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Ergebnisse des Bund-Länder-GipfelsMagisches Denken

Daniel Bax
Kommentar von Daniel Bax

Von der Union vor sich hergetrieben, haben sich Bund und Länder auf neue Regeln für Mi­gran­t:in­nen geeinigt. Ein Ende der Debatte ist nicht in Sicht.

Weg-Weiser oder Wegweiser? Hauptsache, die Richtung ist klar Foto: Michael Kappeler/dpa

D ie Union überzieht. Dass die Verhandlungen zwischen Bund und Ländern in der Nacht zu Dienstag am Ende neun Stunden dauerten, lag nicht zuletzt an den ständig neuen asylpolitischen Forderungen der Union, mit denen sie auch diesmal wieder aufwartete, um die Bundesregierung vor sich herzutreiben.

Da nützte es nichts, dass sich einige SPD-Politiker zuvor schon vorauseilend dafür ausgesprochen hatten, Asylverfahren künftig auch in Staaten außerhalb der EU durchzuführen: ein menschenrechtlich sehr fragwürdiges Unterfangen, bei dem zudem völlig unklar ist, in welchen Ländern das funktionieren soll. Die unionsgeführten Bundesländer packten das Thema beim Bund-Länder-Gipfel am Montag trotzdem mit auf den Verhandlungstisch. Scholz versprach pflichtschuldig, das Thema zu „prüfen“, auch wenn es für die Kommunen kaum relevant ist.

Viel bedeutsamer ist das Geld. Bei dieser zentralen Frage, die für die Kommunen am wichtigsten ist, gab es am Ende einen Kompromiss: für jeden Asylbewerber und jede Asylbewerberin werden sie vom Bund ab nächsten Jahr einen Festbetrag von 7.500 Euro als Kopfpauschale erhalten. Dieser „atmende Deckel“ wird den Kommunen tatsächlich helfen, Flüchtlinge angemessen unterzubringen und zu verpflegen.

Alle anderen Maßnahmen, die darauf zielen, die Zahl der Asyl­be­wer­be­r*in­nen in Zukunft zu senken, sind dagegen zweitrangig, denn ob sie die gewünschte Wirkung entfalten, ist fraglich. Die Kontrollen an den deutschen Grenzen auf unbestimmte Zeit fortzuführen erhöht nur die Hürden, nach Deutschland zu kommen, hält aber niemanden davon ab, es zu versuchen – genauso wenig wie der Beschluss, Flüchtlingen erst nach drei Jahren reguläre Sozialhilfesätze zu gewähren oder eine „Bezahlkarte“ einzuführen.

Schikanen für Flüchtlinge, die hier leben

Das sind bloß Schikanen, um Flüchtlingen, die bereits in Deutschland sind, das Leben schwerer zu machen. Menschen, die aus Not fliehen, wird das kaum abschrecken, auch wenn Politiker von Union und FDP ganz fest an vermeintliche „Pull-Faktoren“ glauben. Das ist magisches Denken, das einer vulgärliberalen Fantasiewelt entspringt.

Dass der nun gefundene Kompromiss zwischen Bund und Ländern einen „sehr historischen Moment“ markiert, wie ein übermüdeter Kanzler Scholz nach dem Treffen am frühen Dienstagmorgen erklärte, darf bezweifelt werden.

Immerhin: Mit der einen Milliarde, die bei den Leistungen für Asylbewerber gekürzt werden, kann Finanzminister Christian Lindner nun die Unternehmen beglücken. Die Länder werden seinem „Wachstumschancengesetz“ im Bundesrat vermutlich nicht mehr im Wege stehen. Bei den Ärmsten zu sparen, um es Unternehmen zu geben, das ist ganz nach dem Geschmack der FDP.

Klar ist aber auch, dass der Union die Verschärfungen noch nicht weit genug gehen werden. Sie wird sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, die Bundesregierung auch weiterhin mit ständig neuen Vorschlägen vor sich herzutreiben.

Mit einer neuen „Kommission zur besseren Steuerung der Migration“, auf die sich Bund und Länder nun ebenfalls geeinigt haben, findet sie dafür nun ein neues Forum. Sie wird es nutzen, um die quälende Asyldebatte mit immer neuen, überzogenen Vorschlägen auch weiterhin in die Länge ziehen.

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Daniel Bax
Redakteur
Daniel Bax ist Redakteur im Regieressort der taz. Er wurde 1970 in Blumenau (Brasilien) geboren und ist seit fast 40 Jahren in Berlin zu Hause, hat Publizistik und Islamwissenschaft studiert und viele Länder des Nahen Ostens bereist. Er schreibt über Politik, Kultur und Gesellschaft in Deutschland und anderswo, mit Fokus auf Migrations- und Religionsthemen sowie auf Medien und Meinungsfreiheit. Er ist Mitglied im Vorstand der Neuen deutschen Medienmacher:innen (NdM) und im Beirat von CLAIM – Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit. Er hat bisher zwei Bücher veröffentlicht: “Angst ums Abendland” (2015) über antimuslimischen Rassismus und “Die Volksverführer“ (2018) über den Trend zum Rechtspopulismus. Für die taz schreibt er derzeit viel über aktuelle Nahost-Debatten und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW).”
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18 Kommentare

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  • Alles wie gehabt. Umverteilung von unten nach oben, Rassismus und Fremdenhass werden in Gesetze gegossen, ein paar Schritte weiter von Menschenrechten hin zum Schurkenstaat. AfD Politik made by SPD/CDU/FDP/Grüne.

    Stolz, Deutscher zu sein? Wohl eher nicht.

  • Das war nicht der große Wurf und die Annahmen und die Ideen waren auch ziemlich daneben.



    Weder CDU/CSU, FDP, Grüne oder SPD haben in Zukunft vor, eine andere Außenpolitik zu betreiben.



    Was sie vorhaben wird im Kern nichts bringen: Man kann so Zahlen nicht senken. Die Idee der Pull-Faktoren und darüber dann Zuwanderung zu begrenzen, funktioniert nur, wenn man in einen komplett inhumanen Bereich geht, wenn man Leute schnell abschiebt, wenn man die Leute auf die Straße setze, auch im Winter, auch mit Kindern und mit Krankenakte.



    Insofern kommt bald die nächste Runde und es wird dann weiterhin Ärger und Spannungen geben.



    Besonders die CDU/CSU kann sich kurzfristig freuen, langfristig kann es sich extrem rächen für die Union: Wenn man rechtsextreme Position zu Asyl und Migration nach oben redet, muss man da immer nachliefern. Das könnte dann der AfD und anderen rechtsextremen Gruppen sehr helfen.

  • Die ganze Diskussion um Einwanderung ist durchzogen von Lügen und Halbwahrheiten und das seit Jahrzehnten.



    Erinnere nur an "Deutschland ist kein Einwanderungsland", "Kinder statt Inder".



    Dieses Lügengebäude verhindert seit langem eine rationale Strategie um mit Einwanderung umzugehen, immer werden kleine Schräubchen gedreht um einer aktuelle Situation und Stimmung zu begegnen.



    Weder Union, noch SPD noch FDP haben den Mut den Wählern zu sagen, was Sache ist. Deutschland war, ist und bleibt ein Einwanderungsland.



    Solange sich Deutschland da nicht ehrlich macht wird nur reagiert und nicht regiert.

  • Die treibende Kraft sind wohl eher die Wahlergebnisse der AFD. Insbesondere der SPD ist nervös. CDU und insbesondere Herr Söder treten einfach nur noch nach, so wie es sich für die Opposition gehört.

    • @Nachtsonne:

      Wieso sollte die SPD mehr Angst vor der AfD haben als die Union?

      "so wie es sich für die Opposition gehört."

      Sie haben "für Trumpeltiere" falsch geschrieben.



      Oder erinnern Sie sich nicht mehr an die MS-13/build-a-wall-Propaganda, die die reaktionäre Rechte in USA fuhr?



      Das ist ziemlich offensichtlich das Vorbild für die Union.

  • Naja, das "magische Denken" muss man wohl vor allem bei jenen verorten, die irgendwie glauben, es reiche aus, Probleme der Migration einfach nur zu ignorieren, dann gäbe es sie auch nicht.

    So oder so ähnlich dürften wohl die Debatten im Politbüro der SED über die Wirtschaftspolitik der DDR gelaufen sein.

