Entscheidung über einen Ukraine-Beitritt: Nicht geschenkt. Verdient!
Der Beginn der Verhandlungen über den EU-Beitritt der Ukraine ist ein Erfolg. Doch die Ukrainer denken an den Preis, den sie dafür bezahlt haben.
![Junge Menschen demonstieren mit EU-Flaggen und Ukraine-Flaggen auf einem großen Platz. Junge Menschen demonstieren mit EU-Flaggen und Ukraine-Flaggen auf einem großen Platz.](https://taz.de/picture/6715398/14/34265209-1.jpeg)
V or genau zehn Jahren haben sich die Ukrainer endgültig für die EU entschieden. Damals nahmen Hunderttausende an der Euromaidan-Revolution teil. Heute wird die europäische Zukunft der Ukraine an einer 1.500 Kilometer langen Frontlinie verteidigt.
Wenn also gesagt wird, der ganze Prozess sei für die Ukrainer zu schnell gegangen, dann stimmt das nicht. So viele tragische Ereignisse liegen hinter ihr, und der höchste Preis wurde bezahlt – Tausende von Menschenleben. „Es war nicht alles umsonst“, twitterte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba nach der Bekanntgabe der Entscheidung des Europäischen Rates. Diese wird von den Ukrainern mit verhaltener Freude begrüßt: Sie denken an diejenigen, die diesem Tag so nahe waren, ihn aber nicht mehr erleben konnten.
Trotz der russischen Raketen am ukrainischen Himmel glauben die Ukrainer, dass dies eine historische Chance ist: Nicht nur für Entwicklung, sondern auch für das Überleben als Land und politische Nation. 78 Prozent der Ukrainer unterstützen den EU-Beitritt. Aber nur wenige machen sich Illusionen darüber, wie viel Arbeit noch vor ihnen liegt, um Mitglied der EU zu werden. Und 74 Prozent der Ukrainer sind laut einer neuen Meinungsumfrage davon überzeugt, dass die Ukraine keines ihrer Gebiete aufgeben sollte, auch wenn der Krieg noch lange andauern sollte.
„Es wird Frieden geben, wenn wir unsere Ziele erreichen. Ich erinnere daran, dass dies die Entnazifizierung, die Entmilitarisierung und der neutrale Status der Ukraine sind“, sagte Putin, als in Brüssel die historische Entscheidung für die Ukraine getroffen wurde.
Für Putin inakzeptabel
Putins Erklärung zeigt einmal mehr, dass der Kreml auch bei territorialen Zugeständnissen der Ukraine und einem Einfrieren der aktuellen Frontlinie nicht bei den bereits besetzten Gebieten haltmachen will. Er betrachtet die Ukraine nicht als unabhängigen Staat; dass das Land den europäischen Weg gewählt hat, ist für ihn inakzeptabel.
Deshalb muss die Ukraine heute so einen hohen Preis für ihre europäische Zukunft zahlen. Und deshalb ist der Beginn der EU-Beitrittsverhandlungen für die Ukraine kein Geschenk. Die Ukrainer haben lange und hart für die europäischen Werte gekämpft, ihre Zugehörigkeit zur europäischen Familie bereits mehrfach unter Beweis gestellt.
Auch für die EU selbst wird der Beitritt der Ukraine ein großer Erfolg sein. Vor dem Hintergrund populistischer, radikaler und extremistischer Stimmungen, die in Europa rapide zunehmen, werden die Ukrainer der EU einen zweiten Atem verschaffen und daran erinnern, was den Kern dieser Union ausmacht – Menschenwürde, Freiheit und Gerechtigkeit.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
RTL Quadrell
Klimakrise? War da was?
Verlierer der Wahlrechtsreform
Siegerin muss draußen bleiben
Absturz der Kryptowährung $LIBRA
Argentiniens Präsident Milei lässt Kryptowährung crashen
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören