piwik no script img

Energiekrise in IndienKampf um die Kohle

In Indien herrscht Kohlemangel. Regierung, Bundesstaaten und Energiewirtschaft schieben sich gegenseitig die Verantwortung zu.

Wird in Indien bald knapp: Kohle in einem Vorort von Ahmedabad Foto: Amit Dave/reuters

Indien leistet zwar gute Arbeit bei der Erzeugung erneuerbarer Energien, aber ohne Kohle geht es (noch) nicht: Immer mehr indische Bundesstaaten schlagen Alarm, weil sie fürchten, dass in einigen Regionen bald der Strom ausgehen könnte. Das Problem: Die Kohle ist knapp.

Organisationen wie Greenpeace Indien kritisieren, dass die Regierung weiter in diesen Bereich investiert. Die Klima­krise macht es eigentlich nötig, auf klimafreundlichere Energieträger zu setzen. Das tut die Regierung von Narendra Modi (BJP) im Prinzip auch: Die Nutzung von erneuerbaren Energien hat sich in seiner Amtszeit verdoppelt. Strom kam so in entlegene Dörfer.

Indien hat sich auch weitere ehrgeizige Ziele gesetzt. In den kommenden zwei Jahren sollen 220 Gigawatt Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt werden. Aber noch sieht die Realität im Stromsektor anders aus: Fast die Hälfte des indischen Stroms stammt noch aus der Kohle. Beobachter sehen in der aktuellen Kohleknappheit einen Risikofaktor für die Erholung der pandemiegeplagten indischen Wirtschaft.

Kritik von NGOs

Fossile Welt

Ein am Mittwoch veröffentlichter Bericht des UN-Umweltprogramms kam zu dem Ergebnis, dass die Unterzeichnerstaaten des Pariser Weltklimaabkommens in diesem Jahrzehnt mehr als doppelt so viel Kohle, Gas und Öl fördern wollen, wie es eine Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad eigentlich zuließe. Das möglichst zu schaffen, ist ein Nebenziel des Abkommens, auf jeden Fall soll die Erhitzung „deutlich unter“ 2 Grad bleiben.

Der Hauptautorin Ploy Achakulwisut vom Stockholmer Umweltinstitut zufolge wollen die Regierungen bis 2030 rund 240 Prozent mehr Kohle, 57 Prozent mehr Öl und 71 Prozent mehr Erdgas fördern als mit dem 1,5-Grad-Ziel vereinbar wäre. „Die Produktion von Kohle, Öl und Gas muss sofort stark sinken“, sagte die Chemikerin. (afp, taz)

Für den Mangel gibt es mehrere Gründe. Unter anderem macht die Energieindustrie das schlechte Wetter verantwortlich – wegen einiger Extremwetterlagen wurde die Produktion in Indien genauso wie in China zurückgefahren.

NGOs kritisieren aber auch die Energiewirtschaft für ihr Management. Indien sei doch den Monsun gewöhnt, müsste sich deshalb mit starken Schauern in der Regenzeit auskennen und könne sie einplanen, sagt der Umweltschützer Soumya Dutta vom South Asian People’s Action on Climate Crisis.

Eine ähnliche Haltung vertritt Anil Swarup, ehemaliger Kohle-Staatssekretär (Coal Secretary). Swarup zufolge ­stagniert die Produktion des staatlichen Betreibers Coal India (CIL) in den letzten drei Jahren bei etwa 650 Millionen Tonnen pro Jahr. Davor hatte es ein Wachstum gegeben, bis 2017 ein hoher Regierungsbeamter ausschied und die Stelle länger nicht nachbesetzt wurde. Auch sollen Bergwerksleiter für andere Projekte wie den Bau von Toiletten abgezogen und Investitionen verschoben worden sein. Kurzum, die Branche sei vernachlässigt worden, ebenso gäbe es Probleme mit der Eisenbahn bezüglich des Transports, meint Swarup.