    Sollte es wider Erwarten doch Probleme geben, hat man als Lösung das bewährte linke Standardrezept: Geld darüberschütten. Blöd nur, dass man für x andere Dinge genau dasselbe Rezept anbietet. Das vollmundig verkündete Ziel von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr wird dieses u. wohl auch nächstes Jahr verfehlt. Was fordert da die IG Bau? Richtig, ein Sondervermögen von 50 Mrd. www.zdf.de/nachric...ialkosten-100.html

    Irgendwie sollte sich aber herumgesprochen haben, dass es es nicht nur am Geld liegt, an der unzulänglichen Infrastruktur, sondern das vielfach schlicht das Personal fehlt. Und das ist mit Blick auf die Integration, deren Dringlichkeit ja gerade in den letzten Wochen überdeutlich geworden ist, besonders fatal. In Schulklassen mit 70-80% Kindern, deren Muttersprache kein Deutsch ist, wird schon das elementare Erlernen der Sprache schwierig. Wie man darüber hinaus noch die Wertvorstellungen einer demokratischen Gesellschaft Menschen vermitteln soll, die aus diktatorischen, gewaltaffinen und patriarchalischen Gesellschaften stammen, die sich in Submilieus abschotten, und nur noch über die Medien ihrer Herkunftsländer informieren, ist mir schleierhaft.

    Glücklicherweise haben wir hier noch nicht die Probleme, die Frankreich in seinen Banlieus hat (obwohl es dort die Sprachprobleme nicht gibt). Aber das ist nur eine Frage der Zeit. Die hiesige Selbstgewissheit aber, die Probleme, an denen andere Länder seit Jahren scheitern, ließen sich bei gutem Willen locker bewältigen, die kann man nur noch als Hybris bezeichnen.

    Und von den politischen Verwerfungen, die in Deutschland drohen, will ich gar nicht erst reden.

    • @Schalamow:

      Danke! Das wäre mal als Artikel in den Medien wichtig!

    • @Schalamow:

      das ist schon wahr, aber die Verantwortung für mehrheitlich migrantische Schulklassen sehe ich zumindest auch in der Unfähigkeit der Organisation der Behörden, wenn man keine Verteilschlüssel hat, für keine Durchmischung sorgt, sind das die zwangsläufigen Folgen. Das heißt nicht damit alles wäre gut, aber zumindest besser. Es laufen zu lassen, Parallelstrukturen zuzulassen, durch bloßes Zuschauen schaff die Probleme, die offensichtlich sind.



      Und was das angeht muß sich auch der liberale Gesellschaftsteil an die eigene Nase fassen, weil Verteilschlüssel und Organisation, wo die Behörden steuern, als unzulässige Bevormundung verurteilt wird, bis hin zum Diskriminierungsvorwurf von linksliberaler Seite...

  • "Das ist magisches Denken, ..."



    exakt so ist es.

  • Lieber Herr Bax, vielen Dank für diesen Kommentar.



    Über die Rolle der Grünen bei den von Ihnen angesprochenen Themen dürfen wir vielleicht im nächsten Beitrag von Ihnen mehr lesen.



    Im Übrigen - möglicherweise ist dieser Moment vielleicht doch "historisch", da er die Verschiebung relevanter Teile der Politik nach rechts manifestiert. Im Falle der SPD kann man darüber diskutieren, ob einfach nur ein Trend fortgesetzt wurde oder hier tatsächlich ein Paradigmenwechsel stattgefunden hat. In Bezug auf die Grünen halte ich es für historisch.

  • Zu den sogenannten Pull-Faktoren möchte ich den Autor fragen: Wenn es diese nicht gibt, warum bleiben Asylbewerber dann nicht in Italien, Griechenland oder Ungarn, wo sie doch die sichere EU erreicht haben? Was motiviert sie, nach Deutschland weiterzuziehen, wenn nicht die vermuteten Pull-Faktoren?

    • @Winnetaz:

      Es gibt haufenweise Untersuchungen zur Motivation der Flüchtlinge bei der Wahl des Ziellandes. z.B. diese hier:

      www.bamf.de/Shared...blicationFile&v=14

      Und putzigerweise findet sich da NICHTS von den angeblichen "Pullfaktoren". Was auch nicht weiter verwunderlich ist. Denn diese entspringen den wirren Fantasien von Leuten, die nie mit Flüchtlingen gesprochen haben. Aber dafür einen Sack von Vorurteilen über diese haben.



