Doku über schwarze Fußballprofis: Der unerreichbare Adler
Die Doku „Schwarze Adler“ erzählt Geschichten schwarzer Fußballprofis in Deutschland. Und zeigt, wie wenig sich nach fast 50 Jahren getan hat.
Fußball ist ein Versprechen, so wie Demokratie: Alle sollen gleiche Chancen bekommen, alle sollen teilhaben, niemand soll benachteiligt werden. Je mehr Hoffnung man in diesen Anspruch setzt, desto größer ist die Enttäuschung, wenn die Versprechen nicht eingehalten werden. In der Dokumentation „Schwarze Adler“ von Regisseur Thorsten Körner erzählen aktuelle und ehemalige schwarze Fußballprofis, die gehofft haben und enttäuscht wurden, von denen manche es ganz nach oben, in die Nationalmannschaft, geschafft haben, aber trotzdem nie richtig dazugehören konnten; oder gerade ganz oben so richtig erfahren mussten, wie wenig sie in den Augen der anderen dazugehören.
Da ist die Geschichte von Erwin Kostedde, dem ersten schwarzen deutschen Nationalspieler, der als Sohn eines afroamerikanischen Soldaten in Münster geboren wurde. Heute ist er 74 Jahre alt, sitzt im urigen, holzverkleideten Wirtshaus oder im Stadion seines einstigen Vereins Preußen Münster – und erzählt; dass die Leute sehr überrascht gewesen seien, als er 1974 auf Malta sein Länderspieldebüt gab, dass Journalisten komische Fragen gestellt hätten; von seinem zweiten Länderspiel gegen England; wie er im Bus zum Wembley-Stadion am Fenster gesessen habe, als dieser wegen angetrunkener deutscher Fans anhalten musste; wie die ihn in dann rassistisch beleidigt hätten.
„Dann geht das rein“, sagt Kostedde, als er das erzählt, und bewegt seine Hand zur Brust. „Da müssen Sie unwahrscheinlich abgebrüht sein, wenn das nicht hier bei Ihnen reingeht“. Einer von vielen Momenten in einem traurigen Film, einem Film, der einen Schmerz zum Vorschein bringt, der sich durch alle deutschen Fußballstadien und Bolzplätze zieht, aber auch durch Schulklassen und Arbeitsstätten. “Da habe ich das ganze Spiel daran gedacht“, sagt Kostedde.
„Schwarze Adler“ läuft ab 15. April bei Amazon Prime und am 18. Juni im ZDF.
Es werden Szenen aus dem Spiel gegen England eingeblendet: Beckenbauer flankt, Kostedde im grünen Trikot mit der stolzen Stürmerneun auf dem Rücken köpft ungefährlich in die Hände des Torwarts, oder Kostedde bekommt im Strafraum den Ball zugespielt, er rutscht aber aus. „Ich war nicht der Erwin Kostedde auf dem Platz, der ich hätte sein können“.
Insgesamt drei Spiele hat er für die Nationalelf gemacht, dann war der Traum aus. Kostedde sagt heute, er sei nie warm geworden mit der Mannschaft.
Wer übernimmt Verantwortung?
Nun kann man denken, dass das alles ja vor fast 50 Jahren passiert ist, dass sich doch bestimmt viel getan hat. Bestimmt. Denn während die ehemalige Nationalspielerin und spätere Bundestrainerin Steffi Jones wie auch Kostedde erzählt, dass sie als Kind die Idee gehabt habe, ihre Hautfarbe vielleicht doch mit Seife abwaschen zu können, grinst der heute 21-jährige Jean-Manuel Mbom, Mittelfeldspieler bei Werder Bremen, selbstbewusst in die Kamera und sagt, er finde sich so schön, wie er sei und er sei auch stolz darauf.
Trotzdem folgen auf Kosteddes Geschichte der Enttäuschung viele weitere, die bis in die Gegenwart reichen; von Jimmy Hartwig, der in der Doku stolz sein Nationaltrikot von 1979 präsentiert; der sich damals trotz Erfolge ebensowenig bei der Nationalmannschaft etablieren konnte; von Anthony Baffoe, Patrick Owomoyela, Otto Addo, Gerald Asamoah, aber auch von Hertha-Spieler Jordan Torunarigha, der im Februar letzten Jahres mit einer roten Karte vom Platz geflogen ist, als er nach rassistischen Fanrufen in seiner Wut eine Getränkekiste wegschleuderte.
Und die Geschichten sind alle ähnlich: Spieler werden von Fans rassistisch beleidigt, dann folgen im besten Fall Solidaritätsbekundungen, grundlegende Konsequenzen bleiben aus. Insofern wäre es ein Gewinn gewesen, wenn der Film auch der Verantwortung des Deutschen Fußball-Bundes und der Vereine nachgegangen wäre.
Die ehemalige Bundesligistin Shary Reeves sagt über den „Schwarzen Adler“, das Emblem der Nationalmannschaft: „Er ist irgendwo da oben, weit weg von mir, da komme ich gar nicht ran, er hat die Stärke und gibt mir das Gefühl, dass ich schwach bin.“ Und solange die Frage nach strukturellen Ursachen ausbleibt, wird der Fußball auch nur ein Versprechen bleiben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Die Wahrheit
Der erste Schnee