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Energiesparpläne des StaatesMit gutem Beispiel vorangehen

Nach zahlreichen Appellen an die Bevölkerung erlegt sich nun auch die Politik Sparpläne auf. Das Problem der steigenden Preise löst das nicht.

Wie lange duschen Sie? Laut Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) reichen auch 5 Minuten Foto: Oliver Berg/dpa

Berlin taz | Kürzer duschen gegen Putin. Mit diesem Appell hat der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck die Bevölkerung bereits vor Wochen auf drohende Engpässe bei der Gasversorgung vorbereitet. Am Sonntag konkretisierte Habeck nun im „Deutschlandfunk“, er halte fünf Minuten für eine ausreichende Duschzeit.

Doch nicht nur Privathaushalte sind angehalten, Gas und Strom zu sparen. Auch in öffentlichen Gebäuden soll weniger Energie verbraucht werden – zum Beispiel im Bundestag. Eine entsprechende Regelung hat der Ältestenrat am Donnerstag beschlossen.

Demnach sollen Büroräume unter anderem für Abgeordnete und deren Mit­ar­bei­te­r:in­nen künftig weniger stark runtergekühlt und im Winter auf nur mehr 20 Grad (statt bisher 22) erwärmt werden. Eine am Sonntag veröffentlichte Umfrage der Deutschen Presseagentur zeigt, dass ähnliche und weitere Maßnahmen auch in den Ländern geplant sind.

Der Berliner Senat etwa hat dazu eine ressortübergreifende Taskforce eingerichtet. „Das Ziel ist, durch alle Senatsverwaltungen spätestens bis August weitere Sparpotenziale von mindestens zehn Prozent zu identifizieren“, sagte Wirtschaftssenator Stephan Schwarz (parteilos). Die öffentliche Hand müsse genauso am Energieregler drehen wie Privathaushalte und Unternehmen, forderte Schwarz. Die Funktionsfähigkeit der Behörden und der Arbeitsschutz müssten natürlich gewahrt bleiben. „Aber sonst sehe ich keine Tabus.“

Kommt das Homeoffice zurück?

Zur Hilfe könnte den Ländern dabei eine Coronamaßnahme kommen. So prüfen laut dpa die Landesregierungen von Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein derzeit die Möglichkeit, zum Energiesparen Mit­ar­bei­te­r:in­nen ins Homeoffice zu schicken. In mehreren Bundesländern planen Ministerien und Landtage zudem, Klimaanlagen runterzudrehen oder Warmwasser zu reduzieren.

Laut Städtetagspräsident Markus Lewe bemühten sich auch die Städte um einen Beitrag beim Energiesparen. Als mögliche Maßnahmen nannte Lewe die Reduzierung der nächtlichen Straßenbeleuchtung und weniger warmes Wasser in öffentlichen Gebäuden. Vor wenigen Tagen hatte die Entscheidung der Stadt Nürnberg für Aufsehen gesorgt, drei ihrer vier Hallenbäder dichtzumachen.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte in seiner wöchentlichen Videobotschaft am Samstag, die Sicherheit der Energieversorgung würden das Land „noch die nächsten Wochen, Monate und auch Jahre“ beschäftigen. Sollte die Bundesregierung die dritte und letzte Stufe im Notfallplan Gas ausrufen, entscheidet die Bundesnetzagentur, wer wie viel Gas bekommt. Private Haushalte haben aber Vorrang.

Heizen wird noch teurer

Die aktuelle Entwicklung sieht Bundesnetzagentur-Chef Klaus Müller dennoch kritisch: „Auch wenn wir in keine Gasnotlage kommen, bleibt das Gas teuer“, sagte Müller gegenüber Focus. Dabei seien die Folgen der aktuellen Gasknappheit preislich bei den Verbrauchern noch gar nicht angekommen. „Das kann für eine Familie schnell eine Mehrbelastung von 2.000 bis 3.000 Euro im Jahr bedeuten.“

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, warnte vor einer „sozialen Zerreißprobe“. Bewegungen wie die Gelbwesten in Frankreich seien auch in Deutschland möglich, sagte Fratzscher dem „Handelsblatt“. „Die gegenwärtige Krise könnte der letzte Tropfen sein, der das Fass der zunehmenden sozialen Spaltung zum Überlaufen bringt.“ Der DIW-Chef forderte höhere Löhne und eine dauerhafte Anhebung der Sozialleistungen. Die Politik sollte nicht versuchen, „mit Placebos wie Einmalzahlungen Menschen ruhig zu stellen“.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sprach im Interview mit dem Deutschlandfunk ebenfalls von einer drohenden „Zerreißprobe“. Sollte das „Albtraum-Szenario“ einer Gas-Unterversorgung Realität werden, rechne er mit heftigen Debatten, sagte Habeck. „Das wird Deutschland vor eine Zerreißprobe stellen, die wir lange so nicht hatten“, fügte er hinzu. „Das wird die gesellschaftliche Solidarität bis an die Grenze und wahrscheinlich darüber hinaus strapazieren.“

