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Einstufung als sichere HerkunftsstaatenNicht für alle Menschen sicher

Der Bundestag wird wohl Georgien und Moldau als „sichere Herkunftsstaaten“ einstufen. Für Rom­n*ja und Queers sind das schlechte Nachrichten.

Tiflis Pride, am 8.7.2023: Ein Gegendemonstrant verbrennt eine Regenbogenfahne Foto: Irakli Gedenidze/reuters

Berlin taz | Der Antiziganismusbeauftragte der Bundesregierung ist unzufrieden. „Ich halte die Einstufung von Moldau als sicheren Herkunftsstaat für einen politischen Fehler“, sagt Mehmet Daimagüler der taz. Genau das aber wird der Deutsche Bundestag aller Voraussicht nach am Donnerstagnachmittag beschließen: Sowohl die Republik Moldau als auch Georgien sollen entsprechend eingestuft werden.

Der Asylantrag von Menschen aus einem sogenannten sicheren Herkunftsstaat wird in der Regel als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt. „Für Roma ist Moldau kein sicheres Herkunftsland“, kritisiert Daimagüler. Schon 2021 habe die von der Bundesregierung eingesetzte Ex­per­t*in­nen­kom­mis­si­on Antiziganismus die Anerkennung der besonderen Schutzbedürftigkeit von Rom­n*ja gefordert. „Und wir praktizieren jetzt das Gegenteil“, sagt Daimagüler.

Auch die Grünen-Abgeordnete Filiz Polat hatte in der ersten Lesung des Gesetzentwurfs im Oktober auf die Lage von Rom­n*ja in Moldau wie auch die unsichere Situation für queere Personen in Georgien aufmerksam gemacht. „Auch deswegen müssen wir eine sorgfältige Beratung in den Ausschüssen vornehmen“, hatte Polat gesagt.

Grüne kritisch, machen aber mit

„Wir sind im parlamentarischen Verfahren zwar angehört worden, die von uns vorgebrachten schwerwiegenden Bedenken zur Lage von LSBTIQ* in Georgien wurden jedoch nicht berücksichtigt“, kritisiert Sarah Ponti vom Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD).

In seiner Stellungnahme hatte der LSVD darauf verwiesen, dass laut Bundesverfassungsgericht nur solche Länder zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt werden dürften, die „landesweit und für alle Personen- und Bevölkerungsgruppen“ sicher seien. Das sei für LSBTIQ*-Personen in Georgien nicht der Fall.

Der Gesetzentwurf ist ein Element einer ganzen Reihe von Restriktionen, mit denen die Ampel in diesen Monaten auf die steigende Anzahl Asylsuchender reagiert. Die Grünen stehen dem Konzept sicherer Herkunftsstaaten traditionell kritisch gegenüber. Beim EU-Beitrittskandidaten Moldau und dem potenziellen Beitrittskandidaten Georgien haben sie sich aber kompromissbereit gezeigt. Die von der Union ebenfalls geforderte Einstufung der Maghreb-Staaten Tunesien, Algerien und Marokko lehnt die Partei hingegen strikt ab.

Schon jetzt kurze Verfahren

In der Praxis wird die Maßnahme wohl Einschnitte für betroffene Geflüchtete haben, an der Gesamtsituation aber wohl wenig ändern. Nur knapp vier Prozent der Erstanträge auf Asyl in diesem Jahr kommen aus Georgien und Moldau.

Die Bundesregierung erkläre, mit der Einstufung die Dauer der Asylverfahren verkürzen zu wollen, sagt die Linken-Abgeordnete Clara Bünger. Das sei „Unsinn“: Schon jetzt dauerten Asylverfahren beim Herkunftsland Moldau im Schnitt nur 2,1 Monate. „Beim seit vielen Jahren als sicher deklarierten Herkunftsland Senegal beträgt die Verfahrensdauer dagegen über ein Jahr“, so Bünger.

Verfahren könne man besser beschleunigen, indem man etwa das zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) personell besser ausstatte. „Dass die Ampel es stattdessen vorzieht, Geflüchtete zu entrechten und zu stigmatisieren, zeigt, dass sie dem gesellschaftlichen Rechtsruck nicht nur nichts entgegensetzt, sondern ihn aktiv mit befördert“, kritisiert Bünger.

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5 Kommentare

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  • Wagenknecht und weitere ex-Linke haben im Bundestag mit AFD und CDU für weitere Verschärfungen des Asylrechts gestimmt:

    Sahra Wagenknecht,



    Ali Al-Dailami



    Klaus Ernst



    Christian Leye



    Amira Mohamed Ali



    Zaklin Nastic und



    Alexander Ulrich



    haben am Donnerstag mit AFD für den Antrag der CDU gestimmt, außer Moldau und Georgien (so der leider beschlossene Antrag der Ampel) zusätzlich auch noch Algerien, Marokko und Tunesien zu sicheren Herkunftsländern zu machen. dserver.bundestag....20/087/2008785.pdf



    Begründung: Der Migrationsdruck müsse gebremst werden.



    Vgl Protokoll Seite und Seite 17364/65 und Seite 17468



    dserver.bundestag.de/btp/20/20137.pdf

  • Ein weiterer Schandfleck für die Bundesrepubik!

    Das Grundrecht auf Asyl ist ja ohnehin schon zu einer unsäglichen Farce verkommen aber wie man sieht: Schlimmer geht immer.

  • Sobald Rechtsextreme das Sagen haben, ist man in keinem Land mehr sicher.

    ,,Laut Shota Kincha, einer Forscherin des in Tbilisi ansässigen Human Rights Education and Monitoring Centers, werden Veganer und andere Menschen mit "alternativen Lifestyles" von Rechtsextremen oftmals mit Homosexuellen und Immigranten in einen Topf geworfen."

    www.vice.com/de/ar...aurant-angegriffen

    ,,Der Angriff passt dabei genau ins Bild der immer größer werdenden Sorgen bezüglich der Rechtsextremen in Georgien."

    Das Konstrukt ,,sicheres Herkunfsland" gehört daher abgeschafft. Es dient nur der Hetze, Spaltung und Selbstdarstellung.

    Es gibt keinen sicheren Ort. Nirgends.

    Deshalb muss das Grundrecht auf Asyl hochgehalten werden, in Deutschland und in der EU. Allein schon weil niemand sicher sein kann, es nicht selbst mal zu benötigen, auch ein Herr Linnemann nicht.

    Die ,,Neuregelung" in Deutschland 1993 war ein Fehler und gab und gibt den Rechtsextremisten und Rechsextremistinnen Auftrieb. Das weiß Herr Steinmeier und gießt trotzdem Öl ins Feuer. Man fühlt sich von ,,Biedermann und den Brandstiftern" regiert.

    Als freiheitsliebende oder grüne Partei kann man bei dieser ,,Liste" nicht weiter anknüpfen, es sei denn man lässt sich gerne von anderen vor sich hertreiben.

  • Furchtbar. Wie kommen wir da wieder heraus?