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EU-China-GipfelEuropas geopolitisches Erwachen

Der erste EU-China-Gipfel hat kaum substanzielle Ergebnisse hervorgebracht. Doch er hat den Blick auf die gegenseitigen Fronten offengelegt.

Ernste Gesichter: Die EU-Spitzen von der Leyen und Michel beim virtuellen EU-China-Gipfel Foto: Olivier Matthys/ap

Peking/Brüssel taz | Noch während Xi Jinping sein Videogespräch mit Vertretern der Europäischen Union führt, schicken seine Regierungsvertreter bereits eine erste Aussendung an die Presse. „Wir hoffen, dass die europäische Seite eine autonome Politik beibehält“, heißt es darin. Die Aussage bringt auf den Punkt, was die Volksrepublik am stärksten fürchtet: Dass Brüssel und Washington den Schulterschluss suchen und künftig geeint auftreten.

Der erste EU-China-Gipfel seit zwei Jahren findet zu einem Zeitpunkt zunehmender Polarisierung statt. Innerhalb Europas haben die Ereignisse der letzten Wochen zu einem geopolitischen Erwachen geführt. In Bezug auf China hat sich die Erkenntnis weitgehend durchgesetzt, dass das Land nicht nur ein Wirtschaftspartner, sondern auch eine sicherheitspolitische Herausforderung ist.

Der Gipfel wurde – wie zu erwarten – vom Ukraine-Krieg dominiert. Zu diesem Thema ist die EU auf Konfrontationskurs gegangen: Die EU-Spitze drohte mit einem erheblichen „Reputationsschaden“, falls China die westlichen Sanktionen gegen Russland unterlaufen sollte. Sie folgt damit der harten amerikanischen Linie.

US-Präsident Joe Biden hatte China bereits Mitte März mit „Konsequenzen“ gedroht, falls es sich im Ukraine-Krieg auf die Seite Russlands schlagen und westliche Sanktionen unterlaufen sollte. Bei seinem Brüssel-Besuch vor einer Woche drängte Biden die Europäer, es ihm gleichzutun. Sein Appell wurde scheinbar erhört.

Von der Leyen: EU stärkerer Handelspartner als Russland

Das Unterlaufen der Sanktionen könne auch die beiderseitigen Geschäftsbeziehungen belasten, warnte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen. Die EU machte deutlich, dass eine direkte – möglicherweise militärische – Unterstützung Russlands Kosten für das Land haben würde. „Es ist sehr klar, das China die Sanktionen nicht durchkreuzen darf, wenn es sie schon nicht mitträgt“, sagte von der Leyen.

Dann rechnete sie vor, dass Peking ein größeres Interesse an guten Beziehungen zur EU haben müsse als zu Russland. So belaufe sich das Handelsvolumen mit der EU täglich auf 2 Milliarden Euro, mit Russland hingegen nur auf 330 Millionen.

Hoffnungen darauf, dass die chinesische Regierung Wladimir Putin zum Einlenken bringen könnte, wurden bereits im Vorfeld zunichte gemacht. „Niemand sollte andere zwingen, sich für eine Seite zu entscheiden“, sagte Außenamtssprecher Zhao Lijian am Freitag nur wenige Stunden vor dem EU-China-Gipfel. „Das Problem ist nicht, wer Russland helfen will die Sanktionen zu umgehen, sondern die Tatsache, dass der normale Handel zwischen Ländern, einschließlich China, mit Russland unnötig geschädigt wird“, so Zhao weiter.

Das Festhalten am russischen Narrativ setzte sich auch im Laufe des Tages fort, als Chinas Premier Li Keqiang per Videoschalte auf Kommissionspräsidentin von der Leyen und EU-Ratspräsident Charles Michel traf. Die erste Aussendung der chinesischen Regierung war allein in ihrer Sprachwahl entlarvend. Zur russischen Invasion heißt es etwa: „Die EU hat ihre Ansichten und Positionen zur derzeitigen Situation in der Ukraine dargelegt“. Es bleibt die Frage, wie China bei der Lösung eines Krieges mithelfen kann, den es wohl nicht als solchen anerkennt.

Doch zumindest rhetorisch hat sich Peking etwas zurückgenommen. Keine Rede war mehr davon, dass vor allem die Nato schuld an der Eskalation trage, und dass man Russlands „legitime Sicherheitsinteressen“ berücksichtigen müsse. Stattdessen wolle man „eine konstruktive Rolle spielen, um die Lage zu entspannen, die Feindseligkeiten einzustellen, eine größere humanitäre Katastrophe zu verhindern und den Frieden bald zurückkehren zu lassen“.

Chinesische Wortführer sehen EU als US-Marionette

Von der Leyen und Michel geben sich kämpferisch: „Es ist klar, dass der russische Einmarsch in die Ukraine nicht nur ein entscheidender Moment ist für unseren Kontinent, sondern auch für unser Verhältnis zum Rest der Welt ist“, sagte von der Leyen. Dies müsse China verstehen und sein Verhalten ändern. Der Ukraine-Krieg könnte somit als Katalysator für Europas Re-Evaluierung seiner China-Strategie dienen – wenn auch anders, als es sich Xi Jinping wünschen würde.

„Wir haben China aufgefordert, einen Beitrag zum Ende des Krieges in der Ukraine zu leisten“, betonte Michel. Mit Strafmaßnahmen bei einem Unterlaufen der Sanktionen drohten die EU-Chefs zwar nicht. Doch es war ihnen anzumerken, wie ernst sie es meinen – und wie sehr sie bei Xi auf Granit beißen.

Denn von Worten sollte man sich nicht blenden lassen. Die chinesische Regierung passt ihre Aussagen stark an den jeweiligen Adressaten an. Noch am Mittwoch wurde etwa der in die chinesische Provinz Anhui eingeflogene russische Außenminister Sergei Lawrow als Ehrengast hofiert. Die bilateralen Beziehungen zwischen Russland und China würden sich „in die richtige Richtung entwickeln“, ließ man ausrichten.

Auf sozialen Medien tragen sowohl Chinas Diplomaten als auch Staatsjournalisten stolz ihren Nationalismus nach außen. Sie publizierten Karikaturen, die Europa als Marionette der USA darstellen, teils auch mit antisemitischen Anleihen. „Die EU sollte all ihre Taten der letzten Monate reflektieren“, mahnt Chen Weihua, Brüssel-Korrespondent der Parteizeitung „China Daily“ auf Twitter.

Konflikte auch um Hongkong und Taiwan

Gestritten wurde auch wegen Hongkong, Taiwan und Litauen. Der baltische Staat hatte sich an Taiwan angenähert und war deshalb von China mit einem Handelsboykott abgestraft worden. Die EU hat den Fall nun vor die Welthandelsorganisation WTO getragen. So etwas dürfte sich nicht wiederholen, warnte von der Leyen nach dem Gipfel. Der Handel müsse ausgewogener und fairer werden.

Die Coronakrise spielte dagegen nur eine Nebenrolle. Während die chinesische Metropole Shanghai von einer schweren Omikron-Welle heimgesucht wird, die die gesamte Weltwirtschaft erzittern lässt, rechnete von der Leyen vor, wie viel Impfstoff die EU in alle Welt exportiert. Zudem bot sie an, mit Biontech-Impfstoff auszuhelfen. In Xis Ohren könnte das wie Hohn geklungen haben.

Ermutigend ist zumindest, dass sowohl die EU als auch China darin übereinstimmten, ihre Zusammenarbeit beim Klimawandel auszubauen. Doch wie dies in einer zunehmend aufgeladenen Stimmung passieren soll, bleibt offen.

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6 Kommentare

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  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    ""Mit Strafmaßnahmen bei einem Unterlaufen der Sanktionen drohten die EU-Chefs zwar nicht.""



    ==



    Trotz russischer Agression gegen die Krim, Luhansk und Donezk 2014, trotz ungezählter Cyberangriffe Russlands, trotz unverminderter Hetze in den russischen Medien, trotz Nowichok Anschlägen in UK und in Russland und trotz Verleugnung des russischen Tiergartenmords kamen die Sanktionen gegen Rußland erst als es zu spät war.

    Diesen eindeutigen Kardinalfehler, durch Handel den Krieg Putins erst ermöglicht zu haben, eine Fehleinschätzung für den sich alle Parteien, auch die Linke, entschuldigen sollten, möge bitte die Bundesrepublik und die EU gegenüber China nicht wiederholen.

    Russland hat den Handel missbraucht um einen agressiven imperialistischen Krieg vorzubereiten und zu beginnen.

    Die EU sollte in die Offensive gehen. China exportiert in die EU doppelt so viel wie China aus der EU importiert. Es sollte also nicht so schwer fallen möglichen Handel mit eindeutigen politischen Forderungen zu verknüpfen.

    Jetzt ist die Zeit, die Firmen auf diese neue Politik einzustimmen, politische und wirtschaftliche Vorbereitungen zu treffen und neue Handels - Partnern zu verpflichten bevor es mal wieder zu spät ist.

  • Von der Leyen und Michel geben sich kämpferisch: „Es ist klar, dass der russische Einmarsch in die Ukraine nicht nur ein entscheidender Moment ist für unseren Kontinent, sondern auch für unser Verhältnis zum Rest der Welt ist“, sagte von der Leyen. "Ihr Kontinent"? Und China ist "der Rest der Welt"? So sieht "geopolitisches Erwachen" aus? Was werden die chinesischen Diplomaten auf die Forderungen dieser Kontinent-Besitzer geantwortet haben, außer "darüber sollten wir noch mal reden".

  • Wenn wir jetzt unser Heil zwischen den Blöcken suchen, muss sich der einfache Mensch hierzulande schon fragen dürfen: Was hat uns die Globalisiererei gebracht ? Ja, es ist eine unglaubliche Leistung, so vielen Chinesen eine Perspektive, Arbeit und Überleben gegeben zu haben. Auch wenn das zeitweise auf die umweltpoilitisch grausamste Weise, wie sie hierzulande nie geduldet worden wäre, kapitalistisch eben, organisiert wurde. Heute stellen wir fest: Arbeit in Mitteleuropa ist für die Globalisierer zu teuer geworden. Aber es bleibt ja noch ein verbrieftes Recht an Eigentum, Profit und die freie Nutzung von Patenten, die Ausbeutung der Wissenschaft, die Europa so attraktiv macht. Nur kosten darf es nichts, das ist im Profit nicht eingepreist. Ärgerlich, dass die Chinesen anfangen, selber zu handeln und zu denken, wo bleibt der freie Welthandel, der doch für Globalisten so profitträchtig war ? Deutschland, Deutschland unter anderen.

  • "EU warnt China vor Unterstützung Russlands"

    Im Osten nichts neues - unveränderte Haltung Chinas > Global Times:

    Xi calls on EU to form independent China policy, encourages bloc to take primary role for Ukraine resolution



    ...



    To prevent a regional conflict from spreading also shows that the West should not just impose sanctions but to cut their losses, Wang said, warning that too many sanctions may result in economic stagnation, inflation and even a debt crisis for Europe.

    Hours before the China-EU leaders' meetings on Friday, Chinese analysts warned that China-EU relations cannot be kidnapped by the Ukraine crisis, and Europe should no longer be abducted by the US in foreign policy, as it will greatly undermine the EU's own interests, making it difficult to ensure economic recovery and people's livelihood, and runs counter to Europe's aim of pursuing strategic independence.

    www.globaltimes.cn...2204/1257426.shtml

  • Weg von China! Schluss mit dem süßen Gift der einfachen Exporte!



    Auf kurz oder lang müssen wir China ohnehin ähnlich wie Russland sanktionieren.

    • @Sebastian1341:

      Unsere Vorstände und Firmen-Besitzer sind doch in einem China Taumel... da werden je nach Industrie 30-50% der Umsätze gemacht. Das ist wie Heroin. Die bekommt man freiwillig nie davon weg... und wenn es den Rest des Landes ins Verderben führt.