Energiesparpläne des Staates: Mit gutem Beispiel vorangehen
Nach zahlreichen Appellen an die Bevölkerung erlegt sich nun auch die Politik Sparpläne auf. Das Problem der steigenden Preise löst das nicht.
Doch nicht nur Privathaushalte sind angehalten, Gas und Strom zu sparen. Auch in öffentlichen Gebäuden soll weniger Energie verbraucht werden – zum Beispiel im Bundestag. Eine entsprechende Regelung hat der Ältestenrat am Donnerstag beschlossen.
Demnach sollen Büroräume unter anderem für Abgeordnete und deren Mitarbeiter:innen künftig weniger stark runtergekühlt und im Winter auf nur mehr 20 Grad (statt bisher 22) erwärmt werden. Eine am Sonntag veröffentlichte Umfrage der Deutschen Presseagentur zeigt, dass ähnliche und weitere Maßnahmen auch in den Ländern geplant sind.
Der Berliner Senat etwa hat dazu eine ressortübergreifende Taskforce eingerichtet. „Das Ziel ist, durch alle Senatsverwaltungen spätestens bis August weitere Sparpotenziale von mindestens zehn Prozent zu identifizieren“, sagte Wirtschaftssenator Stephan Schwarz (parteilos). Die öffentliche Hand müsse genauso am Energieregler drehen wie Privathaushalte und Unternehmen, forderte Schwarz. Die Funktionsfähigkeit der Behörden und der Arbeitsschutz müssten natürlich gewahrt bleiben. „Aber sonst sehe ich keine Tabus.“
Kommt das Homeoffice zurück?
Zur Hilfe könnte den Ländern dabei eine Coronamaßnahme kommen. So prüfen laut dpa die Landesregierungen von Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein derzeit die Möglichkeit, zum Energiesparen Mitarbeiter:innen ins Homeoffice zu schicken. In mehreren Bundesländern planen Ministerien und Landtage zudem, Klimaanlagen runterzudrehen oder Warmwasser zu reduzieren.
Laut Städtetagspräsident Markus Lewe bemühten sich auch die Städte um einen Beitrag beim Energiesparen. Als mögliche Maßnahmen nannte Lewe die Reduzierung der nächtlichen Straßenbeleuchtung und weniger warmes Wasser in öffentlichen Gebäuden. Vor wenigen Tagen hatte die Entscheidung der Stadt Nürnberg für Aufsehen gesorgt, drei ihrer vier Hallenbäder dichtzumachen.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte in seiner wöchentlichen Videobotschaft am Samstag, die Sicherheit der Energieversorgung würden das Land „noch die nächsten Wochen, Monate und auch Jahre“ beschäftigen. Sollte die Bundesregierung die dritte und letzte Stufe im Notfallplan Gas ausrufen, entscheidet die Bundesnetzagentur, wer wie viel Gas bekommt. Private Haushalte haben aber Vorrang.
Heizen wird noch teurer
Die aktuelle Entwicklung sieht Bundesnetzagentur-Chef Klaus Müller dennoch kritisch: „Auch wenn wir in keine Gasnotlage kommen, bleibt das Gas teuer“, sagte Müller gegenüber Focus. Dabei seien die Folgen der aktuellen Gasknappheit preislich bei den Verbrauchern noch gar nicht angekommen. „Das kann für eine Familie schnell eine Mehrbelastung von 2.000 bis 3.000 Euro im Jahr bedeuten.“
Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, warnte vor einer „sozialen Zerreißprobe“. Bewegungen wie die Gelbwesten in Frankreich seien auch in Deutschland möglich, sagte Fratzscher dem „Handelsblatt“. „Die gegenwärtige Krise könnte der letzte Tropfen sein, der das Fass der zunehmenden sozialen Spaltung zum Überlaufen bringt.“ Der DIW-Chef forderte höhere Löhne und eine dauerhafte Anhebung der Sozialleistungen. Die Politik sollte nicht versuchen, „mit Placebos wie Einmalzahlungen Menschen ruhig zu stellen“.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sprach im Interview mit dem Deutschlandfunk ebenfalls von einer drohenden „Zerreißprobe“. Sollte das „Albtraum-Szenario“ einer Gas-Unterversorgung Realität werden, rechne er mit heftigen Debatten, sagte Habeck. „Das wird Deutschland vor eine Zerreißprobe stellen, die wir lange so nicht hatten“, fügte er hinzu. „Das wird die gesellschaftliche Solidarität bis an die Grenze und wahrscheinlich darüber hinaus strapazieren.“
Linke-Parteichef Martin Schirdewan forderte im Gespräch mit der Funke Mediengruppe eine gezielte Unterstützung einkommensschwacher Haushalte mit einem „sozialen Klimabonus“ von 125 Euro pro Monat plus 50 Euro für jedes weitere Haushaltsmitglied. Außerdem sprach er sich für eine Deckelung der Energiepreise aus, „damit die Leute im nächsten Winter noch heizen und Fernsehen gucken können“. Finanziert werden solle dies durch eine Übergewinnsteuer.
Bundesverbraucherschutzministerin Steffi Lemke (Grüne) hat im Falle eines weiteren Anstiegs der Energiepreise ein Moratorium für Strom- und Gassperren in Aussicht gestellt. Niemandem dürfe „in solch einer Krisensituation der Strom oder das Gas abgestellt werden, weil er mit der Rechnung in Verzug ist“, sagte Lemke in der „Bild am Sonntag“. Im Krisenfall müsse auch über ein weiteres Hilfspaket entschieden werden.
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