Ein Jahr Deutschlandticket: Revolution? Schön wär’s!
Das Ticket selbst ist ein Grund zum Feiern. Für einen Erfolg in Sachen Transformation reicht es allein nicht. Dazu ist der ÖPNV zu dürftig ausgebaut.
A m 1. Mai feiert das Deutschlandticket einjähriges Jubiläum – und Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) überschlägt sich vor Lob: „Ein echter Fortschritt“ sei das 49-Euro-Ticket, „einfach, digital“, „innovativ, eine wahre Revolution für den ÖPNV“. Wirklich, eine Revolution? Dass es das Ticket gibt, ist tatsächlich ein Grund zum Feiern.
Ein Abo, das in ganz Deutschland im Nahverkehr gilt, das mit 49 Euro günstiger ist als die meisten anderen Monatsabos, das insgesamt 11,2 Millionen Leute, davon rund 900.000 Neukund:innen, begeistern konnte – das ist schon ein Erfolg. Das Problem ist nur: So sehr Wissing das Ticket feiert, so wenig will er dafür bezahlen. Es steht immer noch nicht fest, wie lange der Preis bei 49 Euro bleiben kann.
Bund und Länder geben pro Jahr je 1,5 Milliarden Euro – doch den Verkehrsbetrieben reicht das nicht, das Deutschlandticket treibt ihre Kosten nach oben. Deshalb steht eine Preiserhöhung ab 2025 im Raum. Schlimmer noch: Einige Betriebe in der Branche denken darüber nach, das Angebot an Bussen und Bahnen einzustampfen, um zu sparen. Dabei ist genau der schlecht ausgebaute ÖPNV für viele der Grund dafür, dass sie das Ticket eben doch nicht kaufen.
Wo weder Bahn noch Bus fährt, meist auf dem Land, lohnen sich 49 Euro im Monat für ein Abo kaum – selbst wenn der Unterhalt ihres Autos mehr kostet. Trotz des Deutschlandtickets wurde 2023 bundesweit mehr Auto gefahren als im Vorjahr. Organisationen fordern unermüdlich ein bundesweit gültiges Sozialticket für 29 Euro.
Berliner Alleingang
Doch auch das war in der Politik schon lange nicht mehr Thema. Berlin startete kürzlich einen Alleingang, der Senat rief ein innerstädtisch gültiges Monatsabo für 29 Euro aus – und setzte damit die Einheitlichkeit des Deutschlandtickets aufs Spiel. Wenn das 49-Euro-Ticket eine wirkliche Revolution im Nahverkehr auslösen soll, muss das Angebot besser werden. Wissing muss bereit sein, dafür zu zahlen – auch für den Ausbau des ÖPNV, auch dort fließt zu wenig Geld.
Sonst wird immer wieder nur diskutiert, wie lange das 49-Euro-Ticket überleben kann. Und viel zu selten darüber, wie Ticket und Nahverkehr besser werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Sensationsfund Säbelzahntiger-Baby
Tiefkühlkatze aufgetaut