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Ermittlungen gegen Amokläufer David S.„Türken auslöschen.docx“

Er malte Hakenkreuze und sprach von „ausländischen Untermenschen“. Trieben den Amokläufer von München tatsächlich nur persönliche Motive?

Die leere Symbolik vor dem Tatort lenkt vom rechtsextremen Motiv des Amoklaufs nicht ab Foto: dpa

München taz | Für Staatsanwaltschaft und LKA war die Sache klar: Der Amokläufer vom Münchner Olympia-Einkaufszentrum hatte zwar eine rechtsextremistische Gesinnung, aber für seine Tat war sie nicht ausschlaggebend. Die Tat, bei der David S. am 22. Juli letzten Jahres neun Menschen tötete, war „nicht politisch motiviert“. Als Motiv sahen die Ermittler Rache für jahrelanges Mobbing. 1.000 Videos hatten sie ausgewertet, über 2.000 Zeugen vernommen, im März dann einen 170 Seiten starken Abschlussbericht vorgelegt. Für sie war der Fall erledigt.

Doch jetzt mehren sich die Zweifel an der Einschätzung. In der Antwort auf eine schriftliche Anfrage der Grünen-Fraktionschefin im Landtag, Katharina Schulze, hat das Innenministerium weitere Details zum Amokläufer bekannt gegeben. So legte dieser noch am Tag der Tat eine Datei mit dem Namen „Ich werde jetzt jeden Deutschen Türken auslöschen egal wer.docx“ an. Inhalt war offenbar nur ein Satz: „Das Mobbing wird sich heute auszahlen. Das Leid was mir zugefügt wurde, wird zurückgegeben.“

Die Ermittler gehen davon aus, dass David S. „den gegenüber den für das Mobbing verantwortlichen Mitschülern empfundenen tiefen Hass mit der Zeit auf Personen projizierte, die diesen Mobbern in Alter, Herkunft, Aussehen und Lebensstil ähnlich waren“. So habe er „eine tiefe Abneigung“ gegen Jugendliche, vor allem mit türkischen oder albanischen Wurzeln entwickelt.

Schulze hat für diese Art der Projektion einen Namen: Rassismus. Sie fordert eine Einordnung der Bluttat als „PMK-rechts“, als politisch motivierte Kriminalität – auch wenn dies nicht im Sinne der CSU-Regierung sei. Diese sträube sich gegen die Aufklärung des Motivs, nach dem Motto: „Es kann nicht sein, was nicht sein darf.“

Hitlergruß in Therapiesitzung

Schulze fordert nun im Innenausschuss des Landtags einen weiteren Bericht, der den Radikalisierungsverlauf von David S. aufzeigt. Sie wolle die Bedeutung des Mobbings nicht herunterspielen, aber aus ihrer Sicht gibt es zumindest zwei Tatmotive. Zumal das Schreiben des Innenministeriums noch weitere Anhaltspunkte nennt: Ziemlich genau ein Jahr vor dem Amoklauf hat David S. ein weiteres, zwei Seiten langes Dokument angelegt. „Mein Manifest.docx“ nannte er es und ließ sich darin über seine Schule in Feldmoching-Hasenbergl aus.

Die Bewohner des Stadtteils beschreibt er wahlweise als „ausländische Untermenschen“ mit meist „türkisch-balkanischen Wurzeln“ und „Kakerlaken“. Und während einer Psychotherapie soll S. den Hitlergruß gezeigt und Hakenkreuze in seinen Block gemalt haben.

Schulze hat für diese Art der Projektion einen Namen: Rassismus.

Die Grünen-Abgeordnete Schul­ze ist nicht die Einzige, die sich weitere Aufklärung über das Motiv von David S. wünscht. So beschwerte sich bereits der Münchner Rechtsanwalt Yavuz Narin, der vier Opferfamilien vertritt, die Behörden hätten Indizien für einen rechtsextremen Hintergrund gezielt außer Acht gelassen. „Das mag auch der Grund dafür sein, dass meinen Mandanten seit mehreren Monaten deren gesetzlich geregeltes Recht auf Akteneinsicht verweigert wird“, mutmaßte er in der Frankfurter Rundschau.

Im Münchner Rathaus brachte vor einem Monat sogar ein CSU-Stadtrat einen Antrag ein. Titel: „Motivation des Amokläufers und mögliche politische Hintergründe und Folgen aufzeigen“.

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5 Kommentare

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  • Vor Allem ein bairischer Rechtsradikaler in Bayern...

