Erneuerung der Union: Keine AbKURZung für die CDU
Der Sturz von Sebastian Kurz sollte der Union eine Warnung sein. Mit einer neuen Spitze allein ist es nicht getan. Es braucht ein neues Programm.
I st es Pech oder Warnung zur rechten Zeit? Das Schmierentheater in Österreich macht die Lage für die gebeutelte CDU nicht einfacher. Mit den Ermittlungen wegen des mutmaßlich gekauften Wahlkampfs der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) und dem Rücktritt des schneidigen Parteichefs Sebastian Kurz als Kanzler kommt der Union der Posterboy abhanden.
Viele ließen sich gern mit ihm ablichten – Gesundheitsminister Jens Spahn, Junge-Union-Chef Tilman Kuban, CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak und auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), der ihn im Sommer noch als seinen Freund bezeichnete. Doch der Freund steckt offenbar tief im Sumpf der „Freunderlwirtschaft“ und Solidaritätsadressen aus den deutschen Schwesterparteien sind derzeit rar.
Kurz hat ein Politikmodell perfektioniert, das bis vor wenigen Tagen vielen in der Union als verheißungsvoller Weg aus der Krise schien. Er hat seine charismatische Persönlichkeit vor die Partei und deren dröge Gremien gestellt, und Stimmungen vor Abstimmungen und Beschlüsse. Nun wird deutlich, wie manipulierbar und missbrauchsanfällig solch ein popularitätsfixiertes Politikmodell vermutlich ist.
Vielleicht ein Dämpfer für all jene, die bis heute glauben, der Union fehlte nur der richtige Kanzlerkandidat, um weitere Jahrzehnte an der Macht zu bleiben. Denn Markus Söder ist die deutsche Verkörperung eines auf Intuition und Popularität vertrauenden Politikstils. Die österreichische Regierungskrise ist hoffentlich auch eine Warnung an jene in der CDU, die vor allem auf einen neuen Leader setzen und darauf, dass sich die programmatischen Hausaufgaben dann schon von selbst erledigen.
Eine solche Ab-Ku(e)rz-ung wird die inhaltliche Entkernung beschleunigen und der Partei schaden. Armin Laschet wird den Parteigremien am Montag einen Parteitag zur personellen Neuaufstellung vorschlagen. Die CDU braucht aber auch eine programmatische Neuaufstellung und vor allem keine One-Man-Show wie in Österreich.
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