Linke-Parteichef Martin Schirdewan forderte im Gespräch mit der Funke Mediengruppe eine gezielte Unterstützung einkommensschwacher Haushalte mit einem „sozialen Klimabonus“ von 125 Euro pro Monat plus 50 Euro für jedes weitere Haushaltsmitglied. Außerdem sprach er sich für eine Deckelung der Energiepreise aus, „damit die Leute im nächsten Winter noch heizen und Fernsehen gucken können“. Finanziert werden solle dies durch eine Übergewinnsteuer.

Bundesverbraucherschutzministerin Steffi Lemke (Grüne) hat im Falle eines weiteren Anstiegs der Energiepreise ein Moratorium für Strom- und Gassperren in Aussicht gestellt. Niemandem dürfe „in solch einer Krisensituation der Strom oder das Gas abgestellt werden, weil er mit der Rechnung in Verzug ist“, sagte Lemke in der „Bild am Sonntag“. Im Krisenfall müsse auch über ein weiteres Hilfspaket entschieden werden.

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20 Kommentare

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  • 9G
    93851 (Profil gelöscht)

    "Habeck ...halte fünf Minuten für eine ausreichende Duschzeit."

    Hat der Herr auch an lange Haare oder ältere/alte weniger bewegliche Bürger:innen gedacht?



    Nein!

    • @93851 (Profil gelöscht):

      Wozu gibts es denn das Volksbad? Samstags in die Wanne 30 Min. Und fertig. Zuhause wird eben kalt geduscht und ordentlich abgewaschen auch untenrum. Wo ist das Problem? Ah, Seife ist zu teuer. Seifen kann man selber machen oder nimmt die Wurzelbürste.

    • @93851 (Profil gelöscht):

      Was machen Sie denn so unter der Dusche?



      Haare und Haut benetzten dauert max. 30 Sec. Dann wird das Wasser abgestellt und eingeseift.



      Zum Abspülen von Seife und Shampoo vielleicht noch mal 1,5 Min und Sie sind sauber.



      Bei weniger beweglichen Menschen vielleicht die doppelte Zeit, dann sind Sie bei 4 Min.



      Eben kein minutenlanges genüssliches berieseln mit Wasser mehr oder laufen lassen beim Einseifen. Evtl. mal den Durchlauferhitzer entkalken, wenn es lange dauert, die gewünschte Temperatur zu erreichen.



      Schlimm?

      • @Life is Life:

        Ich dusche schon seit Jahren inkl. Haarewaschen und Auspülen zw. 120 und 150 Sek. Wer nicht behindert ist, 130kg wiegt oder Haare bis in die Kniekehlen hat, kann das auch schaffen.

      • @Life is Life:

        Da die Heizung ja abgestellt ist muss das warme Wasser weiter laufen :-)

      • @Life is Life:

        Das Sonnenhaus duscht mehr als 5 min, denn die kostenfreie Wärme muss weg bevor die Speicher im Sommer platzen.



        Auch im Winter ist genug für alle da - auch ohne Schurkenbrennstoff und nur von der Sonne.



        Geht bei jedem Haus - Vielleicht etwas teurer als vom Heizi (und Provisionen von uniper) von Nebenan, aber dafür kriegssicher und ohne Schurkenzahlungen.

      • @Life is Life:

        Wasser erwärmen mit Wärmetauschern auf dem Dach, auch in Mietshäusern.



        Und von März bis Oktober kaum zusätzliche Energie zum Erwärmen nötig. Dann gehen auch mehr als fünf Minuten.

    • @93851 (Profil gelöscht):

      Ja, lange Haare! Man findet sie immer in der Suppe.

      • @Jutta57:

        Mein kommentar der woch, danke dafür :D

  • "Toll", wenn die Landesregierungen Mitarbeiter zum Energiesparen ins Homeoffice schicken!



    Dann bleiben die teuren Heizkosten letztendlich an den Mitarbeitern hängen, die ihre heimischen vier Wände zusätzlich zum arbeiten beheizen müssen.



    Die diätengeschwängerten Abgeordneten klatschen dafür sicherlich von ihrem Balkon aus brav Applaus.

    • @Sven Unrau:

      Wenn es die erhöhten Heizkosten in der Gesamtbetrachtung denn gäbe.



