EU will aufrüsten: Das Schulden-Tabu wackelt
Die EU gibt so viel für Rüstungsgüter aus wie nie – und EU-Ratspräsident Charles Michel fordert mehr. Dabei schaut er auf die Sicherheit der Ukraine.
Bisher ist Rüstung in Europa vor allem eine nationale Angelegenheit. Die EU hat zwar eine Verteidigungsagentur namens „European Defence Agency“ (EDA), doch die ist vor allem koordinierend tätig. Die 2017 beschlossene Europäische Sicherheits- und Verteidigungsunion besteht vor allem auf dem Papier. Michel und von der Leyen wollen dies nun ändern – der Krieg in der Ukraine dient als Aufhänger.
„Der Krieg steht vor unsere Türpforte, nun ist Eile geboten“, sagte Michel bei der EDA-Jahreskonferenz. Seit dem Beginn der russischen Invasion habe die EU – die früher eine Friedensunion sein wollte – zwar bereits Tabus gebrochen und etwa für Waffen- und Munitionslieferungen in der Ukraine gesorgt. Doch das reiche nicht. Die Militärhilfe müsse „feuerfest“ gemacht werden.
„Die Sicherheit der Ukraine ist unsere Sicherheit“, betonte Michel. Die EU brauche mehr Raketen, mehr Munition, mehr Luftverteidigung, sagte er offenbar in Sorge vor einem möglichen Rückzug der USA. Dazu müssten nicht nur aktuelle EU-Programme ausgebaut, sondern auch neue Strukturen geschaffen werden. So soll die EDA zum „European Defence Department“ ausgebaut werden, unter der Führung des EU-Außenbeauftragten.
Rekord bei EU-Rüstungsausgaben
Außerdem brauche es einen gemeinsamen Rüstungsmarkt und eine großzügigere Finanzierung von Rüstungsprojekten. Diese könne auch über „Europäische Verteidigungsanleihen“ erfolgen – also durch Neuverschuldung. Soll die EU am Ende vielleicht sogar Kriegsanleihen für die Ukraine begeben? So weit will Michel nicht gehen. Aber man brauche mehr Geld, um die „technologische Basis“ zu stärken. Daher rüttelt er auch am Schulden-Tabu.
Den Fokus auf die Ukraine legte von der Leyen. „Unsere Strategie kann nur vollständig sein, wenn sie auch die Bedürfnisse der Ukraine und ihre industriellen Kapazitäten berücksichtigt“, sagte sie. Die Ukraine sollte auch in die EU-Verteidigungsprogramme integriert werden, um den Anforderungen des Landes im Krieg gegen die russischen Invasionstruppen gerecht zu werden.
Der Krieg in Osteuropa hat zu einer rasanten Aufrüstung geführt. Die Militärausgaben der 27 EU-Staaten haben im vergangenen Jahr mit 240 Milliarden Euro eine Rekordhöhe erreicht. Im Vergleich zum Vorjahr seien die Ausgaben um sechs Prozent gestiegen, heißt es im Jahresbericht, den die EDA in Brüssel vorlegte. Deutschland erhöhte seine Verteidigungsausgaben demnach um 5,4 Prozent.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bundestag bewilligt Rüstungsprojekte
Fürs Militär ist Kohle da
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Kürzungen im Berliner Haushalt
Kultur vor dem Aus
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht räumt Irrtum vor russischem Angriff ein
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren