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Einfluss von FinanzlobbyistenBanken bekommen, was sie wollen

Eine Untersuchung zeigt den Einfluss von Finanzlobbyisten auf die Politik. Verbraucherorganisationen können nicht mithalten.

Bankmetropole: City von Frankfurt am Main Foto: Karl-Heinz Spremberg/imago

Berlin taz | Bereiten die Abgeordneten des Bundestages Gesetze vor, lassen sie sich von Fachleuten und Interessenvertreter:innen beraten. Welchen Einfluss diese ausüben, kann man meist nur vermuten, denn Veröffentlichungspflichten fehlen bisher weitgehend. Einen detaillierten Überblick zum Lobbyismus durch Verbände der Finanzwirtschaft hat nun die Organisation Finanzwende vorgelegt. „Wenn die Interessen weniger so überrepräsentiert sind, dann stellt dies eine immense Gefahr für unsere demokratische Gesellschaft dar“, erklärte Finanzwende-Vorstand Gerhard Schick am Mittwoch.

Laut der Studie „Ungleiches Terrain“ beschäftigen Verbände und Unternehmen der Finanzbranche – Banken, Versicherungen, Vermögensverwalter, Makler und andere – mindestens 1.500 Personen, die sich um politische Einflussnahme in erster Linie auf die Bundespolitik kümmern. Das jährliche Budget dieser Organisationen betrage mindestens 200 Millionen Euro, wobei alleine der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) etwa 60 Millionen Euro pro Jahr aufwende, sagte Schick.

Dabei handele es sich um eine vorsichtige Schätzung eher am unteren Rand. Finanzwende hat „knapp 290 Organisationen“ ausgemacht, „die in Deutschland an einer industriefreundlichen Finanzmarktpolitik arbeiten“. Die meisten würden nur bruchstückhafte Informationen über ihre Mittel, die Anzahl der Mit­arbeiter:innen und genaue Tätigkeiten mitteilen. Die Rechercheure von Finanzwende haben sich geholfen, indem sie die zur Verfügung stehenden Personalzahlen mit 120.000 Euro pro Kopf für Gehalt und sonstige Ausgaben multiplizierten. So kamen sie auf die Größenordnung von 200 Millionen Euro pro Jahr. „Vermutlich ist es aber viel mehr“, so Schick.

Er und seine Leute haben 33 Gesetzgebungsverfahren zwischen 2014 und 2020 untersucht. Dabei intervenierten die Vertreter:innen der Finanzwirtschaft in 378 Fällen. Dagegen seien Organisationen der Zivilgesellschaft, etwa Verbraucherverbände, nur auf 41 Lobbykontakte gekommen, so Finanzwende. Das Verhältnis zugunsten der Unternehmen betrage 9 zu 1. „Die Interessen der Bürgerinnen und Bürger werden in der Finanzmarktpolitik vernachlässigt“, resümierte Schick. Wie viel Geld und Personal die Nichtregierungsorganisationen dem Finanzsektor entgegensetzen können, wurde nicht untersucht.

Forderung nach Lobbyregister

Finanzwende versteht sich als gemeinnützige Kontrollinstanz im Interesse der Allgemeinheit. Gründer Schick war zuvor Abgeordneter im Bundestag, unter anderem als finanzpolitischer Sprecher der Grünen. Mit der Studie beklagt er mittelbar auch mangelnden eigenen Einfluss.

Als Beispiel für die Durchschlagskraft der Finanzlobby wurde der Cum-Ex-Skandal genannt. Durch falsche Beratung des Bundesfinanzministeriums habe der Bundesverband Deutscher Banken (BdB) eine milliardenteure Steuerhinterziehung zulasten des Staates erst ermöglicht, lautet der Vorwurf von Finanzwende. Auch die Riesterrente diene vor allem den Unternehmen.

Zur Kritik am Lobbyismus des Versicherungsverbandes GDV sagte dessen Geschäftsführer Jörg Asmussen: „Interessenvertretung ist legal und legitim, muss aber transparent sein.“ Deshalb plädiere man grundsätzlich für die Einführung eines Lobbyregisters. „Das muss dann aber für alle gelten, also etwa auch Anwälte und PR-Agenturen“, so Asmussen, der früher als Staatssekretär im Bundesfinanzministerium tätig war.

Gerhard Schick leitete aus der Studie ebenfalls die Forderung nach einem Lobbyregister ab, wie es auf europäischer Ebene bereits existiert. Union und SPD haben sich auf diese Regelung zur Veröffentlichung von Lobbyaktivitäten grundsätzlich geeinigt, können sich aber über Einzelheiten nicht verständigen.

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2 Kommentare

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  • Bringt ein Lobbyregister denn sooo viel oder bedarf es anderer/weiterer Mittel? In den USA gibt es m.W. ein Lobbyregister, dennoch ist dort der große Einfluss der Finanz- und Industrie-Lobby bedenklich.

    • @vøid:

      Ich hab da auch meine Zweifel am Nutzen, aber schaden wird es vmtl auch nicht. Ja, zumindest für Lobbyisten im US Congress gilt soweit ich weis eine Registrierungpflicht. Wobei in den USA ja Bestechung praktisch legalisiert ist, da bringt ein Lobbyregister dann natürlich auch nichts mehr.



      Ich schweife jetzt ab: Interessant ist wie der Ansatz für mehr Transparenz zu sorgen vom Kapital genutzt wurde. Es gab in den USA den Legislative Reorganisation Act of 1970, der dafür sorgte, dass das Abstimmungsverhalten der Abgeordneten in Ausschutzsitzungen einsehbar wurden. Dafür hatten unter anderem Bürgerrechtler gekämpft (die es leid waren sich Sonntagsreden anzuhören und dann nichts passiert). Heute gibt es nicht wenige, die der Ansicht sind, dass derartige Informationen kaum eine Rolle für die Wahlentscheidung der Bürger spielen (Totalversagen der Medien), aber die Konzerne und deren Lobbyorganisationen dadurch direkt kontrollieren können ob die geschmierten Politiker auch genau das machen was man erwartet.

      Hat nur am Rande was mit Thema zu tun, aber es ist doch interessant wie das Kapital es immer wieder schafft zu profitieren, auch wenn der eigentliche Zweck ein ganz anderer war...

      P.S.: Damit will ich nicht sagen man sollte das Abstimmungsverhalten nicht dokumentieren, nur zeigen wie krank unsere Systeme leider sind und was für ein Witz die Kontrollfunktion der Medien in der Praxis ist.