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Energiekrise in DeutschlandKommunen warnen vor Blackouts

Der Städtebund warnt davor, im Winter Heizlüfter zu nutzen, weil es Stromausfälle geben könnte. Energieexperten sagen: Deutschland ist gut gerüstet.

Soll man laut Städtebund nicht benutzen, auch wenn man friert: Heizlüfter Foto: Frank Rumpenhorst/dpa

Berlin dpa | Der Deutsche Städte- und Gemeindebund hat wegen der Energiekrise vor flächendeckenden Stromausfällen in Deutschland gewarnt. „Die Gefahr eines Blackouts ist gegeben“, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der Welt am Sonntag. Die Vorbereitung auf echte Krisensituationen müsse verbessert werden. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) versprach dagegen am Wochenende mit Blick auf die Energiekrise: „Wir kommen da durch.“ Die Menschen in Deutschland spürten, dass sie in einer ernsten Zeit lebten. „Wir haben uns aber vorbereitet“, versicherte der Kanzler in seiner wöchentlichen Videobotschaft. „Wir werden uns als Land unterhaken, weil wir ein solidarisches Land sind.“

Ein Stromnetzstresstest der Bundesregierung kam kürzlich zu dem Ergebnis, „dass stundenweise krisenhafte Situationen im Stromsystem im Winter 22/23 zwar sehr unwahrscheinlich sind, aktuell aber nicht vollständig ausgeschlossen werden können“. Dabei ging es um ein Extremszenario, in dem wegen Gasmangels ein Viertel bis die Hälfte der Gaskraftwerke in Süddeutschland ausfallen, zugleich anhaltendes Niedrigwasser den Nachschub für Kohlekraftwerke ausbremst, französische Atomkraftwerke weiter außer Betrieb sind und viele Heizlüfter gleichzeitig genutzt werden.

Experten halten das deutsche Stromnetz allerdings für gut gewappnet. „Die Angst ist zu einem großen Teil Panikmache“, sagte Energieexperte Christoph Maurer vom Beratungsunternehmen Consentec dem Fernsehsender n-tv. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Helmut Dedy, sagte der Rheinischen Post: „Wir sollten jetzt nicht mit Panik reagieren, sondern mit einer gemeinsamen Kraftanstrengung.“ Die Städte wollten 20 Prozent Gas einsparen. Wenn alle gemeinsam dieses Ziel verfolgten, sehe er eine gute Chance, ohne Blackout durch den Winter zu kommen. Zugleich müsse aber auch Vorsorge betrieben werden; Notstrom-Reserven seien notwendig. „Da tragen im Katastrophenschutz Länder und Kommunen gemeinsam Verantwortung“, sagte Dedy.

Heizlüfter und Hackerangriffe könnten zur Gefahr werden

Landsberg warnte konkret vor der Gefahr einer „Überlastung des Stromnetzes – etwa wenn die 650.000 in diesem Jahr verkauften Heizlüfter ans Netz gehen, sollte die Gasversorgung ausfallen“. Auch feindliche Hackerangriffe seien ein realistisches Szenario. „Wir können flächendeckende Stromausfälle nicht ausschließen“, sagte er. Für diesen Fall sei Deutschland ungenügend gerüstet.

Er forderte die Bürger auf, die Empfehlungen des Bundes zum Katastrophenschutz ernst zu nehmen und Wasser sowie Lebensmittel im Haus zu haben. Bei einem großflächigen Stromausfall „läuft kein Wasser, man kann nicht tanken, nach zwei Tagen kann man sein Handy nicht mehr laden“, beschrieb er. Auch der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, warnte vor massenhaftem Gebrauch von Heizlüftern. Sie zu nutzen sei selbst bei den hohen Gaspreisen teurer als Heizen mit Gas, sagte er dem Tagesspiegel. Außerdem könne es Stromnetze lokal an ihre Grenzen bringen, wenn viele Menschen gleichzeitig Heizlüfter betrieben.

