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England gewinnt Fußball-EMDie mit dem glücklicheren Ende

England und Deutschland liefern sich ein spektakuläres Kräftemessen im Wembleystadion. In der Verlängerung stochert Kelly den Ball zum 2:1 ins Netz.

Goal! Chloe Kelly (Mitte) jubelt nach ihrem Treffer zum 2:1

WEMBLEY taz | Ein Elfmeterschießen zwischen England und Deutschland im Wembleystadion wäre gewiss eine besondere Pointe zum Abschluss dieser Europameisterschaft gewesen. Aber die Gastgeberinnen und die 87.192 völlig entrückten Zu­schaue­r:in­nen waren dann doch heilfroh, dass der Gewinn des Titels schon in der 111. Minute von Chloe Kelly sichergestellt wurde. Die eingewechselte Stürmerin stocherte den Ball nach einer Ecke über die Linie zum 2:1 nach Verlängerung. Es war ein spektakuläres Kräftemessen an diesem Sonntagabend in London gewesen – mit dem glücklicheren Ende für England.

Den ersten bitteren Rückschlag gab es für das deutsche Team bereits kurz vor dem Anpfiff zu verkraften. Alexandra Popp musste wegen muskulärer Probleme auf ihren vermeintlichen Karrierehöhepunkt verzichten und ging nach dem Aufwärmen mit entsprechend gefrusteter Miene in die Kabine. Aus dem vorab so ausgiebig thematisierten Torjägerduell zwischen Beth Mead und Popp wurde nichts. Lea Schüller ersetzte die Wolfsburgerin, die für fast die Hälfte aller EM-Tore verantwortlich war.

Dass damit auch ein Stück Selbstbewusstsein verloren ging, diesen Eindruck konnte man in den ersten Minuten gewinnen, als die Gastgeberinnen mächtig Druck erzeugten. Es dauerte aber nicht allzu lange, da ackerte sich die DFB-Elf in die Partie hinein. Es entwickelte sich ein Kampfspiel, wie man es bei dieser EM noch nicht gesehen hat.

Die Deutschen drückten vor allem der Partie ihre physische Note auf. Aber die Engländerinnen wehrten sich nach Kräften. Beide Teams agierten am Rande des Erlaubten. Die ukrainische Schiedsrichterin Kateryna Monzul musste die Partie immer wieder unterbrechen, richtiger Spielfluss konnte so nicht entstehen. Wirklich schön anzusehen war das nicht. Immer wieder wälzten sich Spielerinnen am Boden.

Ein englisches Bein dazwischen

Die größte Chance der Gastgeberinnen entsprang aber dennoch einer Kombination, bei der Beth Mead im Rückraum Ellen White bediente, die den Ball in der 38. Minute äußerst knapp über die Latte setzte. Aber auch die Deutschen hätten davor schon in Führung gehen können. Nach einer Ecke kam Marina Hegering im Getümmel zum Abschluss, aber es war dann doch irgendwo noch ein englisches Bein, das den Rückstand verhinderte.

Offensiv setzten die Deutschen wegen fehlender Präzision zu wenig Akzente. Ein Grund vielleicht, weshalb die Bundestrainerin nach der Pause Tabea Waßmuth für Jule Brand ins Spiel brachte. Neue Vorsätze hatte man offenbar ebenfalls gefasst. Schwungvoller startete das Team in die zweite Hälfte. Nach einem eher harmlosen Abschluss von Waßmuth zielte Lina Magull aus gefährlicherer Position knapp daneben.

Die deutsche Torhüterin überlupft

Rustikal ging es vorerst weiter zu, doch in der 62. Minute entschädigte das englische Team die trotz alledem enthusiastisch mitgehenden Zu­schaue­r:in­nen im Wembleystadion für ihre Geduld. Keira Walsh spielte einen öffnenden Zauberpass auf die eingewechselte Ella Toone, die elegant die deutsche Torhüterin überlupfte. Schon in der ersten Hälfte hatte Walsh einen so grandiosen Ball in die Tiefe gespielt. Ihr Wert für das Team wird bei all den Elogen für Beth Mead, Georgia Stanway oder Alessia Russo häufig übersehen.