Neben der staatlichen Kohleproduktion gibt es natürlich auch noch den Privatsektor. Der Multikonzern Adani Group zeigt unterdessen seine Ambitionen, das Geschäft auszubauen. Mit dem Erwerb des australischen Bergwerks Carmichael, um auch Kohle nach Indien zu schiffen, machte Gautam Adani sich aber keine Freunde. Mit „Stop Adani“-Schildern wurde weltweit vergebens protestiert.

Seit Juni wird gefördert. Adani weiß wohl, dass Indiens Energieverbrauch wächst und längst nicht alle Haushalte rund um die Uhr mit Strom versorgt werden. Zwar ist australische Kohle teurer, aber wegen ihrer besseren Qualität beliebter. Der Kohlesektor ist nicht die einzige Branche, für den sich indische Milliardäre interessieren. „In der jüngsten Vergangenheit wurden einige staatliche Unternehmen unter Marktwert verkauft, da sie heruntergewirtschaftet waren“, sagt Dutta. Es würde ihn nicht überraschen, wenn der Privatsektor in Zukunft stärker in die Stromerzeugung einsteigen würde.

Die Regierung auf Bundesebene gibt jedenfalls schon einmal Entwarnung: Der Minister für Kohle und Bergbau versicherte, dass Indien genügend verfügbare Kohlevorräte hat, die ausgeliefert werden. Selbst bei niedrigen Kosten für Solarparks bleibt Kohlestrom der wichtigste Bestandteil des Versorgungsnetzes. Dabei verstärkt die Kohleverstromung nicht nur die Klimakrise, sondern ist auch mitverantwortlich für Luftverschmutzung durch Feinstaub, Schwefeldioxid und Stickstoffoxid.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Indien sollte sich mehr am Nachbarn China orientieren. In China werden mehr Photovoltaik Anlagen aufgestellt als irgendwo anders, bis 2030 wird China fast 900 GW Photovoltaik installiert haben, das ist die Leistung von einigen hundert KKW !

    Grade die inzwischen günstig gewordenen de-zentralen Anlagen mit Speichermöglichkeit können 24/7 Stromversorgung auch dort gewährleisten wo Stromnetze schwach und fehlerhaft sind.



    Wenn Deutschland wirklich etwas gegen den Klimawandel tun will, dann sollte man nicht in Deutschland funktionierende, moderne Kohlekraftwerke abschalten, sondern Dreckschleudern in Indien gegen Solar ersetzen.

    • @Paul Rabe:

      China Energieversorgung basiert zu >85% auf fossilen Brennstoffen, Solarenergie liegt bei 1%



      Ja, beides wird ausgebaut, leider auch die fossilen Brennstoffe. Damit ist China kein gutes Beispiel für andere Länder (insbesondere da China auch bei den Pro Kopf GW Emissionen 15% oberhalb des G20 Durchschnitt liegen soll!).



      www.climate-transp.../China-CT-2020.pdf

    • @Paul Rabe:

      Das habe ich mich auch schon oft gefragt.

      Indien hat nahezu überall sehr viel und sehr sichere Sonne.

      Die Einsatzmöglichkeit für Photovoltaik sind unendlich.

      So auch Afrika.

      Allein ein Solarstrom-Aggregat zum Kochen könnte die immense Abholzung stoppen, die mittlerweile die Brasiliens längst überschreitet.

    • @Paul Rabe:

      Genau das ist das Problem:



      Indien nimmt sich ein Beispiel an China und fördert immer mehr Kohle.

      www.bgr.bund.de/DE...bare-energien.html

      Mit dem letzten Punkt bin ich allerdings voll bei Ihnen.

      Statt nationalistische Standesdünkel auszuleben und die Welt am deutschen (Öko-)Wesen genesen zu lassen, sollten lieber reiche Länder wie Deutschland finanziell unterstützen, dass die größten Dreckschleudern weltweit sauberer werden.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Es ist doch das, was ich seit Jahren sage. Man wird die Kohle nicht einfach in der Erde liegen lassen. Jedenfalls nicht, solange ein Blackout droht. Deshalb ist CCS so wichtig, weltweit.



    Hinzu kommt, Indien ist ein Land der Extreme. Hier Maßstäbe anzulegen ist äußerst schwierig.