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6 Kommentare

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  • Aus dem Stresstest geht hervor, "dass stundenweise krisenhafte Situationen im Stromsystem im Winter 22/23 zwar sehr unwahrscheinlich sind, aktuell aber nicht vollständig ausgeschlossen werden können".

    Also mit anderen Worten: wenn wir einen kalten Winter kriegen und auch sonst alles schief geht, könnte es passieren, daß gelegentlich an einzelnen Orten der Strom für kurze Zeit ausfällt...

    Und deswegen fordern jetzt einige Leute die Renaissance der Atomkraft..und mit dem Fracking gleich noch eine zweite (langfristige) Risikotechnologie..

    Also in einem anderen Kontext würde man eine solche Reaktion wohl als

    ----Hysterie ----

    bezeichnen...

  • Mir wurde doch noch vor wenigen Wochen gesagt, es gäbe nur ein Gas-, aber kein Stromproblem?

  • Würden die Stadtverwaltungen und Stadtwerke die Umsetzung von Balkonsolaranlagen, PV Anlagen generell und Windkraftanlagen in Wohngebieten, nicht mehr bremsen, sonder massiv unterstützen, gäbe es keine hochbeschworenen Netzbelastungen durch Heizlüfter, da ein Grossteil des benötigten Stromes am gleichen Ort erzeugt würde. Auch in der Nacht, wenn die schlauen Stromtratzer auf Absenkbetrieb umschalten! Wenigstens empfiehlt Hr. Müller richtigerweise aus Kostengründen vom Betrieb von Heizlüfter abzusehen. Dann doch besser eine Kleine Luftwärmepumpe verwenden, die spart dann wenigsten bis -5°C Außentemperatur 2/3 der Strommenge ein.



    Vermutlich meint Hr. Landsberg aber nur die unzureichende Stromerzeugungsmenge in Süddeutschland, die wegen der Jahrzehnte langen Blockade durch CDU und CSU verursacht ist, und nun ratlos keinen Ausweg kennt, als nur mehr vor Blackouts und Überlastungen zu warnen. Gutes Management jammert nicht, sonder hat einen funktionierenden Plan B zur Hand, lieber Herr Landsberg.

  • Etwas komplett auszuschließen wäre auch Quatsch. Beruhigend wäre, wenn Herr Landsberg sagte: 'Wir haben die Szenarien durchgespielt und unsere Versogungssicherheit ist auch im Worst Case zu (beispielsweise) 98 Prozent gewährleistet.' Das Hochjazzen zum Stressfaktor für Verbraucher:innen verstärkt nun bestimmt die Nachfrage nach Diesel-betriebenen Notstromaggregaten und leistungsfähigen Batterien/Akkus. Vielleicht kann die taz die Hauptversorger und Netzbetreiber mal konkret anfragen, damit es nicht im Ungefähren bleibt, wie ehedem bei den Szenarien "Hochwasser" und "Pandemie", was gesicherter 'Sachstand' ist.



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    taz.de/Stromausfal...ile2=1562198400042

  • "Wir werden uns als Land unterhaken" deliriert der Bundeskanzler. Am besten backen "wir" noch Solidaritätsplätzchen, stellen Kerzen ins Fenster und singen gemeinsam Lieder mit zuversichtlichen Botschaften, z. B. "Was wollen wir trinken, 7 Tage lang", "Das weiche Wasser bricht den Stein" usw. Dann wird alles gut.

    • @Budzylein:

      Herr Landsberg hat schon angefangen und singt sein inkompetentes Lied der unzureichenden Versorgung, um die Stimmungsangst der Bürger für seine Partei, die Union, oben zu halten. Warum können diese politischen Stimmungsmache nicht einfach mal Ihrer Verantwortung nachkommen und sich für die Versorgungssicherheit einsetzen, statt zu schwurbeln.