Erhöhung der Gastro-Mehrwertsteuer: Es geht um Lebensqualität
Um die Gastronomie über die Pandemie zu bringen, wurde die Mehrwertsteuer auf Speisen reduziert. Das jetzt zurückzunehmen, wäre ein fataler Fehler.
D ie Inflation scheint sich zu beruhigen, aber die Gastronomie in Deutschland steht vor einem neuen Preisschub. Denn die Bundesregierung will die in Coronazeiten beschlossene Absenkung der Mehrwertsteuer für Speisen auslaufen lassen, die vor Ort konsumiert werden. Das bedeutet: Statt 7 Prozent werden dann 19 Prozent fällig. Den allermeisten Anbietern bleibt angesichts gestiegener Kosten nichts anderes übrig, als das eins zu eins an die Kund:innen weiterzugeben.
Dagegen protestiert ein Bündnis von Gastwirt:innen, Köch:innen und Konditor:innen bis hin zu Lieferant:innen von Schul- und Kitaessen. Denn nicht nur das Stück Kuchen und das Schnitzel werden teurer, sondern auch die Mahlzeiten für die Kinder. Eltern müssen dafür – mit wenigen Ausnahmen wie in Berlin, wo der Senat bestimmte Kosten übernimmt – zwischen 3 und 5 Euro pro Mahlzeit zahlen. Tagtäglich 12 Prozentpunkte mehr dafür sind eine herbe Belastung für Mütter und Väter mit geringem Einkommen.
Beim Schulessen finden sogar jene Ökonom:innen eine weiterhin niedrige Mehrwertsteuer richtig, die sich sonst für die 19 Prozent aussprechen. Wissenschaftler:innen des Wirtschaftsforschungsinstituts ZEW gehen davon aus, dass dem Fiskus durch die Absenkung jährlich 3 Milliarden Euro entgehen – wovon vor allem Wohlhabende profitieren würden, weil die öfter essen gehen als andere. Deshalb halten sie die Anhebung für sozial.
Doch das geht an der Wirklichkeit vorbei. Café- und Restaurantbesuche sind glücklicherweise kein Luxus, den sich nur wenige leisten können – auch wenn es leider genug Leute gibt, die kaum Geld dafür haben. Ausgerechnet dieser Gruppe den Restaurantbesuch noch schwerer zu machen ist aber das Gegenteil von sozial.
Gastronomie bedeutet mehr als Jobs
In vielen EU-Staaten ist ein abgesenkter Mehrwertsteuersatz für Speisen die Regel. Und so sollte es auch in Deutschland sein. Die Steuerausfälle sind verkraftbar angesichts dessen, worum es geht: die Stabilisierung einer Branche, deren Existenz nicht nur für den Erhalt der Jobs wichtig ist.
Cafés, Kneipen und Restaurants sind Teil des öffentlichen Lebens, sie geben Raum für ungezwungene Begegnungen, für Kultur und ermöglichen gesellschaftliche Teilhabe. Ausgehen zu können ist eine Frage der Lebensqualität. Innenstädte werden immer unschöner, weil das Internet dem Einzelhandel das Leben schwermacht. Stirbt die Gastronomie, ist die Verödung nicht mehr aufzuhalten.
Eine abgesenkte Mehrwertsteuer ist nur ein kleiner Beitrag zum Erhalt von Gaststätten. Aber eine staatlich betriebene Verteuerung könnte für etliche Wirt:innen in Zeiten hoher Inflation und nach drei Coronajahren die eine Mehrbelastung zu viel sein. Das gilt erst recht, wenn die Bedingungen für Konkurrenten besser sind: Für Speisen zum Mitnehmen und Lieferdienste soll weiterhin eine Mehrwertsteuer von 7 Prozent gelten. Das ist absurd.
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