Döpfners Einfluss auf die Pressefreiheit: Please Stärke die Unabhängigkeit
Die politische Unabhängigkeit der Medien wird diskutiert. Wer glaubt, es gäbe keine freie Presse, fällt auf eine Erzählung der Rechten herein.
W as denn die Aufregung solle, fragen manche, sie finden das Theater um Mathias Döpfner übertrieben, um nicht zu sagen verlogen. Hätten nicht alle ZeitungsmacherInnen in Führungspositionen eine politische Agenda? Private Medienhäuser hätten doch alle eine Linie.
So sei etwa die taz ein Blatt, das mit seiner politischen Position geradezu hausieren gehe, ja, es sei ihr Geschäftsmodell, links und ökologisch zu sein und demzufolge linke und ökologische Regierungen herbeischreiben zu wollen. Wo sei da der Unterschied zu Döpfner, wenn nur das politische Vorzeichen umgedreht werde? So fragte diese Woche auch die Autorin Nora Bossong in der taz.
Döpfner, Miteigentümer und langjähriger Vorstandsvorsitzender des Axel-Springer-Verlags, hat in Nachrichten an leitende Mitarbeiter der Bild geschrieben, sie sollten zusehen, dass man die FDP so stark wie möglich mache: „Please Stärke die FDP. Wenn die sehr stark sind können sie in Ampel so autoritär auftreten dass die platzt“, schrieb Döpfner zwei Tage vor der Bundestagswahl an Bild-Chef Julian Reichelt.
Im Übrigen sei er „sehr für Klimawandel“, Ossis seien alle „entweder Kommunisten oder faschisten“, und Muslime gehörten in die Kategorie „Gesochs“. Den vollständigen Wortlaut dieser und anderer Nachrichten in all ihrer besoffenen Rechtschreibung und bekoksten Zuspitzung veröffentlichte jüngst die Zeit. Für die Ossi-Aussagen hat sich Döpfner seither viertelherzig entschuldigt.
Wahrheitssuche vom Geldverdienen trennen
Nun müssen publizistische LaiInnen nicht unbedingt zwischen einem Verleger und einer Chefredakteurin unterscheiden können. Dass dem einen die Zeitung gehört, weshalb er primär wirtschaftliche Interessen verfolgen wird, und die andere vor allem journalistische Ziele zu verfolgen hat – Aufklärung, unabhängige Urteilsfindung und dergleichen –, dass die Wahrheitssuche besser vom Geldverdienen abgetrennt gehört: Das gehört zum Ethos des Journalismus. Dass diese Unterscheidung in der deutschen Presserealität nicht immer klappt, gehört natürlich auch zur Wahrheit.
Man denke an die Berliner Zeitung, deren Redaktion ein Klagelied davon singen kann, wie das ist, wenn ein Eigentümer unbedingt mitschreiben will. Wie die Rollen als Verleger und Chefredakteur verschwimmen und sogar fusionieren können, zeigt auch Jakob Augstein beim geschätzten Freitag.
Doch ist es ziemlich kess zu behaupten, auch jenseits von Springer würden in Zeitungen Linientreue und Parteilichkeit verordnet, schrieben Redaktionen fromm einer vorgegebenen Tageslosung entlang. Es ist dies sogar eine mutwillige Zerstörung des Vertrauens in den unabhängigen Journalismus. Ein Ball wird aufgefangen, den das „Querdenker“- und AfD-Milieu geworfen hat: alles dasselbe, alles ein Brei; freie Presse, das gibt’s gar nicht.
Redaktionen sind Diskussionsräume
Drum sei hier – in dieser Schlichtheit fast ein wenig peinlich – einmal festgehalten: Redaktionen der unabhängigen Presse sind Diskussionsräume, in denen Leute sich ihre ganz eigenen Gedanken dazu machen, wie sich eine politische oder gesellschaftliche Debatte sinnvoll führen und fortsetzen lässt. Auf eine These folgt typischerweise sehr bald eine Gegenthese; wenn sich die Kollegin heute sehr weit aus dem Fenster hängt, wird es schon morgen jemanden geben, der ein anderes Fenster wählt.
Nein, aus der Summe von Subjektivitäten ergibt sich keine Objektivität. Diskutiert wird in einer Redaktion meist innerhalb einer bestimmten politischen Bandbreite. So wird sich etwa bei der taz kaum jemand finden, der meint, für den Klimaschutz reiche es, auf die Kernfusion zu warten. Die meisten denken eher das Gegenteil. Es wird aber mit Sicherheit deshalb keine Partei systematisch, also vorgabe- oder absprachegemäß, hochgeschrieben, um unmittelbar Wahlergebnisse zu beeinflussen.
Genau dies aber hat Mathias Döpfner – erfolgreich – verlangt. Und nicht nur das. Die Zeit-Recherche von vergangener Woche wurde diese Woche ergänzt durch eine Stern-Recherche, wonach es ein Startkredit der Hamburger Warburg-Bank war, der Döpfner seine inzwischen milliardenschwere Beteiligung am Springer-Konzern erst ermöglichte. Nach allem, was der Stern schreibt, sieht es so aus, als hätte sich Döpfner bei der Warburg-Bank dadurch bedankt, dass er die Cum-Ex-Steuerbetrugs-Geschäfte ebendieser Bank und ihres Chefs Christian Olearius seither in Springer-Blättern verniedlichen lässt. Natürlich bestreiten Bild und Welt den Zusammenhang. Der Geruch von journalistischer Korruption zieht hier aber schon recht stark in die Nase.
Den Problemkomplex „überkandidelte Männer-Egos und der Umgang mit untergebenen Frauen bei Springer“ muss man also noch nicht einmal erwähnen – vergleiche hierzu den neuen Roman des ehemaligen taz-Praktikanten Benjamin von Stuckrad-Barre –, um eine Ahnung von den Wirkmächten in Mathias Döpfners Kosmos zu bekommen.
Unbedingt aber sind die mehr oder minder überraschenden Nachrichten aus diesem Kosmos Anlass genug, strenger über journalistische Standards nachzudenken. Nur die Unterschiede zwischen Bild und seriösen Medien herauszustellen, reicht natürlich nicht. Subjektivität und persönliche Einflüsse, Fehlbarkeit, auch die Mühe, die es kostet, sich manchem Agendasetting zu entziehen – all das könnte eine unabhängige Presse noch stärker benennen, als sie es bereits gelernt hat.
Wo Springer die Selbstprüfung den Anwälten überlässt, sollten andere – natürlich auch die taz – selbsttätig noch mehr als sowieso schon die eigenen Ansprüche dem Realitätscheck unterwerfen.
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