Im Anschluss ging es hin und her. Lina Magull traf erst den Pfosten und wenig später nach einer ebenso wunderbaren deutschen Kombination über Sydney Lohmann und Waßmuth zum Ausgleich. Am Beispiel der Ballverteilerin Magull, die in der ersten Hälfte völlig unterging, sah man einmal mehr, dass die Zeit für schöneren Fußball gekommen war.

Ein perfektes Drehbuch für die EM

In der Verlängerung fehlte es verständlicherweise etwas an Kraft und Risikofreude. Es deutete vieles auf ein Elfmeterschießen hin. Bis dann eben eine Standardsituation diese enge Partie entschied. Bereits in den letzten Spielminuten feierte die Menge den ersten englischen großen Fußballtitel seit 1966. Ein perfekteres Drehbuch hätte diese Europameisterschaft für die Gastgeberinnen nicht schreiben können.

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31 Kommentare

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    Die Moderation

  • Klare Sache Deutschland ist Europameisterin der Herzen-

  • 0G
    04405 (Profil gelöscht)

    Das Finale war leider keine Werbung für den Frauenfußball. Eine überforderte Schiedsrichterin, überharte ungeahndete Fouls und Ellbogenchecks, Zeitspiel und Schauspieleinlagen.

    Gibt es auch bei Männerturnieren, auch in der Form, und ist dann genauso häßlich.

    Dass die deutsche Mannschaft die letzten fünf Minuten trotz mehrmaligem Ballbesituz nicht mehr aus der eigenen Hälfte kam, ist auch so eine Sache.

    • @04405 (Profil gelöscht):

      Ganz ihrer Meinung. Man kann um den Sieg kämpfen, hart zur Sache gehen und trotzdem fair bleiben.

    • @04405 (Profil gelöscht):

      Fußball ist Fußball, egal ob da Frauen oder Männer Platz stehen. In einem EM-Finale werden keine Punkte für Haltungsnoten vergeben und Frauenfußball muss auch keine Werbung für Fairness machen.



      Es ist ja eher so, daß die Spiele dieser EM angenehmerweise nicht so brutal und unfair abliefen wie im Männerfußball. Daraus die Erwartungshaltung zu entwickeln das Frauenfußball nun generell fair und nett ablaufen müsste, das finde ich ein bisschen seltsam

      • 0G
        04405 (Profil gelöscht)
        @Alfonso Albertus:

        ihre Schlussfolgerungen kann ich nicht nachvollziehen. Ich habe keineswegs unterstellt oder gefordert, dass der Frauenfußball besonders fair oder nett ablaufen soll.

        Was ich tatsächlich fordern würde: Eine Professionalisierung des Frauenfußballs auf allen Ebenen. Professionelle Schiedsrichter und Fußballerinnen, keine Halb-Profis oder Amateure auf höchster Ebene. Im Moment müssen selbst Spielerinnen der EM-Halbfinalisten teilweise nebenbei einem zweiten Beruf nachgehen.

        Dasselbe haben unlängst Spielerinnen der Nationalmannschaft gefordert. Wer gestern richtig hingesehen hat, weiß warum. Dafür ist Geld notwendig.

        Die von mir angesprochenen häßlichen Szenen entwickeln sich dann, wenn die Schiedsrichterin eine überforderte Amateur-Schiedsrichterin ist, die das nicht unterbinden kann. So wie gestern. Kommt übrigens immer wieder auch bei Männer-WMs vor, wenn aus Grunden des Proporzes Amateurschiedsrichter pfeifen müssen. Schauen Sie sich z.B. mal das Spiel Argentinien-Iran bei der WM 2014 an. Das lief ähnlich "fair" ab, inklusive ausgebliebener roten Karte nach Notbremse.

  • Fußball ist weiblich!!!

    Und die Randale und die Bengalos fehlen auch nur bedingt ;-).

  • Kein Satz zum nicht gegebenen Handelfmeter? Mir hat das Spiel nicht gefallen und das nicht, weil die Deutschen verloren haben, sondern weil die Foulerei überhandnahm und die Schiris teilweise den Überblick verloren.

  • Ich habe ein begeisterndes Turnier gesehen. Tolle Spiele, großartige Leistungen, wirklich fantastischer Sport. In diesem Turnier haben die Engländerinnnen gewonnen und die Deutschen sind Zweite geworden. Herzlichen Glückwnusch beiden Mannschaften.

    Besonderen Respekt nötigt mir das gezeigte Engagement und der Einsatzwille ab, welche wirklich herausragend waren.

    Deutschland hat (mindestens) eine großartige Fußball-Nationalmannschaft und diese hat noch eine Rechnung mit Wembley offen. So entstehen die Geschichten, die den Fußball noch Jahrzehnte interessant bleiben lassen.

    Das Finale gestern war nicht das attraktivste Spiel der EM, aber eines, das zeigt, was innerhalb des Regelsystems Fußballs möglich ist. Gibt es da Handlungsbedarf? Vielleicht. Das sollten die Entscheider bitte gründlich prüfen.

    Das ist aber nicht das entscheidende. Viel wichtiger ist, dass wir Profi-Sport auf Weltniveau erlebt haben. Nicht "fast gut", nicht "respektabel", nicht "bemerkenswert", sondern schlicht und einfach professionell. Jede Beteiligte auf dem Feld war jederzeit bereit, das eigene Kreuzband zu opfern, wenn es den Titel einbringt. Und das ist die Einsatzbereitschaft, die Profifußball heute erfordert (ob man das mag oder nicht). Professionalität kommt dann auch mit Zeitspiel-Hampeleien, Schwalben, sogenannter Theatralik, VAR-Versagen und all dem anderen Drama, das wir schon kennen.

    Wir brauchen mehr solcher ausverkauften Arenen, wir brauchen mehr solcher Fußball-Feste und wir brauchen mehr Profis, die mit diesem absoluten Willen ihren Einsatz bringen und ihre athletischen Top-Leistungen abrufen.



    Vielen, vielen Dank an alle Spielerinnen, herzlichen Glückwunsch an die Engländerinnen, aber auch Glückwünsche an die Vize-Europameisterinnen. Ihr alle habt Großartiges geleistet!!

  • Ein Klassespiel mit einer durchaus verdienten, glücklichen Siegerin!



    Die Atmosphäre in Wembley war phantastisch. Der einzige Wermutstropfen; ARD -Kommentator Bernd Schmelzer war sichtlich überfordert mit seiner Einschätzung von Spielsituationen.

  • Holla, Sprachpolizei hier:



    "Nach einem eher harmlosen Abschluss von Wasmuth, zielte Lina Magull aus gefährlicherer Position knapp daneben."



    Spielerinnen, die daneben zielen, sollte man sofort vom Feld holen.



    Tatsächlich hat sie wohl auf's Tor gezielt, nur halt nicht getroffen...

  • Die letzten zehn Minuten Reise nach Jerusalem mit Ball an der deutschen Eckfahne waren schon ein Trauerspiel für die deutsche Frauenmannschaft. Ob England jetzt die bessere Mannschaft war...

  • Mein Gott, es wird langweilig, wenn Deutschland immer gewinnt, andere Länder müssen auch ab und an gewinnen können.

  • 6G
    655170 (Profil gelöscht)

    War eine Mannschaft von beiden fußballerisch besser, als die andere?



    Nein.



    Hat England trotzdem fußballerisch verdient gewonnen?



    Ja. Fußballerisch entscheiden anchemal und entschieden gestern Kleinigkeiten.



    Hat England gestern sportlich verdient gewonnen?



    Nein.



    Die Englnderinnen, zumindest enige, haben sich die ekelhaften Unarten der männlichen Kollegen zu eigen gemacht, die da sind:



    Ellbogenschlagen, auf den Fuß treten, Theatralik, Publikum beeinflussen, Gegnerinnen provozieren, Fouls vortäuschen, die keine sind etc.



    Un das Schiedsrichterinnen-Team gestern?



    Anfangs gut, ab Mitte der ersten Halbzeit (teils hoffnungslos) überfordert.



    War sichtlich beeinflusst von der "Kulisse" und der theatralischen Auftreten eniger Engländerinnen - z.B. der Torfrau. Ließ sich zu einigen Fehlentscheidungen hinreißen.