  • ich finde die Diskussion relativ ärgerlich.

     

    Als könne man die Motive wirklich trennen, das Rechtsradikale wurde ihm dann wohl vom Teufel eingeimpft und die Rache fürs Mobbing war die menschliche Reaktion.

    Vielleicht sollte man einfach akzeptieren, dass auch viele Rechtsextreme (falsche) "Gründe" für ihre Gesinnung haben. Wie es ja auch bei Islamisten der Fall ist und sonstigen Extremisten. Demütigungen und Isolation zum Beispiel und dann die vermeintliche Sicherheit in einer Gruppe, wo man sich stark fühlen kann - so findet mancher Extremist Anschluss im Knast als Leute, die ihn dort ansprechen und für die Gesinnung gewinnen.

     

    Mit anderen Worten: ich finde es fast zynisch, eine "Zahl hochtreiben" zu wollen, indem man die Tat in eine Statistik aufnimmt. Mir ist es egal, ob sie "rechtsextrem" war, vor allem war sie durch langes Leiden und wenig Hilfe motiviert, aus beidem hat sich ein Hass entwickelt, der leider pauschal gegen "die Türken, Araber und Jugoslawen" gerichtet war und nicht gegen die Täter und die, die ihn im Stich ließen (womit nicht gesagt ist, dass er die hätte bestrafen sollen, aber dass die zweitgenannten ihre Verantwortung hinterfragen sollten. Das wäre wichtiger als eine Statistik.

  • Wie üblich: Wenn ein Rechtsradikaler Amok läuft ist es ein Amoklauf. Wenn ein Moslem Amok läuft sind alle Moslems verantwortlich und es liegt am Islam.

    • @Mustardman:

      Aber die Frage sei gestattet, ob es primär eine innere Überzeugung zu einem ideologisch gefestigten Rechtsradikalismus ist, wenn man als Mobbingopfer aus Frustration heraus seinen Hass in die Form kanalisiert, die es ermöglicht genau die pauschalisierte Gruppe vermeintlicher Täter ebenfalls zu hassen und zu erniedrigen, oder ob da eben nicht die Opferohnmacht im Vordergrund steht. Das soll nichts beschönigen, oder erklären, aber falls er sich nie gegen seine tatsächlichen Peiniger wehren konnte, weil er immer sofort Rassist genannt wurde wenn er sich über sie beschwert hat, ist es dann nicht so, dass gerade eine scheinbar progressives Umfeld sich unheilvoll mit den Mobbern solidarisiert und ihm nur den Weg in Rechte Subkulturen verbleibt, in denen er die erlittene Frustration als Hass amplifiziert, und am Ende in Gewalt kanalisiert? Das wäre dann im Kern kein überzeugter Rechtsradikalismus als Ursache, sondern die Ursache wäre fehlendes Verständnis für in seinem realen Umfeld tatsächlich stattfindendes Mobbing durch Personen aus dem türkischen und albanischen Kulturkreis. Ich will hier keinen Spin drauflegen, aber der Stempel "Rechtsradikal" bei solcher Jugendgewalt, in der klar Frust in Gewalt kanalisiert wird erklärt gar nichts. Er war nicht ernsthaft rechtsradikal organisiert, er ist kein Kader, was man findet ist Material zu xenophobem Hass - aber die Ursache für diesem Hass liegt nicht in seiner "Bösartigkeit", sondern darin, dass ihn niemand bezeiten verstanden hat und ihm kein Weg aus Hass und Wut gezeigt wurde. Ihm einen Stempel zu verpassen klärt gar nichts auf, die tatsächliche Konstellation für sein Handeln könnte gerdade für Grüne viel unangenehmer sein als ihnen lieb ist, Stichwort verdruckste Konsensgesellschaft in der nicht sein darf, was ideologisch nicht opportun ist, z.b. Mobbing durch bestimmte ausländische Gruppen als solches zu benennen ohne immer sofort mit der Rassismuskeule darauf zu hauen.

      • @hup:

        Ich stimme Ihnen ja im Prinzip völlig zu, nur gilt das doch genauso für Leute, die plötzlich ihre Religion entdecken und durchdrehen.

         

        Beide werden da auf die letzte Rückzugslinie zurückgedrängt, die ihnen bleibt, und die einen verstecken sich dann dann hinter ihrer Rasse und die anderen hinter ihrer Religion. Letztlich werden auch die durchdrehenden kleinkriminellen Moslems nur zu Amokläufern, nachdem keiner ihnen einen Weg aus Hass und Wut gezeigt hat.