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Ende der Querdenker-BewegungUrlaub von der Wirklichkeit

Gastkommentar von Tilman Baumgärtel

Die Querdenken-Bewegung ist am Ende. Doch die mediale Infrastruktur, die sie aufgebaut hat, ist für Fake News jederzeit wieder reaktivierbar.

Der Querdenker-Spuk ist erst mal vorbei, aber die Infrastruktur bleibt Foto: Christian Spicker/imago

E s werden Ausweise ausgegeben, die ihre Besitzer als Einwohner eines autonomen Landes ausweisen. Es gibt eigene Anwälte, die pro bono für die Rechte der Demonstranten eintreten, und Barden, die auf der Wandergitarre Protestlieder vortragen. Weil „die Presse“ nicht unvoreingenommen berichtet, hat man sich „alternative Medien“ geschaffen. Man demons­triert in ausgefallenen Kostümen, meditiert gegen den Feind, fordert Basisdemokratie statt „Parteiendiktatur“.

Das ist nicht die Beschreibung einer Coronaleugner-Demo zu ihren Hochzeiten. So ging es 1980 in der Republik Freies Wendland zu. Viele der Methoden derer, die im letzten Jahr gegen die Coronapolitik der Bundesregierung protestierten, lassen sich auf den Modus Operandi der „Neuen Sozialen Bewegungen“ der 1970er und 1980er Jahre zurückführen: Die Umwelt- und Friedensbewegung, die Gegner von Atomkraftwerken und Startbahn West verwendeten Methoden des zivilen Ungehorsams, schufen eine eigene Infrastruktur von Rechtsbeiständen, Medizinern und – besonders wichtig – eigenen Medien.

Es gibt freilich einen entscheidenden Unterschied: Anders als die Querdenker verfolgten die Neuen Sozialen Bewegungen republikanische Ziele. Sie leisteten Widerstand gegen objektives Unrecht und fragwürdige politische Entscheidungen, die sie aus guten Gründen ablehnten. Viele dieser Ziele sind heute mehrheitsfähig oder gar durchgesetzt. Die Truppe, die sich unter dem Banner des Querdenkertums zusammenfand, trieb teils ganz andere Ziele um. Diese reichten von legitimer Kritik an den Coronamaßnahmen bis zu wilden Staatsstreichsfantasien.

Dass diese kuriose Allianz nicht von Dauer sein würde, war vorherzusehen. Dass in Deutschland altvordere Ökos und aktenkundige Nazis, AfD-Abgeordnete, abgedriftete DDR-Bürgerrechtler und Ausdruckstänzer einen gemeinsamen Nenner haben, bedauerlicherweise auch. Ihre Gemeinsamkeit war letztlich, dass man sich nichts vorschreiben lassen wollte und dass alles immer so bleiben soll, wie es ist. Jede noch so absurde Forderung wurde im Namen des „Volkes“ vorgetragen. Dabei waren die Querdenker letztlich nur der Aufstand ein paar grantiger Boomer.

Sozialen Medien als Propagandainstrument

Doch der Abenteuerurlaub von der Wirklichkeit ist vorbei, der Niedergang der Querdenker unübersehbar: Zu den Veranstaltungen kommen kaum noch Leute. Viele Wortführer sind abgetaucht. Andere müssen nun die strafrechtlichen Folgen ihres verantwortungslosen Tuns gewärtigen.

Tilman Baumgärtel

Tilman Baumgärtel ist Professor für Medien­wissenschaft an der Hochschule Mainz. Zuletzt hat er im Reclam-Verlag das Buch „Texte zur Theorie des Internets“ heraus­gegeben.

Einige Protagonisten versuchen noch, diese Tatsachen zu verdrängen, manchen ist die Verbitterung inzwischen deutlich anzusehen. All das kann man live verfolgen. Denn die Querdenker haben in kurzer Zeit eine autonome, parallele mediale Infrastruktur aufgebaut, die zeitweise eine erstaunliche Mobilisierungskraft hatte. Nun zeigen diese Kanäle, wie sich die Szene zerlegt.