    Ließ die spätere Siegtoschützin gewähren, als die bei jedem Einwurf und jedem Eckball das Publikum auf unsportliche Weise auuschte (eine Unart, die bei den Männern inzwischen ungeahndet grassiert). Ließ die ständig foulenden Mittelfeldspielerinnen gewähren und sich von der äußerst agressiven Nr. 8 erklären, wie sie zu entscheiden hätten. Ließ die Theatralik ungeahndet zu und fiel häufig darauf herein.



    Und insgesamt?



    Ich würde den Engländerinnen gratulieren.



    Und sie nach diesem teils abstoßenden Aufgtritt neben den Pflichtspielen in den nächsten (mindestens fünf) Jahren meiden.



    Und die internationalen Fußballverbände sollten sich darum kümmern, dass der Frauenfußball nicht auf diese Weise verhunzt wird.



    Wie es der Männerfußball bereits ist.

    • @655170 (Profil gelöscht):

      Gut beschrieben.



      Natürlich dle beiden besten Mannschaften Europas.



      Aber ein Elfmeter wurde DE geraubt. Da bleibt der üble Nachgeschmack. Auch das unsportliche Gezicke und Zeitschänden der Engländerinnen.



      Die Schiedsrichterin war klar überfordert.

    • @655170 (Profil gelöscht):

      Frauen sind eben keine besseren Sportler als Männer, sind ja auch keine besseren Menschen. So gesehen haben uns die Engländerinnen gut unterhalten … das „Theater“ gehört nämlich mit dazu.

    • @655170 (Profil gelöscht):

      Ein wirklich gutes Resümee!

    • @655170 (Profil gelöscht):

      "Die Englnderinnen, zumindest enige, haben sich die ekelhaften Unarten der männlichen Kollegen zu eigen gemacht"



      Ebenfalls das Ausziehen von Trikot wurde von Männern kopiert.

      • @Anna Deiport:

        Da gibt es ekelhafteres..

        • 6G
          655170 (Profil gelöscht)
          @WeisNich:

          Sorry.



          Habe Ihre Anwort auf "Anna Deiport" falsch verstanden.



          Dachte, es sei die Antwort auf meinen Post und "die ... Unarten der männlichen Kollegen".

        • 6G
          655170 (Profil gelöscht)
          @WeisNich:

          Stimmt. Aber sportlich nicht viel.

  • Ein Spiel gegen die Schiedsrichterin im Hexenkessel mit 80 000 Fans des Gegenübers, das ist mit Pech -Popp ausgefallen - übermenschlich. Die Zahl der Fehlentscheidungen, trotz elektronischer Hilfe, drückt diesem Turnier einen negativen Stempel auf, neben allen highlights, die es zweifellos gegeben hat. Kann mich nicht erinnern, dass mal gegen die Engländerinnen entschieden wurde, unberechtigt für sie wohl mehr als einmal. Schwache Schiedsrichterinnen also.

  • … und halt der nicht gegebene Handelfmeter. Trotz VAR-Prüfung 🤷‍♂️

  • So geht Fußball. Gewonnen haben die mit den meisten Toren und nicht die mit den vertanen Chancen oder nicht erhaltenen 11Metern. Danke & Glückwunsch!

  • Die Engländerinnen waren besser. Herzlichen Glückwunsch!

    • @WeisNich:

      Sie haben ein Tor mehr geschossen.



      Und D wurde ein berechtigter Elfmeter verwehrt.

      • @Senza Parole:

        War eindeutig Schulter. Die deutschen die von Hand reden, sind schlechte Verlierer:innen.

      • @Senza Parole:

        So sieht's aus.Deutschland wurde nach 1966 das zweite mal im Wembley Stadion betrogen.Das Handspiel war eindeutig und das wurde auch in der Auswertung gesehen.So Blind kann keiner sein das nicht gesehen zu haben.Gab es 1966 noch Debatten die Teilweise bis heute anhalten,so wird heute versucht da bloss keine Diskussion drüber aufkommen zu lassen. Eine ehemalige Nationalspielerin meinte vorhin im Frühstücksfernsehen so eintscheidend sei das ja nicht gewesen. Ach was. Beide Mannschaften haben aber alles gegeben.