dazu müsste man allerdings die CDU/CSU befragen. Denn mit Märchen kennen die sich aus.

  • 8G
    82286 (Profil gelöscht)

    "Der Zusammenhang zwischen dem möglicherweise rechts- und sittenwidrigen Verhalten des zurückgetretenen österreichischen Bundeskanzlers und dem Tohuwabohu bei der CDU erschliesst sich mir beim besten Willen nicht."

    " A M T H O R "



    Wird jetzt auch im DLF gehätschelt. Interviews ...

    • @82286 (Profil gelöscht):

      Gut das man hier nicht die Schriftgrösse bestimmen kann 🤓

      klein amthor scheint ja bei Ihnen eine geradezu religiös große Scharnierfunktion zu haben bei der Erklärung der Welt.

      • 8G
        82286 (Profil gelöscht)
        @Rudolf Fissner:

        Lies ein Kommentar weiter oben @ACHTERHOEKER

      • 8G
        82286 (Profil gelöscht)
        @Rudolf Fissner:

        Jo, ich geb Ihnen Recht - in diesem Fall :-)



        War als Antwort auf @TRIPLER THOMAS gedacht.

  • Das ist schon schon sehr kurz gesprungen. Die deutschen Christdemokraten sind doch ziemlich immun gegen Populismus, selbst eine Figur wie Merz haben sie zweimal als Vorsitzenden verhindert. Und Söder als Kanzlerkandidaten haben sie auch verhindert. Der Pseudo- Sturz von Kurz ist demnach, falls er überhaupt irgendeinen Bezug zu Deutschland hat, die Bestätigung des bisherigen Kurses der CDU. Gemessen an Kurz ist übrigens auch ein Söder ein vorsichtiger und werteorientierter Politiker, klar hätte er viele Wege zur Macht beschritten, dann aber seriöse Politik gemacht.

  • "Es braucht ein neues Programm."...Der CDU dies zu empfehlen - dazu noch in der TAZ - ist für mich unverständlich.

    • @Struppo:

      Wieso das? Weil die CDU per se das "Böse" ist, dem progressive Kräfte keine Tipps zu geben haben?

      Ich sehe da keinen Interssenkonflikt. Auch wer ganz sicher bis auf weiteres keinen Unions-Kanzler sehen möchte, hat ein vitales Interesse daran, dass die Union nicht ins Populistische abdriftet oder sich komplett zerschießt. Letzteres würde bedeuten, dass die bisherigen Unionswähler sich eine neue Heimat suchen müssten, und die wären sicher nur zum Teil Parteien, die man hier gerne gestärkt sehen würde.

      Es gibt nunmal keinen linken Konsens in der deutschen Bevölkerung, und den wird es auch bis weiteres nicht geben. Da ist es besser, den eher rechten Wählern ein Vehikel zu erhalten, das ihre Meinung noch halbwegs vernünftig abbildet, als einfach nur draufzuhauen und sich über jede Erosion diebisch zu freuen.

      Schauen Sie nach Frankreich, wo die Wähler in der Stichwahl in letzter Zeit immer nur die Wahl zwischen Marine Le Pen und EINEM nicht-rechtsextremen Konkurrenten haben. Ganz so "Friss oder Stirb" ist unser Wahlsystem natürlich nicht, aber eine ähnliche Entwicklung der Stimmverteilung täte auch ihm nicht gut.

    • @Struppo:

      Das wiederum ist mir sehr unverständlich. Die ganze deutsche Gesellschaft muss doch ganz offensichtlich "nach links" rücken und grüner werden. Der Union kommt dabei die Aufgabe zu, ihre Wähler mitzunehmen, Grenzen nach rechts zu ziehen, konservative Politik neu zu denken. Wenn die Union sich bewegt tut das allen gut, sogar dann wenn sie ihre innere Zerrissenheit dahingehend klärt, dass sie nach rechts rückt. Dann ist sie nämlich für viele nicht mehr wählbar. Rückt sie nach links, ermöglicht das hingegen auch neue Spielräume für das progressive Spektrum. So oder so kann man sich schon sehr gut wünschen, dass die Union endlich in einen neuen Selbstfindungsprozess einsteigt. Alles andere hilft niemandem.

  • Der Zusammenhang zwischen dem möglicherweise rechts- und sittenwidrigen Verhalten des zurückgetretenen österreichischen Bundeskanzlers und dem Tohuwabohu bei der CDU erschliesst sich mir beim besten Willen nicht.



    Zumindest habe ich Laschet zu keiner Zeit als "starken Mann" erlebt und auch nicht, dass er als solcher propagiert worden wäre.

    Viel schlimmer aber wirkt auf mich die realitätsferne Darstellung, dass Rücktritte anscheinend zur Bewegung von Inhalten führen oder diese zumindest begünstigen.



    Ich sehe kein historisches Beispiel dafür, die ÖVP scheint zudem der aktuelle Gegenbeweis.



    Umso weniger erschliesst sich mir der Warnungsinhalt, den Frau Lehmann da postuliert.

    Aber, es ist ja auch Montag Morgen, vielleicht liegt es einfach daran.

    • @Tripler Tobias:

      Frau Lehmann meint, dass die Kurz-ÖVP für die hiesige Union bislang immer eine attraktive Blaupause darstellte, wie man auch die sie per überwältigender Popularität einer Führungsperson wieder zu Urnenerfolgen verhelfen könnte. Laschets Kür zum Vorsitzenden und Kanzlerkandidaten stellt dazu im Vergleich eher den "alten" Weg dar: Er war der Kandidat des Parteiapparates und nicht der Umfragen. Die Zukunft könnte Merz und - als nächstem Kanzlerkandidat - Söder gehören, wobei vor allem letzrerer eben die "Kurzerisierung" der Union befürchten lässt.

    • @Tripler Tobias:

      Ja klar, die CDU mit Laschet an der Spitze ist derzeitig nicht wie Kurz und seine ÖVP. Könnte aber nach Laschets Abgang so werden.

    • @Tripler Tobias:

      Ich versteh es so: eine Verjüngung alleine reicht nicht. Jugend ist keine Qualifikation und steht nicht per se für Unschuld. Auch ein radikaler Generationswechsel, der vielleicht sogar eine Generation überspringt und direkt an die Generation von Sebastian Kurz übergibt, ist kein Allheilmittel. Nur weil da einer ein junger weißer Mann ist (und kein alter), kann er ja immer noch völlig falsche Vorstellungen von Anstand und Moral haben, wie Herr Kurz wohl bewiesen hat, wenn die Berichte über seine Praktiken der Wahrheit entsprechen.