Ergebnisse des Bund-Länder-Gipfels: Magisches Denken

Von der Union vor sich hergetrieben, haben sich Bund und Länder auf neue Regeln für Mi­gran­t:in­nen geeinigt. Ein Ende der Debatte ist nicht in Sicht.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), zeigt zur rechten Seite vor Beginn der Sitzung des Bundeskabinetts im Kanzleramt.

Weg-Weiser oder Wegweiser? Hauptsache, die Richtung ist klar Foto: Michael Kappeler/dpa

Die Union überzieht. Dass die Verhandlungen zwischen Bund und Ländern in der Nacht zu Dienstag am Ende neun Stunden dauerten, lag nicht zuletzt an den ständig neuen asylpolitischen Forderungen der Union, mit denen sie auch diesmal wieder aufwartete, um die Bundesregierung vor sich herzutreiben.

Da nützte es nichts, dass sich einige SPD-Politiker zuvor schon vorauseilend dafür ausgesprochen hatten, Asylverfahren künftig auch in Staaten außerhalb der EU durchzuführen: ein menschenrechtlich sehr fragwürdiges Unterfangen, bei dem zudem völlig unklar ist, in welchen Ländern das funktionieren soll. Die unionsgeführten Bundesländer packten das Thema beim Bund-Länder-Gipfel am Montag trotzdem mit auf den Verhandlungstisch. Scholz versprach pflichtschuldig, das Thema zu „prüfen“, auch wenn es für die Kommunen kaum relevant ist.

Viel bedeutsamer ist das Geld. Bei dieser zentralen Frage, die für die Kommunen am wichtigsten ist, gab es am Ende einen Kompromiss: für jeden Asylbewerber und jede Asylbewerberin werden sie vom Bund ab nächsten Jahr einen Festbetrag von 7.500 Euro als Kopfpauschale erhalten. Dieser „atmende Deckel“ wird den Kommunen tatsächlich helfen, Flüchtlinge angemessen unterzubringen und zu verpflegen.

Alle anderen Maßnahmen, die darauf zielen, die Zahl der Asyl­be­wer­be­r*in­nen in Zukunft zu senken, sind dagegen zweitrangig, denn ob sie die gewünschte Wirkung entfalten, ist fraglich. Die Kontrollen an den deutschen Grenzen auf unbestimmte Zeit fortzuführen erhöht nur die Hürden, nach Deutschland zu kommen, hält aber niemanden davon ab, es zu versuchen – genauso wenig wie der Beschluss, Flüchtlingen erst nach drei Jahren reguläre Sozialhilfesätze zu gewähren oder eine „Bezahlkarte“ einzuführen.

Schikanen für Flüchtlinge, die hier leben

Das sind bloß Schikanen, um Flüchtlingen, die bereits in Deutschland sind, das Leben schwerer zu machen. Menschen, die aus Not fliehen, wird das kaum abschrecken, auch wenn Politiker von Union und FDP ganz fest an vermeintliche „Pull-Faktoren“ glauben. Das ist magisches Denken, das einer vulgärliberalen Fantasiewelt entspringt.

Dass der nun gefundene Kompromiss zwischen Bund und Ländern einen „sehr historischen Moment“ markiert, wie ein übermüdeter Kanzler Scholz nach dem Treffen am frühen Dienstagmorgen erklärte, darf bezweifelt werden.

Immerhin: Mit der einen Milliarde, die bei den Leistungen für Asylbewerber gekürzt werden, kann Finanzminister Christian Lindner nun die Unternehmen beglücken. Die Länder werden seinem „Wachstumschancengesetz“ im Bundesrat vermutlich nicht mehr im Wege stehen. Bei den Ärmsten zu sparen, um es Unternehmen zu geben, das ist ganz nach dem Geschmack der FDP.

Klar ist aber auch, dass der Union die Verschärfungen noch nicht weit genug gehen werden. Sie wird sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, die Bundesregierung auch weiterhin mit ständig neuen Vorschlägen vor sich herzutreiben.

Mit einer neuen „Kommission zur besseren Steuerung der Migration“, auf die sich Bund und Länder nun ebenfalls geeinigt haben, findet sie dafür nun ein neues Forum. Sie wird es nutzen, um die quälende Asyldebatte mit immer neuen, überzogenen Vorschlägen auch weiterhin in die Länge ziehen.

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Daniel Bax ist Redakteur im Parlamentsbüro der taz. Er schreibt über Innen- und Außenpolitik in Deutschland, über die Linkspartei und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW). 2015 erschien sein Buch “Angst ums Abendland” über antimuslimischen Rassismus. 2018 veröffentlichte er das Buch “Die Volksverführer. Warum Rechtspopulisten so erfolgreich sind.”

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