      Und aktuell kommt noch der Reflex der Union dazu, alles nachzuplappern, was die AfD vorplappert. Hat sich ausgeprägt, seit Merz Vorsitzender ist

      • @Kaboom:

        Die Untersuchung auch gelesen? Da steht schon drin, dass Migranten zumindest teilweise aus bestimmten Gründen nach D wollen, sprich, natürlich gibt es "Pullfaktoren".



        Nur haben die nix mit denen zu tun, die jetzt mal so vorgeschoben werden.

    • @Winnetaz:

      >>Zu den sogenannten Pull-Faktoren möchte ich den Autor fragen: Wenn es diese nicht gibt, warum bleiben Asylbewerber dann nicht in Italien, Griechenland oder Ungarn, wo sie doch die sichere EU erreicht haben?

      Ernsthaft, die von Ihnen genannten Länder machen es Migranten sehr schwer dort zu leben und/oder sind nicht in der Lage die Situation zu managen.



      Deswegen gibt es ja auch entsprechende Urteile, warum nach Ungarn und Griechenland nicht abgeschoben werden darf.



      Wir können natürlich in einen Grausamkeitswettbewerb eintreten.



      Wäre das in ihrem Sinn?

    • @Winnetaz:

      na klar gibt es Pull Faktoren, nur sind dies andere als hierzulande geglaubt wird.



      Nicht das Bürgergeld ist der Faktor, die wirtschaftl. Stärke ist es . Ganz einfach aus der simplen Rechnung, da wo die Wirtschaft brummt, wo der Wohlstand sitzt, gibt es auch eine Chance selbst daran zu partizipieren, durch Arbeit (wohlgemerkt). Die Migranten kommen um Wohlstand zu erlangen, durch Arbeit. Und Sicherheit vor instabilen gesellschaftlichen Verhältnissen oder gleich Krieg.



      Völlig legitime Gründe, genauso wie es legitim ist zu sagen, wir können nur eine definierte Anzahl aufnehmen.



      Völlig absurd ist die Vorstellung, die Welt will zu uns, weil es sich hier so herrlich faulenzen lässt... Das was in Afrika bekannt ist, ist hören-sagen D ist reich, da kann man Geld verdienen und natürlich auch es ist ein Staat der für die Menschen da ist. Ganz im Gegensatz zu den Staaten, aus denen die meisten kommen, wo man sich vor dem Staat schützen muß.



      Die meisten wollen arbeiten, nur dürfen sie nicht.



      Das etliche nach Jahren des Hingehaltenwerdens, des Versauerns in Containerunterkünften, das Leben mit Warten zu verbringen dann den Elan verlieren, verwundert überhaupt nicht. Und genau diese Beispiele dienen dann wieder als Beweis für die Faulenzer....

      • @nutzer:

        Menschen die Unzufriedenheit mit der wirtschaftlichen Situation ihres Landes fliehen haben ohnehin kein Bleiberecht. Das ist auch die aktiv am Asylrecht. Es hat natürlich seine Berechtigung, aber es führt dazu das viele Flüchtlinge hier landen und das System mit ihren Anträgen belastet und der Schwierigkeit der Rückführung. Deshalb müssen wir weg vom individuellen Asylrecht zum national. Wo alle Bürger eines Landes Asylrecht bei uns bekommen.

      • @nutzer:

        Nach der Logik müssten dann Länder mit höherem Durchschnittseinkommen und stärkerer Wirtschaft mehr Geflüchtete haben als wir. Deutschland liegt beim pro Kopf Einkommen inzwischen aber nicht mal mehr in den Top 10 Europas. Warum sind die Zahlen in Dänemark, Norwegen, Schweiz und Co denn dann deutlich niedriger?

        • @Šarru-kīnu:

          Migranten wählen aber nicht nach Wirtschaftsstatistiken, sondern nach Image und da hat D eben einen Ruf eien starke Wirtschaft zu sein, genauso wie F und UK.



          Und DK, N, und viele andere eben nicht.