Trotzdem bleibt festzuhalten: Querdenken und Co. haben zeitweise einen virtuosen Einsatz der sozialen Medien und von Videostreaming als Propagandainstrument betrieben, der in der breiten Öffentlichkeit kaum wahrgenommen wurde. Bei Streamingdiensten wie DLive, Twitch oder YouTube, bei denen man Livesendungen per Webcam oder Smartphone verbreiten kann, sind nach wie vor täglich Übertragungen von den Demos und Kundgebungen der Szene zu sehen – auch wenn kaum noch wer kommt. Oder es werden faktenfreie Diskussionsrunden veranstaltet, in denen von „Merkill-Diktatur“, „Giftspritzen“, der „New World Order“ oder dem „Great Reset“ gefaselt wird.

Diese Sendungen, die teilweise Zehntausende Zuschauer verfolgen, haben oft fast den Charakter von Live-TV-Sendungen, bei denen zwischen verschiedenen Schauplätzen hin und her geschnitten wird oder Kommentatoren zugeschaltet werden. Dank Streamingtechnologie schufen ein paar Leute mit Smartphones und unlimitiertem Datenvolumen ein dezentrales Medienimperium, das seinen Zuschauern den Eindruck einer riesigen Unterstützerschaft suggeriert, auch wenn die tatsächliche Beteiligung vernachlässigbar war: Als Corona-Oberprofiteur Michael Ballweg in Stuttgart als Bürgermeisterkandidat antrat, erhielt er gerade einmal 1 Prozent der Stimmen. Gleichzeitig konnten seine Fans den Wahlkampf in den sozialen Medien so dominieren, dass man meinen konnte, sie seien ein nennenswerter Teil der Wähler.

Es ist wohl auf solche antidemokratischen Methoden zurückzuführen, dass etwa der sächsische Ministerpräsident Kretschmer zu Jahresbeginn von „Öffnungswünschen der Bevölkerung“ redete, während laut Umfragen ein Drittel der Deutschen die geltenden Coronaregeln unterstützte und ein weiteres Drittel härtere Maßnahmen forderte. Ähnliches konnte man schon bei Pegida oder den sogenannten Montagsdemonstrationen 2015 beobachten: Einer kleinen Gruppe von Querulanten gelangt es damals, den öffentlichen Diskurs nachhaltig zu beeinflussen.

Auch wenn der Querdenker-Spuk jetzt erst mal vorbei ist, ist die mediale Infrastruktur robust, die für derartige Desinformationskampagnen eingesetzt werden kann. Sie wird bei der nächsten gesellschaftlichen Verwerfung oder politischen Großlage wieder dazu genutzt werden, Fake News zu verbreiten, Spenden oder „Schenkungen“ zu sammeln. Und die nächste Kohorte schlichter Gemüter auf die Idee bringen, dass sie in einer schlimmeren Diktatur als der DDR oder dem Dritten Reich leben. Für eine Demokratie ist das nicht gesund.

Solange man bei Streamingdiensten erzählen kann, was man will, und diese Unternehmen sogar noch eigene Kryptowährungen anbieten, mit denen man Hetzer für ihre Tiraden belohnen kann, wird dieses Geschäftsmodell attraktiv bleiben. Der mediale Schoß, aus dem die Querdenker krochen, bleibt fruchtbar.

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29 Kommentare

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  • Querdenken und Co war kaum wirklich eine Gruppe oder Organisation. Eher war es eine ERfindung von leuten die Ken Jebsen Ballweg Wisnewski undCo die damit womöglich viel geld machten. Die Leute und der Hintergrund waren denen womöglich schlicht egal Hauptsache Geld kommt rein.

  • Die Glorifizierung der 70er und 80er und der Hinweis, der Unterschied hätte darin gelegen, man wolle die Republik erhalten, ist etwas verkürzt. Auch damals gab es Menschen, die einen Umsturz wollten. Die RAF schon vergessen? Die hatte in der Szene etliche Sympathisanten.

  • Es ist in Ihrem Artikel falsch das Michael Ballweg bei der OB-Wahl in Stuttgart gerade einmal 1 Prozent der Stimmen erhielt. Laut der Webseite der Stadt Stuttgart erheilt er 2,6 Prozent was 5686 Wählerstimmen entspricht: www.stuttgart.de/s...nd-statistiken.php

    • @Thomas Weichert:

      Info-Seite der Stadt Stuttgart/statistisches Landesamt gibt als Endergebnis 1,2% an.



      Gut sichtbar auf der Seite der Landeshauptstadt und veröffentlicht am 29.11.2020

    • @Thomas Weichert:

      Wurde ja auch langweilig und jetzt gibts es ja wieder Fußball

  • Die Querdenker-Bewegung hatte ihren Zenit im letzten Sommer. Von da an ist deren Anhängerzahl und sind auch die darüber hinaus durchaus vorhandenen Sympathien in der Bevölkerung bereits wieder deutlich geschrumpft, auch wenn tiefer Involvierte sich teils noch weiter von der Realität entfernt haben mögen.

    Für mich gibt es zwei offensichtliche Gründe für den Aufwind und im Gegenzug dann den Rückgang der Anhängerzahl.

    Das ist einmal die Berichterstattung in den ÖR-Medien, die im Frühjahr 2020 tatsächlich sehr unausgewogen bis klar irreführend war (z.B. "Verdopplungszeit" bei zurückgehender Infiziertenzahl). Wer sich ein wenig mit Statistik und Logik beschäftigt, musste da regelrecht durchdrehen.



    Über den Herbst/Winter war die Information im ÖR dann wieder umfassender und auch unabhängiger.

    Grund 2 ist sicher das häufig angeführte Präventionsparadoxon. Im Frühjahr wurde die Welle nach in meinen Augen viel zu langem Zuschauen dann mit rabiaten Mitteln gebrochen, in vielen Gebieten gab es zu der Zeit kaum Infizierte. Über den Herbst/Winter kannte dann wirklich jeder auch persönlich Menschen, denen es dreckig ging.

    Die angesprochenen Kanäle sind nicht mit Corona entstanden, deren Reichweite hat sich aber - zumindest temporär - merklich vergrößert. Dass die Gründe dafür auch in der stark einseitigen und teils irreführenden Berichterstattung des ÖR im Frühling liegen, sollte man allerdings durchaus mal diskutieren.

  • ...und trotzdem:



    alle, die hier jetzt _grundsätzlich_ abwertend über die QD Bewegung und ALLE deren Mitglieder urteilen. Eines sollte nicht vergessen werden. Sehr oft in der Geschichte hat eine Minderheit mit Kritik und Hinterfragen und auch Aufstand gegen Mehrheiten und Regierungen Dinge in die "richtige" Richtung bewegt.



    Hinterher ist man immer klüger aber ohne Scheitern und den Mut dazu hätte es Vieles nicht gegeben.



    Fanatiker und Bekloppte gibt es auch in anderen "Gruppierungen". Ob politische, religiöse oder sportliche (siehe sogenannte Fußballfans), ohne daß man dabei also realitätsfern ist.



    Wie der Autor schon schrieb



    "von legitimer Kritik an den Coronamaßnahmen bis zu wilden Staatsstreichsfantasien".



    ALLE Kritiker über einen Kamm zu scheren, kann also auch nicht wirklich die Lösung sein.



    Viel Kritik war auch berechtigt.



    An Poitikern, deren Moral und auch an den Medienberichten, die sich auch erst nach einiger Zeit mal etwas opbjektiver äußerten.

    • @G. Reizt:

      Vielleicht bin ich zu sehr Antifaschist, aber wer sich aus freien Stücken auf die gleiche Demo, wie offensichtliche Neonazis (in der Kleinstadt die lokale NPD, in Berlin eine sehr vielfältige Mischung) stellt, stößt bei mir mit egal welcher Kritik eher selten auf offene Ohren.

  • Na ja das hier auch viele halbwegs "normale" Menschen mitgemacht haben, hat sich die Politik selber zuzuschreiben. Viele seltsame Coronaregeln und Ausnahmen wurden nicht erklärt oder waren schlich wiedersinnig oder nicht nachvollziehbar. Z.B. in Massen im Supermarkt einkaufen mit Maske o.k. einzelne mit Masken im Klamottenladen nicht. Impfdosen werden nicht bestellt und sogar noch an die EU verschenkt, aber anschliessend mit Lockdowns wird die Bevölkerung gequält, obwohl Impfen der AUsweg sein soll. Lufthansa TUI bekommen sofort Mrd, die kleinen Künstler und Gastronomen und EInzelhandel usw. lässt man verhungern und überzieht die wegen ein paar Betrügern mit Formularbergen. Komischerweise Maskenkorruption und Bestechungsgelder klappen prima, Steuerbetrug unterstützt von der Politik auch usw.

    Und dann wundert man sich, wenn Leute die Welt nicht mehr verstehen und eine globale Verschwörung vermuten? Corona war ja nur der aktuelle neue Aufhänger.



    Aktuell z.B. kam im TV ein Gesetz zum Steuerbetrug von Immobilienkonzernen von Steuervermeidung beim Kauf und Mietgewinnen wurde gerade von der Union abgelehnt. Diese Großkonzerne tun nichts für uns, unterschlagen mit Hilfe der Politik Steuern und gewählte Volksvertreter die das verhindern sollen, also eigentlich gesehen unsere Angestellten lehnen Gesetze zur Ausplünderung der Gesellschaft und Mieter ab.



    Ja wie soll man da nicht eine Verschwörung und dunkele Machenschaften vermuten? Klar einige schießen ins absurde und wahnsinnige aber viele treibt das diffuse Gefühl, hier läuft etwas gewaltig falsch.

    • @michicu:

      Danke, spricht mir aus der Seele.



      Wären Politiker souveräner und vertrauenwürdiger und Ihre Handlungen transparenter, gäbe es weniger Kritiker.

  • **Urlaub von der Wirklichkeit**

    Querdenker sind und waren mehrheitlich nicht zugänglich für Argumente. Aber komischerweise sind die dem Ballweg hinterhergelaufen, als dessen "Jünger", welcher gut an ihnen Verdient hat.



    Mit anderen Worten, "Querdenker" nehmen nur das auf, was sie hören möchten und blenden einfach alles andere aus. Das hat mit dem eigentlichen Querdenken, welches eher Positiv besetzt ist, nichts zu tun, diese "neuen selbsternannten Querdenker" leiden unter Realitätsverlust.



    ""Realitätsverlust: Ein geistiger Zustand, in dem Betroffene ihre Situation nicht mehr so erfassen können, wie es den Tatsachen entspricht. Wahrnehmung von Ereignissen und Objekten ist derart gestört, dass Betroffene sich in einer Art individueller Parallelwelt wiederfinden.""

    • @udo123:

      Hallo UDO123,



      kannst Du mal zwei oder drei Beispiele nennen, denn Menschen einfach nur vorzuwerfen, sie seien Argumenten nicht zugänglich und würden an Realitätsverlust leiden, also echt, das kann man nun wirklich über jeden sagen?

  • Die DDR war sicherlich kein Rechtsstaat, aber eine Gleichsetzung mit dem Faschismus des sog.dritten Reiches halte ich für unangemessen.

    • @Quastenflosser:

      Leseverständnis.



      Aus A < B und A < C folgt nicht B = C. Niemand hat im Text DDR und 3. Reich gleichgesetzt.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    .....für Fake News jederzeit wieder reaktivierbar.

    So ist es! Ich selbst habe Erfahrungen mit solchen Personen gehabt - "eine Begegnung der 3. Art".



    Die Überraschung überhaupt, wie Menschen so dermaßen abgedreht sein können.



    Gegenargumente wollen die nicht hören!



    Ein Sammelbecken für Menschen, die eigentlich dringend in therapeutische Behandlung gehören.

