Dramatische Coronalage in Sachsen: Kaum Verständnis für neue Regeln
In Sachsen wütet die Coronapandemie weiter. In Hotspot-Regionen müssen nun Restaurants und Cafés schließen. Viele Inhaber:innen sind sauer.
Betroffen von der neuen Hotspot-Regel sind aktuell zwei der 13 sächsischen Landkreise und kreisfreien Städte: In Meißen, dem Landkreis mit der höchsten 7-Tage-Inzidenz Deutschlands, beträgt der Wert am Dienstag 2.897, im Landkreis Mittelsachsen 1.684. In vier weiteren Landkreisen liegt die Inzidenz über 1.000, aber noch unter 1.500.
Wie geht es den betroffenen Gastronom*innen mit der neuen Maßnahme?
„Schlecht“, sagt die Inhaberin des Wirtshauses Grüner Humpen zu Meissen, das inmitten der Altstadt Meißens liegt. Die neue Regelung verärgere sie, die Gastronomin sagt aber auch: „2G-plus wäre noch schlimmer für uns.“ Lieber schließe sie ihr Restaurant, als noch mehr Umsatz einzubüßen. Aufgrund der aktuellen 2G-Regel, die in Sachsen seit dem 9. November in Restaurants und Cafés gilt, habe sie deutlich weniger Gäste als sonst.
Empfohlener externer Inhalt
„Wir kommen schon jetzt nicht mehr über die Runden“, sagt die Grüner-Humpen-Inhaberin und erzählt, dass alle 15 Weihnachtsfeiern abgesagt worden seien. „In jeder Gruppe waren zwei oder drei Ungeimpfte dabei.“
Auch Frank Handrick, dem die Weinstube Bauernhäusl in Meißen gehört, empfange seit Inkrafttreten der 2G-Regel kaum noch Gäste, auch bei ihm seien alle Weihnachtsfeiern aufgrund von Ungeimpften in der Familie oder im Freundeskreis abgesagt worden. Dass er sein Restaurant ab Montag vermutlich schließen muss, findet der Wirt dennoch „beschissen“. Er zweifle daran, dass die Regeln etwas bringen.
Dass die Infektionszahlen bedeutend sinken werden, nur weil die Gastronomie schließt, glaubt auch der Geschäftsführer vom Ratskeller Meißen, Karsten Müller, nicht. Wegen der 2G-Regel und der verkürzten Öffnungszeiten würden derzeit ohnehin nur noch wenig Leute ins Restaurant gehen. Außerdem hätten viele Gastronom*innen Luftfilteranlagen installiert oder Plexiglasscheiben zwischen den Tischen aufgestellt. Müller befürchtet, dass sich durch die Schließung der Restaurants mehr Menschen zu Hause treffen würden, was die Infektionszahlen wiederum nach oben treiben könnte.
Der Inhaber vom Schnitzelhaus in Riesa, einer Stadt im Landkreis Meißen, beschreibt die neue Regelung als „desaströs und unverhältnismäßig“. Er habe kein Verständnis dafür, dass die Corona-Maßnahmen in Hotspot-Regionen verschärft werden und die Gastronomie dort dicht machen soll. Die Schließung bedeute einen „immensen“ Umsatzausfall sowie einen „hohen“ Warenverlust.
In Mittelsachsen, dem zweiten Landkreis mit einer Inzidenz über 1.500, ist die Stimmung ähnlich. René Zetzsch hat „null Verständis“ für die neue Regelung. Ihm gehört die Gaststätte Pfeffersack in der Universitätsstadt Freiberg, die zwischen Chemnitz und Dresden liegt. Statt die Gastronomie dicht zu machen, sagt Zetzsch, wäre es sinnvoller, die Schulen zu schließen oder zumindest wieder den Wechselunterricht einzuführen, da die Inzidenzen bei Kindern und Jugendlichen am höchsten seien.
Anders als die meistens Gastronom*innen, mit der die taz gesprochen hat, ist die Inhaberin vom Freiberger Restaurant Goldenes Prag froh über die Hotspot-Regel. Aufgrund der 2G-Regel habe sie 95 Prozent weniger Einnahmen. Für sie sei es daher besser, wenn sie ihr Restaurant schließen muss und finanzielle Unterstützung vom Staat bekommt. Dass die Schließung der Gastronomie zu weniger Infektionen führt, glaubt die Wirtin nicht. „Am besten wäre ein richtiger Lockdown“, sagt sie.
Empfohlener externer Inhalt
Das Bundesfinanz- und das Bundeswirtschaftsministerium haben sich vorigen Donnerstag darauf geeinigt, dass die Corona- Wirtschaftshilfen bis Ende März 2022 verlängert werden.
Neben der Hotspot-Regelung für die Gastronomie sieht Sachsens neue Corona-Notfallverordnung Regeln für private Feiern und für Silvester vor. An privaten Feiern und Treffen von Geimpften und Genesenen sollen maximal 50 Personen teilnehmen dürfen. Für Silvester und Neujahr ist ein Feuerwerksverbot auf bestimmten Plätzen sowie ein Ansammlungsverbot geplant.
Die Beschränkungen der derzeit geltenden Coronaverordnung sollen beibehalten werden. Kneipen, Kinos, Theater, Museen, Bäder und Weihnachtsmärkte bleiben in Sachsen also in den kommenden Wochen geschlossen. Auch die Ausgangssperre für Ungeimpfte nach 22 Uhr in Regionen mit einer 7-Tage-Inzidenz von mehr als 1.000 soll weiterhin gelten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen