Elon Musk und das Klima: Progressive Kompromisse
Dem Ingeniör ist nichts zu schwör. Wenn Großes auf dem Plan steht, heißt es handeln, auch wenn die bevorzugten Partner gerade nicht bereitstehen.
Glaubst Du, dass ich verrückt bin?“ Mit dieser Frage beginnt Ashley Vances Biografie von Elon Musk. Das Buch lag schon lange auf der Fensterbank, nun habe ich sie endlich gelesen – angeregt durch einen Artikel im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen über den realitätsenthobenen „reichen Twitterer Elon Musk“, der demnächst im Berliner Vorort Grünheide eine halbe Million Elektroautos pro Jahr produzieren will, mit kaum verhaltener Sympathie für die angestammten Grünheider, die sich vor den Veränderungen fürchten.
Es wurde ein beunruhigendes Wochenende daraus, mit einem gut gequirlten Cocktail von Emotionen: zwischen Faszination, Perry-Rhodan-mäßigem Weltraumschwindel, und, komisch, Lust auf Zukunft. Kurzes Resumée meines Musk-Schnellkurses anhand von ein paar Stunden Lektüre und zwei langen Interviews, die Musk um Weihnachten herum dem AI-Wissenschaftler Lex Fridman und dem christlich-konservativen Comedy-Kanal Babylon Bee gegeben hat (beide auf Youtube und extrem ansehenswert).
Das sitzt ein entspannter, belesener Mann in den besten Jahren mit einem realistischen Blick auf Menschen und Geschichte, ohne Allüren und Pathos. Kein Bewohner von Steuerparadiesen, nicht ganz einfache Kindheit. Religion? „Der Gott Spinozas“, aber „Jesus würde ich nicht im Weg stehen“. Eher zögernd und reflektierend entwickelt er im Gespräch sein kohärentes und synergetisches Programm.
Angefangen von Tesla und Solarziegeln über Roboter, die nicht nur Arbeit abschaffen, sondern die auch die vielen einsamen Menschen begleiten könnten, hin zu Gehirnchips, die Lähmungen kompensieren und irgendwann unser Bewusstsein erweitern, und schließlich das weltumspannende Satelliteninternet und die Starship-Rakete für den Flug zu Mond und Mars und dessen Besiedelung.
lebt als freier Autor für Print und Radio in Berlin. Er ist Herausgeber von „RE: Das Kapital. Politische Ökonomie im 21. Jahrhundert“ (Kunstmann, 2017).
Ein Wackelbild. Je nachdem wie man hinschaut, redete da ein Unternehmer mit einem genialen Blick für Synergien, Abkürzungen und Marketing, oder ein Technomissionar, der die Voraussetzungen für eine transterrestrische Zivilisation schaffen will – für den Fall, dass es auf der Erde irgendwann einmal alles schiefgeht, aber auch um vielleicht dem Geheimnis des Weltalls ein wenig näherzukommen.
Was ihm Kraft gibt weiterzumachen, angesichts all der technischen Schwierigkeiten, die den Ausgang ungewiss sein lassen, fragt ihn der Physiker vom MIT. „Kraftquelle?“, überlegt Musk. „Diese Dinge müssen getan werden, basta.“ Das alles wirkt ein wenig wie Kino oder Erzählungen über die heroischen Aufbruchsingenieure der Sowjetunion. Aber es ist nicht Kino. Die Gigafactories stehen, in Buffalo, in Schanghai, in Texas und in Grünheide. Tesla hat den Automobilmarkt elektrifiziert.
Die sozialen Bewegungen hätten geholfen, sagt Musk, „aber bewegt haben die anderen sich erst, als ich ihnen Marktanteile weggenommen habe“. Die Solarziegel werden fabriziert, die ersten 4.000 Kommunikationssatelliten für ein leitungsloses Internet fliegen, SpaceX hat die Nasa ersetzt. Sektencharakter, Mondflugromantik, soziale Bewegung, etwas von allem. Doch bei aller Faszination: Natürlich hat Musk dunkle Seiten.
Nicht weil er elitär oder gierig oder machthungrig ist; es sind die Alleinherrscherallüren aller produktiven Zerstörer, aller Gründer von Imperien, industriell, technisch oder politisch. Man kann davor erschrecken, aber „Regierungen sind nicht schnell genug“. Und schnell müssen wir wohl sein. Musk, so scheint es, hat wohl auch nichts grundsätzlich gegen Gewerkschaften, nur, wenn sie die Produktivität oder das Tempo bremsen, erhöht er lieber die Löhne, als sich an die Arbeitszeitverordnung zu halten.
Kein Freund von Gewerkschaften
Das kann noch lustig werden mit der IG Metall in Grünheide – oder produktiv. Seine tiefsten Leseerfahrungen seien Nietzsche und Schopenhauer gewesen. Das sei etwas viel für Vierzehnjährige, das würde er nicht empfehlen, es habe ihn für eine Weile depressiv gemacht, bis er mit Douglas Adams’ „Anhalter durch die Galaxis“ einen Ausweg fand. Kurze Erinnerung: „In irgendeinem abgelegenen Winkel des in zahllosen Sonnensystemen flimmernd ausgegossenen Weltalls gab es einmal ein Gestirn, auf dem kluge Tiere das Erkennen erfanden.
Es war die hochmütigste und verlogenste Minute der Weltgeschichte; aber doch nur eine Minute. Nach wenigen Atemzügen der Natur erstarrte das Gestirn und die klugen Tiere mussten sterben.“ Greta und Musk – vielleicht kann man sie zusammendenken, nur dass einer mit Paypal zu viel Geld gekommen ist und als Kind Raketen gebaut hat.
„Wenn du etwas wichtig findest, dann tu es, auch wenn die Widerstände gegen den Erfolg sprechen“, das ist am Ende des Interviews sein Rat für junge Menschen, die fragen, wie sie in dieser zynischen Zeit ihr Leben leben sollen. An der Stelle fiel mir Robert Habeck ein. Es gehe um eine „krasse Mentalitätsveränderung“, sagte er in den Nachrichten: „Mehr erneuerbare Energien, mehr Solarpanels, mehr Windkraft, aber eben auch mehr Spaß an der Sache.
[…] Wenn man sich Großes vornimmt, kann man scheitern, aber die Alternative wäre ja, sich nichts mehr vorzunehmen aus Angst, dass man scheitern könnte. Wer will in so einem Land leben und wer will so eine Bundesregierung haben? Ich hätte keinen Bock, in solch einer Regierung Minister zu sein. Deshalb voll ins Risiko und vielleicht gelingt es ja auch.“ Und in meinem Kopfkino trafen sich die beiden zu einem Waldspaziergang, nördlich von Grünheide.
Das Resultat war eine Vereinbarung über eine crashmäßige Ausweitung der Produktion von muskschen Solarziegeln und stattliche Subventionen für Menschen, die Solarpanels nicht mögen. Die alten Gewohnheiten sind eben klebrig: spitze Dächer und Autos und Flugreisen und so. Aber man kann da progressive Kompromisse machen. Man muss es wohl, wenn’s gut und groß werden soll.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
Bundestag bewilligt Rüstungsprojekte
Fürs Militär ist Kohle da
Kürzungen im Berliner Haushalt
Kultur vor dem Aus
Elon Musk torpediert Haushaltseinigung
Schützt die Demokratien vor den Superreichen!
Krieg in Gaza
Kein einziger Tropfen sauberes Wasser