Gespräch zwischen Peking und Washington: Xi warnt Biden

Die Staatschefs Chinas und der USA telefonieren mehr als zwei Stunden miteinander. Beide wollen Spannungen abbauen – und zugleich Stärke zeigen.

Ein nachdenklicher Joe Biden schaut auf einen Bildschirm mit dem Bild von Xi Jinping.

Joe Biden bei einem Videotelefonat mit Xi Jinping im letzten November im Weißen Haus Foto: Jonathan Ernst/Reuters

SEOUL taz | Stolze zwei Stunden und 17 Minuten haben die Staatschefs Chinas und der USA am Donnerstagabend miteinander gesprochen. Allein die Dauer des Telefonats zwischen Xi Jinping und Joe Biden ist angesichts der bilateralen Spannungen ein beruhigendes Zeichen. Doch inhaltlich ließ Chinas Parteichef keinen Zweifel daran, dass er sich bei den zentralen Streitthemen keinen Zentimeter bewegt: „Diejenigen, die mit dem Feuer spielen, werden nur verbrannt. Wir hoffen, dass die US-Seite dies klar sehen kann“, sagte der 69-Jährige im Hinblick auf den potenziellen Taiwan-Besuch von Nancy Pelosi, der das Gespräch dominierte.

Die Reise der Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses, die das drittwichtigste politische Amt der USA bekleidet, wäre der höchstrangige US-Besuch in dem demokratisch regierten Inselstaat seit über einem Vierteljahrhundert.

Der Zorn der chinesischen Führung, die Taiwan als „abtrünnige Provinz“ sieht, geht deutlich über das übliche rhetorische Geplänkel hinaus. Pekings Drohungen waren schon letzte Woche derart bedrohlich, dass selbst das US-Militär Pelosis Reisepläne als „derzeit keine gute Idee“ einstufte. In Chinas Staatsmedien war offen dazu aufgerufen worden, das Flugzeug der US-Demokratin von der Volksbefreiungsarmee „evakuieren“ zu lassen oder gar eine Flugverbotszone um Taiwan zu verhängen.

Biden versuchte nun gegenüber Xi zu beschwichtigen: China und Amerika hätten es demnach seit vierzig Jahren bereits geschafft, mit den „Differenzen“ über den Status von Taiwan umzugehen. Man halte auch weiterhin an der „Ein-China-Politik“ fest. Das Außenministerium in Taipeh ließ sich hingegen weniger von Xis „Feuer-Drohung“ einschüchtern und erklärte am Freitag, man wolle die Partnerschaft mit den USA weiter vertiefen.

Biden sprach russischen Krieg in der Ukraine an

Beide Staatschefs stehen innenpolitisch unter Druck, Stärke nach außen zu demonstrieren. Das gilt insbesondere für Xi, der im Herbst beim 20. Parteikongress als erster chinesischer Staatschef seit Mao Tsetung seine umstrittene dritte Amtszeit ausrufen will – ausgerechnet, während Chinas Wirtschaft wegen der Null-Covid-Politik und einer sich zuspitzenden Immobilienkrise nahezu stillsteht.

Doch gleichzeitig haben Biden und Xi angesichts der zuletzt alarmierenden Spannungen auch starke Anreize, die Eskalationsspirale zurückzudrehen. Laut einer ersten Erklärung des Weißen Hauses sprach der US-Präsident auch den Krieg in der Ukraine an und erhöhte den Druck auf Peking, seinen Einfluss auf Russland für eine Friedenslösung geltend zu machen.

Xis unverhohlene Loyalität gegenüber seinem langjährigen Freund Putin ist für den Westen eine bittere Enttäuschung. Doch auch wenn der Krieg in der Ukraine gegen sämtliche außenpolitische Prinzipien der KP Chinas verstößt, wiegt doch deren strategisches Interesse deutlich stärker. Und das liegt klar bei Russland, das man im systemischen Kampf mit dem Westen langfristig braucht – als Energielieferant, atomfähigen Handelspartner und nicht zuletzt als diplomatischen Freund bei den Vereinten Nationen.

Denn in Peking hat sich längst die Überzeugung festgesetzt, dass die USA Chinas wirtschaftlichen Aufstieg an die Weltspitze zu verhindern versuchen. Jede diplomatische Mühe gegenüber Washington ist dann vergebens. Vielmehr setzt die Parteiführung inzwischen vor allem auf eine Sprache von Macht und Einschüchterung.

Peking wertet Bidens Politik als konfrontativ

Schon während der Ära Obama haben die bilateralen Beziehungen zu ihrer anhaltenden Talfahrt angesetzt. Doch mit Donald Trumps offen feindlicher Rhetorik und dem zugleich immer selbstbewusster auftretenden Xi ist der wohl entscheidende geopolitische Konflikt des 21. Jahrhunderts immer offener zutage getreten.

Biden mag einen bedachteren Tonfall haben, doch setzt er den konfrontativen Kurs fort. Die Liste an Streitthemen wächst weiter an – vom Handelskrieg über Taiwan bis zu Chinas Menschenrechtsverbrechen in der muslimischen Region Xinjiang. Diese soll Biden gegenüber Xi auch angesprochen haben, was von China wie zu erwarten nicht erwähnt wurde.

Doch bei aller Kritik sind sich auch die USA bewusst, dass sie bei einigen Bereichen auf die Kooperation mit China angewiesen sind. Der Kampf gegen die globale Klimakrise etwa kann nur gemeinsam mit jenem Land ausgefochten werden, das am meisten CO2 verbraucht, aber auch weltweit am stärksten in erneuerbare Energien investiert.

Angesichts der hochkomplexen Beziehungen ist es umso wichtiger, dass die Kommunikation zwischen den zwei Weltmächten erhalten bleibt. Zuletzt trafen sich im Juli die Außenminister Anthony Blinken und Wang Yi in Bali, im Vormonat sprachen Sicherheitsberater Jake Sullivan sowie Chinas Spitzendiplomat Yang Jiechi in Luxemburg. Die Gespräche, heißt es in diplomatischen Kreisen, sollen überraschend konstruktiv gewesen sein. Das Telefonat zwischen Biden und Xi dürfte jetzt hingegen eher unter die Kategorie „Schadensbegrenzung“ fallen.

Doch in Washingtoner Denkfabriken wird bereits zaghaft darüber spekuliert, dass die zwei im November endlich auch einmal persönlich zusammenkommen könnten, um ihre Differenzen bei einem gemeinsamen Essen zu klären – entweder am Rande des G-20-Treffens in Bali oder beim Treffen der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (Apec) in Bangkok. Für Chinas Staatschef wäre es die erste Auslandsreise überhaupt seit der Pandemie.

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