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Entkriminalisierung des ContainernsJede Tonne zählt

Kommentar von Svenja Bergt

Die Länder scheitern daran, die Rettung von Lebensmitteln zu entkriminalisieren. Dabei gibt es viel Sympathie dafür, Strafbarkeit abzuschaffen.

Verschwendete Lebensmittel bedeuten unnötiges Klimagas Foto: Marijan Murat/dpa

W ie war das noch mal mit dem Containern, also dem Einsammeln von weggeworfenen Lebensmitteln aus Supermarktmülltonnen? Eigentlich gibt es politisch und gesellschaftlich viel Sympathie dafür, die Strafbarkeit abzuschaffen. Trotzdem scheiterte eine Einigung der Bundesländer auf die kleine Lösung: keine Abschaffung der Strafbarkeit, sondern die regelmäßige Einstellung der Verfahren. Das zeigt ein grundsätzliches Problem: Die Debatten um Fragen, die mit Klimaschutz und Ressourcenschonung zu tun haben, verlieren sich viel zu oft im Klein-Klein.

Zugegeben: Auch wenn auf einmal sämtliche noch essbaren Lebensmittel aus Supermarktcontainern gefischt würden, wäre das Problem Ressourcenverschwendung bei Lebensmitteln noch nicht gelöst. Ebenso wenig würde allein ein Tempolimit das Emissionsproblem im Verkehr lösen.

Aber mal ehrlich: Wir befinden uns als hochindustrialisiertes Land einfach nicht in einer Position, in der wir sagen könnten: Ach, das bringt uns nicht genug Ressourcen- oder Emissionseinsparungen, das lassen wir jetzt einfach so. Wir sollten vielmehr schauen, dass wir als Gesellschaft bei jeder Tonne Klimagas genau überlegen, ob deren Verursachung nicht verhindert werden kann. Und an manchen Stellen wäre das Einsparen eben besonders einfach zu haben – siehe Tempolimit, siehe Containern.

Doch wenn jemand lieber gleich die ganz große Lösung in Sachen Lebensmittelverschwendung will – bitte: Eine kürzlich im Fachmagazin Nature Food erschienene Studie zeigt, dass 73 Prozent der weltweiten Emissionen durch Lebensmittelabfälle auf Fleisch entfallen. Folglich sind die Industrieländer mit ihrem besonders hohen Fleischkonsum auch hier Hauptverursacher. Politische Strategien – beispielsweise eine Mehrwertsteuerreform, die Tierisches teurer und Pflanzliches billiger macht – liegen schon lange auf dem Tisch.

Das Containern, das gerade angesichts der Preissteigerungen noch mal eine neue Bedeutung bekommt, ließe sich auf Bundesebene trotzdem legalisieren.

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Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.
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9 Kommentare

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  • "Wir sollten vielmehr schauen, dass wir als Gesellschaft bei jeder Tonne Klimagas genau überlegen, ob deren Verursachung nicht verhindert werden kann. Und an manchen Stellen wäre das Einsparen eben besonders einfach zu haben"

    Müßte man dann nicht logischerweise auch dafür sein, die Atomkraftwerke weiter laufen zu lassen? Auch das würde das Klima entlasten.

    • @yohak yohak:

      Strom aus Atomkraft als "besonders einfach zu haben" zu bezeichnen, spricht nicht gerade von Sachverstand.

    • @yohak yohak:

      Es gibt keinen logisch zwingenden Zusammenhang zwischen der Einsicht in die Notwendigkeit von Klimaschutz und dem Befürworten einer Laufzeitverlängerung, ihn zu unterstellen ist entweder auf mangelnde Analysefähigkeit zurückzuführen oder aber auf Intention aus rabulistischem Kalkül.

  • Ich würde gern einwenden, dass die Sache komplex ist. In der Hinsicht (und nur in der) widerspreche ich dem Artikel. Weil die Grenze, was denn genau OK ist und unter welchen Umständen, sehr schwer zu ziehen ist. Zu einem sehr nahen Thema gab es vor längerem folgenden Artikel (etwas Geduld braucht es):



    www.spiegel.de/pan...-b450-fb1eb32d73dd

    Was mich daran beeindruckt (und mir einen neuen Aspekt eröffnet) hat, ist der Blick von Seiten des Rechts (Im Gegensatz zu Moral und Gerechtigkeit): wie wollen wir es denn konkret machen? Eine neue Regel (um die es hier geht), sollte gut sein, keine neuen Probleme eröffnen (und ebensowenig zum Ausnahme- und Bürokratiemonster werden). Man muss das abklopfen, auf die Auswirkungen.

    Das ist klein-klein, vielleicht. Aber das sollte man nicht so abwertend darstellen. Unser Rechstssystem hat allgemeine Regeln, die eben nicht nur für Supermarkt-Eigentum gelten, sondern unter anderem auch für Eigentum von uns kleinen Einzelpersonen. Und für alles dazwischen. Was könnte mir passieren, wenn jetzt - was genau ist unklar - straflos wird, das ist eine wichtige Frage.



    Unser Rechstssystem ist über lange Jahre gewachsen und es ist überraschend, wie präzise es ist und wie viel bedacht wurde, das kriegt man nur normal nicht mit.



    Natürlich hat es Probleme. Natürlich muss man es mal ändern, weil sich die Welt ändert. Aber es ist wirklich gut, dass jemand überlegt, wie es sich auswirkt, wenn man das tut.

    Ich bin also der Meinung des Artikels, dahingehend, dass die weggeworfenen Lebensmittel unsäglich sind. Unbedingt. Aber zu sagen, die Lösung zum Containern wäre so einfach wie ein Tempolimit - das ist vielleicht einfach nicht wahr.

    • @dasoe:

      Man muss einfach nur verbieten genießbare Lebensmittel wegzuwerfen. Sehr simpel, funktioniert sofort ohne Probleme, siehe Frankreich etc. Es ist vollkommen krank das nicht zu verbieten sondern das Essen der genießbaren Nahrung die keiner mehr verkaufen will zu verbieten, das ist irre. Hier darf ein hungriges Kind auch nicht aus dem Mülleimer essen, oder?! Das muss gesetzeskonform weiter hungern? Oder darf man erst ab 14 seinen Hunger nicht mehr im Mülleimer stillen? Wie eskaliert muss man eigentlich sein um da noch Nuancen rein zu interpretieren?! Die Tafeln schicken Leute weg die Hunger haben, aber man darf nicht aus dem Mülleimer essen. Es ist halt komplex, ne.

      • @Eva Kern:

        Wie viele hungrige Kinder containern denn? Das Problem muss aus meiner Sicht an der Wurzel angegangen werden: nämlich, dass es Ernährungsarmut aus finanziellen Gründen gibt. Ich denke, dass eine Scheindebatte übers Legalisieren des Containerns (Wie viele Fälle gibt es eigentlich, wo dagegen rechtlich vorgegangen wird?) hier von den tatsächlich zu führenden Debatten ablenkt.

  • "..., ließe sich auf Bundesebene trotzdem legalisieren."

    Der Bund kann das Strafgesetzbuch bzw. einzelne Regelungen gerade nicht selbst ändern. Wenn der Bundestag eine Änderung beschließen würde, dann müsste diese ebenfalls noch durch den Bundesrat. Ein wenig mehr Kenntis in Sachen Föderalismus und Gesetzgebungsverfahren wären nice.

  • "Zugegeben: Auch wenn auf einmal sämtliche noch essbaren Lebensmittel aus Supermarktcontainern gefischt würden, wäre das Problem Ressourcenverschwendung bei Lebensmitteln noch nicht gelöst."

    Im Handel entstehen 7 Prozent (0,8 Mio. Tonnen) der Lebensmittelabfälle.



    Bei der Außer-Haus-Verpflegung fallen 17 Prozent (1,9 Mio. Tonnen) der Abfälle an.



    Der Großteil der Lebensmittelabfälle entsteht mit 59 Prozent (6,5 Mio. Tonnen) in privaten Haushalten. ( www.bmel.de/DE/the...e-deutschland.html )

    Von diesen 7 % wird vielleicht 1% durch Container "gerettet". Das sind von der Gesamtmenge irgenwas bei nullkommanix %

    Containern ist nur gut fürs moralische Selbstwertgefühl.

    • @Rudolf Fissner:

      Wenn es verboten ist machen es auch nur wenige.