Diplomatie in der Ukraine-Krise: Steinmeier will Entspannungssignale
Russland soll seine Truppen von der Grenze zur Ukraine zurückziehen, fordert Deutschlands Außenminister Steinmeier. Der Gasstreit wird Thema in Genf.
HIROSHIMA/KIEW/MOSKAU/WASHINGTON dpa/rtr/dpa | Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat von Russland vor dem Krise ngipfel zur Ukraine nächste Woche in Genf Signale der Entspannung verlangt. „Das alles kann nur gehen, wenn Russland eigene Entspannungsbeiträge liefert wie zum Beispiel den weiteren Rückzug von Streitkräften entlang der Grenze", sagte Steinmeier am Samstag bei einem Besuch in Japan. Das Vierertreffen sei erst „der Beginn der Arbeit".
Am kommenden Donnerstag wollen die USA, Russland, die Ukraine und die Europäische Union erstmals direkt miteinander über den Konflikt beraten. Für die EU ist die Außenbeauftragte Catherine Ashton dabei, für die anderen Beteiligten die jeweiligen Außenminister.
Steinmeier versuchte am Rande einer Abrüstungskonferenz in Hiroshima, die Erwartungen zu dämpfen. Das Treffen in Genf sei schon ein Wert an sich. „Daran hätte vor drei Woche noch niemand geglaubt. Ich wäre froh, wenn die erste Sitzung genutzt würde, um ein Arbeitsprogramm zu erstellen."
Ziel sei zunächst „Deeskalation", sagte der SPD-Politiker. „Langfristiges Ziel muss sein, dass wir den politischen und wirtschaftlichen Kollaps der Ukraine verhindern und dafür sorgen, dass diese Ukraine als Land beieinanderbleibt. Das ist schwieriger als sich viele vorstellen."
Gasstreit soll Thema auf Krisengipfel werden
Beim Genfer Krisengipfel soll auf Wunsch Deutschlands auch der drohende Gasstreit mit Russland zur Sprache kommen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) warb bei einem Besuch in Athen für eine einheitliche Haltung der Empfängerländer russischen Erdgases im Fall von Versorgungsproblemen. Sie trete dafür ein, das Thema bei dem Treffen der Außenminister Russlands, der USA und der Ukraine sowie der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton am Donnerstag in Genf zu besprechen, sagte die Kanzlerin.
Zuvor hatte Russland den Druck auf den Westen wegen unbezahlter Gasrechnungen der Ukraine erhöht. Präsident Wladimir Wladimir Putin forderte die sofortige Tilgung von Milliardenschulden der prowestlichen Regierung in Kiew. Die Lage sei „unerträglich", sagte Putin in Moskau. Der Kreml wirft dem Westen vor, nach dem Machtwechsel in Kiew eine nicht legitimierte Regierung der Ukraine zu unterstützen. Russland garantiere seinen Kunden in Europa aber weiter Lieferungen in vollem Umfang, so Putin. Die EU-Außenminister wollen am Montag eine Zahlungsbilanzhilfe von einer Milliarde Euro für die krisengeschüttelte Ukraine billigen.
Die US-Regierung sprach sich bei einem Treffen der Finanzminister und Notenbankchefs der führenden Industrie- und Schwellenländer für schnelle Finanzhilfen an die Ukraine aus. Die internationale Gemeinschaft müsse das milliardenschwere Hilfsprogramm des Internationalen Währungsfonds (IWF) für die Ukraine durch finanzielle Unterstützung ermöglichen, sagte US-Finanzminister Jacob Lew in Washington.
Putin droht damit, der finanziell angeschlagenen Ukraine Gas nur gegen Vorkasse zu liefern - was Auswirkungen auf Europas Versorgung haben könnte. Die Ukraine ist das wichtigste Transitland für Gas aus Russland. Wegen unbezahlter Rechnungen hatte Russland der Ukraine 2009 das Gas zeitweilig abgedreht, was zu Engpässen auch in der EU führte. Zudem hatte Moskau im Zuge der Spannungen mit Kiew jüngst die Gaspreise für die Ukraine erhöht. Experten halten einen neuen Gaskonflikt für möglich.
USA weiteten Sanktionen aus
US-Präsident Barack Obama warnte Moskau erneut vor einem Einmarsch in der Ukraine. Zugleich stimmte der US-Präsident den Westen auf weitere Sanktionen gegen Moskau ein. Die USA selbst weiteten ihre Sanktionen auf sieben Krim-Separatisten und das Gasunternehmen Tschernomorneftegas mit Sitz auf der Halbinsel aus.
Nach Russlands Annexion der Krim müssten die USA, die EU und andere Partner eine neue russische Eskalation mit zusätzlichen Strafmaßnahmen beantworten, forderte Obama in einem Telefonat mit Kanzlerin Merkel. US-Experten und hohe Nato-Militärs werfen Russland vor, im Grenzgebiet zur Ukraine bis zu 40 000 Soldaten mit schwerem Gerät jederzeit einsatzbereit zu halten. Die russische Führung bestreitet dies.
Die Chefs der wichtigsten Industriestaaten der Welt (G7) werden sich am 4. und 5. Juni in Brüssel treffen - ohne den bisherigen Partner Russland. Das teilte der EU-Ministerrat am Freitagabend mit. Die G7-Staatenlenker hatten sich Ende März darauf verständigt, wegen der Ukraine-Krise das Treffen in der belgischen Hauptstadt zu planen. Ursprünglich war zum selben Termin ein G8-Gipfel im russischen Schwarzmeer-Badeort Sotschi geplant.
Polizeidirektion in Gewalt von Separatisten
Unterdessen haben in der Ost-Ukraine Bewaffnete ein weiteres Behördengebäude besetzt. Mehrere Männer in Tarnuniformen hätten eine Polizeidirektion in Slawiansk in der Region Donezk in ihre Gewalt gebracht, teilte Innenminister Arsen Awakow am Samstag mit. Er kündigte eine harte Reaktion des Staates an. Denn es gebe einen Unterschied zwischen Demonstranten und Terroristen, erklärte Awakow auf Facebook.
Pro-russische Demonstranten halten bereits in mehreren ostukrainischen Städten Regierungsgebäude besetzt. Sie fordern ein Referendum über eine Abspaltung der Region, in der viele russisch-stämmige Bürger leben. Die Entwicklung schürte Sorgen, dass die Regierung in Moskau nach der ukrainischen Halbinsel Krim auch andere Landesteile in die russische Förderation eingliedern könnte. Russland hat nach Nato-Angaben inzwischen 40.000 Soldaten an der Grenze zusammengezogen.
Der russische Außenminister Sergej Lawrow hatte am Freitag allerdings erklärt, sein Land wolle, dass die Ukraine innerhalb ihrer Grenzen als Ganzes erhalten bleibe. Die Eingliederung weiterer Landesteile der Ukraine sei nicht im Interesse Russlands.
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