Ekelplastik im Küchenkosmos: Zartgiftige Amidanteile
Die Verwendung von Plastik zur Essenszubereitung ist keine Klassenfrage. Sie ist schlicht abscheulich – lasst euch doch vom Komodowaran beißen!
D ass ich Plätzchen verabscheue, stand in der ersten Folge dieser Kolumne und davon distanziere ich mich in aller – Achtung! – Form. Ich wollte Verwirrung stiften unter der reichen Anhänger*innenschaft dieser Zeitung, will das jetzt aber nicht mehr. Man stopfe mir das Maul mit delikaten Tannenbäumchen, bis ich auf eine Sportmatte kippe.
Vorher jedoch muss ich noch etwas loswerden, das mir länger schon unterm Haaransatz juckt. Als Enkel eines Mönchs und Tochter einer Küchenmaschine kenne ich mich aus mit dem Unflätigen, Unrätigen, dem Moder, der Gaumenpein, kurz, dem, was in der Lage ist, Mägen, Gehirne und Taufbecken zu veröden. Und diese Kenntnis möge mir auch die nächsten hundert Jahre als Quelle unentwegter Expertisen im Bereich des gastronomisch Schrecklichen dienen, also auch für diese Kolumne.
Einer der schofelsten Küchensachverhalte ist die Verwendung von Plastik zur Essenszubereitung. Wasserkocher aus Plastik, Nudelsiebe aus Plastik, Rührlöffel aus Plastik, Backofenschoner aus Plastik werden munter mit heißestem Gebräu in Kontakt gebracht, paradoxerweise umso sorgloser, je reicher der Haushalt.
Unter den Mittellosen weiß man wenigstens, dass es Schmodder ist, den man reinschaufeln muss. Unsere lieben Geldträger aber gebärden sich, wohl aus einem lebensphilosophischen Armutstourismus heraus, als würden sie am liebsten Müll speisen. Da kredenzt ihr schon Alaskahuhn mit Olivensahne und fresst doch den Bodenbelag mit.
Doch was heißt hier überhaupt „würden“? Als ob davon nichts ins Essen käme! Keine klitzekleinen Polymer-Kristalle. Keine Miniwini-Urethansprengsel. Keine zartgiftigen Amid-Anteile.
Plastikpartikel sind die Handystrahlung fürs Essen. Das ist ja auch völlig okay, wir kriegen keine Rente, die Welt geht sowieso unter und Plastik ist einfach das perfekte Produkt dieser Zustände: zum Wegwerfen hergestellt, aber doch unkaputtbar; ein Fossil der Nachkriegsgesellschaft, aber doch immer noch unter uns.
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
Gibt es trotzdem keine eleganteren Weisen, sich selbst zu vergiften? Spülmittel zum Beispiel, von Manufactum oder aus dem taz-Shop; Feuerzeugbenzin als Salatdressing; Schimmel aus dem Jahr 1856; oder halt einfach fix in den Zoo und sich vom nächstbesten Komodowaran ins Bein beißen lassen: Alles ist denkbar.
Eurer Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Bis auf Nervenressourcen vielleicht. Zeit. Platz. Alter. Zustand des Immunsystems. Und so weiter – na ja, also doch ziemlich enge Grenzen. Aber so ist das nun mal. Findelt euch damit ab. (Ja, es heißt abfindeln und nicht abfinden. Findelt euch gefälligst damit ab!)
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