    • @17900 (Profil gelöscht):

      Das Gefährliche ist, dass mittels Internet und sozialer Medien der größte Dummfug massenhaft verbreitet werden kann. Früher hat der Dorfdepp am Stammtisch wirres Zeug gebrabbelt, man hat dem ein Bier spendiert und Ruhe wars. Die Leichtgläubigen haben gelegentlich an Kaffeefahrten teilgenommen und Magnetarmbänder gekauft, aber ansonsten ihren Rasen gemäht, die Gartenzwerge poliert und sich ansonsten für nichts interessiert.



      Heute erreicht der Dorfdepp twitternd Millionen von Menschen, und jeder Idiot kann sich den größten Schwachsinn auf Youtube reinziehen.

      Ich wollte mich letztens informieren, ob Covid19-Impfung und FSME-Impung zusammen verträglich sind. Was es an Irrsinn im Netz gibt, hätte ich mir nie träumen lassen. Zecken sind dort wahlweise harmlos oder eine Erfindung des "globalen Pharmaimperialismus". FSME ist nichts weiter als ein Schnupfen, und bleibende Schäden durch FSME kommen nicht daher, sondern sind wahlweise erfunden, durch Strahlung ausgelöst oder durch Impfungen. Ich war hin und her gerissen zwischen Lachflash, Weinkrampf und Panikattacke. Was wird eigentlich in der Schule an Wissen vermittelt?

  • Die Texte auf tagesschau und taz gleichen sich. aber es trifft nicht zu.



    1. Geben Sie auf telegram das Wort "Freidenker" ein und Sie sehen wie die Ritualmordlegende ausdrücklich vorgetragen wird: Elternstehenauf meint "Kinder werden entführt".



    2. Alles läuft auf Bitchute und Rubikon.



    3. Die libertarian Ideologie wird von FDP und CDU absorbiert.



    4. Die Esoterik- und Wissenschaftsfeindliche Szene unter den Antimodernen bleibt politisch aktiv.

  • > Viele der Methoden derer, die im letzten Jahr gegen die Coronapolitik der Bundesregierung protestierten, lassen sich auf den Modus Operandi der „Neuen Sozialen Bewegungen“ der 1970er und 1980er Jahre zurückführen: Die Umwelt- und Friedensbewegung, die Gegner von Atomkraftwerken und Startbahn West verwendeten Methoden des zivilen Ungehorsams, schufen eine eigene Infrastruktur von Rechtsbeiständen, Medizinern und – besonders wichtig – eigenen Medien.

    Neu ist das alles nicht. Schon die Hitlerjugend hat Formen des Wandervogels und der frühen Jugendbewegung kopiert, und Aspekte und Struktoren der Lebensreformbewegung wurden witzigerweise sowohl von den Nationalsozialisten als auch in der DDR genutzt - jeweils gleichgeschaltet und an die eigene Ideologie angepasst natürlich. Dass die rechten "Querdenker" im Outfit starke Anleihen bei der alternativen Bewegung, sozialen Bewegungen sowie der Esoterik-Szene genommen haben, dürfte auch an der Popularität dieser Strömungen liegen, und am wahrgenommenen Protestpotenzial.

    Alleine das Protestpotenzial der Piratenpartei hat ja zu deren Hochzeit ebenfalls zahlreiche Versuche motiviert, diese mit rechten Kandidaten zu unterwandern. All das zeigt aber auch deutlich, dass die rechte Szene inhaltlich leer ist - sie greift Ängste und Unbehagen auf, hängt sich manchmal auch (wie Trump) an echten Problemen auf, hat aber keinerlei Lösungen,nur Ressentiments zu schüren. Der Brexit-Prozess, der ganz ähnlich geschürt wurde, zeigt dass die rechte Propaganda erschreckend gut funktionieren kann, zumindest für eine ganze Weile.