      Für homeoffice gewähren die fairen Arbeitgeber einen Zuschuss, der die Mehrkosten abdeckt. Gleichfalls spart der Arbeitgeber, bei zusätzlichem Umbau der Arbeitsplätze zusätzlich an Mietkosten, weil weniger Mietfläche notwendig wird. Das eingesparte sollte aber nicht an die Aktionäre ausbezahlt werden, sondern refinanziert werden in eine schurkenunabhängige regenerative Energieversorgung des Unternehmens.

    • @Sven Unrau:

      Die erhöhten Heizkosten zuhause sind doch durch den geringeren Benzinverbrauch der angeblich so gebeutelten PKW-Pendler direkt wieder drin.



      Womöglich kann man sogar das Auto abschaffen wenn man nicht mehr täglich fahren muss und stattdessen Öffis nutzen. Das spart zusätzlich Geld! Und selbst wenn es mit den Öffis mal länger dauert hat man ja die tägliche Fahrzeit eingespart.



      Zu viel Veränderung?

      • @Life is Life:

        Tolles Leben. Bleiben wir also alle für immer zu Hause. Gibt es durch die Corona-Isolationen der letzten zwei Jahre nicht schon genügend psychische Probleme?

  • 9G
    93851 (Profil gelöscht)

    Während griechische Tanker mittlerweile schon 60% von Putins Öl nach Asien, Indien etc. transportieren, Russland andere Märkte erschließt, europäische Sanktionen dadurch ihre angebliche Wirkung verfehlen, den Westen schwächen, den Wirtschaftsstandort Deutschland damit viel zu teuer machen, siehe youtu.be/KZ3QPVTDUco, sollen die Bürger für eine absolut dilettantische Deutschland- und EU-Politik zahlen und bald auch sparen ...

    Die Problematik Klimawandel ist seit Jahrzehnten bekannt, doch wird hierzulande Trinkwasser für Toilettenspülungen zuhauf vergeudet, Tempolimit bewusst verhindert etc.

    Gut dagegen, wenn jemand die Dinge bzw. Zeichen der Zeit insgesamt beim Namen nennt und — er ist nicht der einzige:

    youtu.be/IcO4Z8QuODo

    youtu.be/p0xylPYq5bY

    • @93851 (Profil gelöscht):

      Her Hellmeyer hat dabei nur Angst um seine Investments der alten Systeme, denn wenn die alten Systeme erst umgebaut sind, sind seine alten Investments nichts mehr wert.

      Herr Dohnanyi spielt nur mit seinem alten Systemdenken; Ost gegen West. Dabei geht es bei deutscher Energieversorgung doch nur um verfehlte Abhängigkeiten durch fossile Energien.

      • 9G
        93851 (Profil gelöscht)
        @Sonnenhaus:

        Es geht eindeutig um weitaus mehr als "nur" deutsche Energieversorgung. Ganz Europa wird sich noch umgucken und Deutschland als Wirtschaftsstandort auf dem Ritt der Globalisierung erst recht.



        Genau das einschließlich sich zum Osten hin verändernder Machtstrukturen spricht Hellmeyer hier unverblümt an, und all das betrifft letztlich nicht nur Investoren, sondern in erster Linie diejenigen, die ehedem schon jetzt unter steigenden Preisen leiden!

        Leute wie Hellmeyer u. Co. werden am ehesten wissen, ihre Schäfchen ins Trockene zu bringen, oder haben Sie nichts verstanden?

  • Wo sehen Sie das Versagen der aktuellen Regierung in Bezug auf das Thema Energie? Die aktuelle Regierung versucht aktuell unsere Gesellschaft auf eine schwierige Situation vorzubereiten und nebenbei gesagt, wenn wir die Komfortansprüche um ca. 50 Jahre zurückschrauben würden, dann würde bei der heutigen Energieeffizienz der Heizungen und der Autos vermutlich die Hälfte des Gas und Öls ausreichen!

    • @Fridolin:

      Umso einfacher hätte es sein können, den Wandel bereits vor 50 Jahren voran zu treiben. Pläne für alternative Energiequellen- und Antriebe gab es bereits in den frühen 70ern. Hilft nur heute nicht mehr. Und frustriert jede*n, die/der seither das Mögliche auf kleinen Niveau tut.

      • @Kirsten Tomsen:

        nein, hilft heute nicht mehr. Aber deshalb nicht frustrieren lassen. Im Gegenteil, ist das eine Bestätigung für die damaligen Erkenntnisse und gemachten Forderungen an die Politik.



        Dranbleiben und die Politik vor allem deren im Ruhestand befindlichen Täter an ihr Versagen erinnern.

  • Man kann kaum etwas anderes sagen, als dass es unsere Regierung(en) geschafft haben, uns energetisch um knapp 100 Jahre zurückzuwerfen.



    So unverschämt versagen, und frech aufsprechen!