    Eine dauerhafte Frage wird die der Lastenverteilung der Folgen der Pandemie sein, und die nötige Diskussion hat gerade erst angefangen, etwa wenn es um die von Long Covid Betroffenen geht. Auch die wundersame Geldverteilung nach Jahren der Sparsamkeit ist erst mal nicht dazu angetan, die ungerechte und für die Demokratie gefährliche Ungleichheit zu verkleinern, eher kommt es wohl wie nach 2008 zu weiteren Sparwellen.

  • Erst einmal, Danke großer Impfgott, dass dieses Elend für das erste vorbei ist.

    Es kommt natürlich wieder. Nicht in derselben Form, aber wer weiß schon, was in zwei Jahren so los sein wird.

    Und: Jede Wette, viele von den Querdenkern gehen jetzt (heimlich) zur Impfung.

    • @Jim Hawkins:

      Man wird sehen. In den USA ist die Quote der Geimpften jedenfalls bisher deutlich höher in den demokratisch dominierten Gebieten und besonders gering in republikanischen Hochburgen.

      Möglicherweise aber verändert sich diese Lage, wenn sich die Delta Variante des Virus oder sogar noch schlimmere zukünftige mögliche Varianten ausbreiten - was sehr bald passieren könnte.

      Den Impfgegnern hierzulande kann man nur sagen, dass je weniger Leute geimpft sind, um so länger Masken, Social Distancing, und ähnliches nötig sein werden, und dass andererseits auf die Dauer auch sehr sozial denkende Menschen nicht bereit sein werden, _ihre_ Freiheiten für den Schutz von Mitmenschen zu opfern, die grundlegende wissenschaftliche Erkenntnisse zu ihrem Nachteil leugnen, oder Krisen gezielt nutzen um eine undemokratische Agenda voran zu bringen.

      • @jox:

        Den Impfgegnern kann man nichts sagen, wie "Jim Hawkinns" bereits schrieb.



        Die Politiker sollten sich lieber mal Gedanken machen. Covid19 war die Generalprobe, und sie ist total in die Hose gegangen. Wer erinnert sich noch an die gefloppte Katastrophen-Warnübung im September 2020? Konsequenzen? Nö.



        Der Wähler hat halt ein Gedächtnis wie ein Goldfisch.



        Die nächste Pandemie wird kommen, die Frage ist nur, wann. Eine mutierte Vogel-Schweine-Grippe, oder irgendwas ganz Neues, was irgendwelche Höhlenratten oder so in sich tragen.



        Die Mentalität ist leider die: Puh, geschafft! Zurücklehnen!



        Jetzt mit dem kühleren 2021 wird ja auch schon geschwafelt, dass die letzten paar Hitzesommer doch nur Ausnahmen waren blabla. Schaun mer ma.

      • @jox:

        "Den Impfgegnern hierzulande kann man nur sagen..."

        Das Problem ist nur, man kann ihnen nichts sagen. Sie hören ja nicht zu.

        Sie basteln sich eklektizistisch eine schrille Weltanschauung zusammen und wenn ein Teil nicht mehr stimmt, schrauben sie einfach ein anderes dran.

        Sie setzen das Ergebnis, bevor sie eine Untersuchung gemacht haben.

        Das trifft zumindest für die Fanatiker zu.

  • Das ist Ihre Meinung. Mehr nicht! Vermutlich haben Sie das Gefühl mit Ihrer Sichtweise auf die Welt einer Mehrheit anzugehören. Weise ist, genau die Vielfältigkeit und Andersartigkeit der Betrachtungen zuzulassen und auszuhalten bzw. erst gar nicht in den mittlerweile üblichen Kategorien zu bewerten. Falls der zu spürende Triumph Ihr unterbewusstes Anliegen ist, dann wird es zukünftig noch einige Enttäuschungen für Sie geben. Denn die Gesellschaft bewegt sich seit vielen Jahren in der Spaltung und Abgrenzung bzgl. des Zusammenlebens. Mit jeder Belastung des sozialen Gebildes werden sich diese Menschen mit einem neuen Namen zeitweilig zusammenfinden. Vielleicht gehören Sie irgendwann auch dazu?!

    • @Thomas Müller:

      schrieb: "Weise ist, genau die Vielfältigkeit und Andersartigkeit der Betrachtungen zuzulassen und auszuhalten ..."

      Durchaus. Aber alles hat Grenzen. Ich glaube ich brauche keine Beispiele zu nennen. Die Frage ist nur, wo man diese Grenze setzt. Darüber hinaus ist es wichtig, worauf diese andersartige Meinung fußt: Auf belegbaren Fakten oder Emotionen und Meinungen. Leider hat die Diskussionskultur - auch durch die Querdenker-Fundamentalkritik - gelitten, die an manchen Stellen zu einer Überempfindlichkeit und zu zur Schützengräbenmentalität geführt hat, so dass berechtigte Kritik an einzelnen Maßnahmen argwöhnisch beurteilt wurde. Leider beobachtet man das auch bei anderen Themen, wie Flüchtlingspolitik, Klimaschutz.

      "Falls der zu spürende Triumph Ihr unterbewusstes Anliegen ist,.."

      Ich kann im Text keine Häme entdecken. 'Falls die zu spürende Enttäuschung Ihr unterbewusstes Anliegen war, diesen Satz ...' Nein, ich unterstelle ihnen nichts ;-)

      "...Belastung des sozialen Gebildes werden sich diese Menschen mit einem neuen Namen zeitweilig zusammenfinden."_

      Dagegen ist per se gar nichts einzuwenden, solange die Kritik auf solidem Grund steht. Die Lautstarken der "Querdenken"-Bewegung war aber im Kern eine emotionale Fundamentalkritik gegen das "System" (was immer die Leute darunter verstanden haben). Es schien mir mehr ein grundsätzliches Dagegen-Sein ohne echte alternative Systemvorstellung zu sein.

      • @Schlafschaf:

        Die Grenze dessen, was man sagen darf oder nicht, wird durch das Grundgesetz festgelegt. Meinungsfreiheit und Versammlungsfreiheit sind ein hohes Gut. Es geht gar nicht darum, ob es belegbare Fakten gibt oder nicht.



        Wer eine Meinung nicht teilt, muss sich das ja nicht anhören und geht einfach weiter. Das ist Toleranz! Und darum geht es in einem demokratischen Rechtsstaat. Jeder darf nach seiner Fasson glücklich werden.

        Übrigens: ich war nie auf einer solchen Demo, noch befürworte ich die Querdenker. Was mich stört, ist die Tatsache, dass man mit Moral oder so kommt. Das ist rechtlich irrelevant. Erst wenn das Gesagte ganz klar hetzerisch ist, darf man es verbieten. Aber da kann man schon bei unseren gewählten Politikern anfangen, wenn ich höre, dass friedlich feiernde Jugendliche als Gefährder tituliert werden. Das spaltet meiner Meinung nach die Gesellschaft!

    • @Thomas Müller:

      Ehm nein! Pädophile Menschen sind übrigens auch "andersartig". Die QD sind nunmal ein Haufen naiver Opfer von Bauernfängern, die mit ihrem egomanem Verhalten gezielt andere Menschen schädigen wollen. Und solchen Menschen darf man keine Freiheiten für ihre Machenschaften bieten.

      • @Danone:

        Daher gehören Pädophile auch nicht in den Knast, sondern in Betreuung. Auch wenn die ggf. "geschlossen" sein muss.

      • @Danone:

        Kauft Schlangenöl! Verbrennt die Hexe!



        Ich fürchte, schon unter den Neandertalern gab es intelligentere Personen als unter der leichtgläubigen Masse der Hinterher-Denkern.



        Die Gackern von "Manipulation", und merken nicht, wie sie selber von geldgeilen Gurus manipuliert werden.

        • @Schnetzelschwester:

          Propaganda für Anfänger. Erzähl der Zielgruppe irgendwas, wodurch sie sich erhaben fühlen. Das klappt bei den meisten. Und mach es einfach. "Wir" die guten, die "anderen" die Bösen.