■ Die erste Lieferung: In and out: Die Auf- und die Absteiger des Jahres 1997
Floppig: Claus Kleyboldt
Er wollte das Sommerloch in ein Thema für das Schwarzwälder-Geschichtsbuch verwandeln. Doch tatsächlich hat er es um den Sommerflop bereichert: Claus Kleyboldt, Chef der Bremer Stadthalle, holte den Produzenten Roland Berger mit dem Musical „Shakespeare & Rock'n'Roll“in die Messehallen. Als „Erfolgsstück“, das in Berlin mehrere Millionen gesehen haben, wurde die schlappe Show beworben. Doch der Berliner Flop blieb auch in Bremen einer. Ein gerichtliches Nachspiel um Schuld und Sühne ist im neuen Jahr nicht ausgeschlossen – Claus Kleyboldt gibt sich trotzdem gelassen.
Oasig: Wulf Herzogenrath
Dieser Mann steht für viele gerade. Denn der Leiter der Bremer Kunsthalle, Wulf Herzogenrath, ist ja nur ein Angestellter eines Vereins – des Kunstvereins nämlich. Dem wiederum gehören zahlreiche Menschen an, die ihren Freibetrag bei Zinseinkünften weit überschreiten. Für Herzogenrath flüchteten sie jedoch nicht in eine Steueroase, sondern brachten über sieben Millionen Mark auf. Damit wollten sie ermöglichen, daß die Bremer Kunsthalle saniert werden kann. Der Chefangestellte sieht dieses Engagement mit Freude: Denn dank weiterer 14 Millionen Mark vom Bund und vor allem aus der Spielbank-Stiftung „Wohnliche Stadt“konnte mit dem Umbau der Kunsthallen-Räumlichkeiten begonnen werden. Hinter den zahlreichen Bauzäunen in der Nähe des Walls verwandelte sich Herzogenraths Halle in diesem Jahr in ein schmuckes Museum. Die Wiedereröffnung ist für den 21. März 1998 geplant. Wir dürfen also gespannt sein, was uns dort im Frühjahr erwartet.
Ausgedörnert: Dixie Dörner
Das Aus für den „Beckenbauer des Ostens“kam nach einer verkorksten Tournee in den Süden. Nach einer 0:8-Schlappe gegen Atletico Madrid reichte es den Bossen des SV Werder Bremen. Dixie mußte gehen. Allerdings war seine Trainerleistung auch nicht berauschend. Der Uefa-Pokal war mit dem achten Tabellenplatz gegessen, im UI-Cup flogen die Grün-Weißen bereits in der Vorrunde raus. Es folgte der 18. Platz in der Bundesliga. Erst dann konnte sich das Präsidium zu Dörners Rausschmiß durchringen. Zu spät – die Nachfolgerfrage mitten in der Saison bei leergefegtem Trainermarkt wurde zum echten Problem. Dörner selbst liebäugelte nach seinem Aus mit dem Präsidentenamt bei Dynamo Dresden, lehnte dann aber ab. Er fühle sich zu jung dafür und wolle noch weiter als Trainer arbeiten. Ob konkrete Angebote vorliegen, dazu wollte sich Dörner nicht äußern.
Eifrig: Narciss Goebbel
Narciss Goebbel hat sich in der Kulturbehörde hochgedient. Erst wurde er zum kommissarischen Nachfolger des verstorbenen Kulturamtsleiters Dieter Opper, dann strickte Goebbel eifrig hinter den Kulissen am erkenntnisgeleiteten Interesse der Unternehmens-BeraterInnen von McKinsey mit. So ist es nicht mit Sicherheit bezeugt, von wem die Idee stammt, die Kulturszene auf die drei Säulen „Kultur GmbH“, „Kulturbüro“und „Eigenbetrieb kulturelle Weiterbildung“zu stellen. An der Leitung des Kulturbüros soll Narciss Goebbel dem Vernehmen nach großes Interesse haben. So würde aus dem Aufsteiger des Jahres 1997 der Aussteiger des Jahres 1998.
Pionierhaft: Inge Sandstedt
Sie ist eine Pionierin und hat eine mehr als 600 Jahre bestehende Männerbastion gestürmt – und ist dabei beinahe unbemerkt geblieben. Anfang November haben die Bremer UnternehmerInnen Inge Sandstedt als erste Frau ins Plenum der Handelskammer wählt. Die 56jährige Prokuristin der Firma Sanco Großverbraucherservice repräsentiert als Landesvorsitzende des Verbandes Deutscher Unternehmerinnen „andere Denkansätze“in der Wirtschaft. „Ein sogenannter richtiger Manager diktiert, Frauen denken häufig sozialer, sind diplomatischer und legen mehr Teamgeist an den Tag.“Klick mache es, wenn beide Blickwinkel einbezogen würden.
Bocklos: von Bock und Polach
Kein Bock. Hans-Georg von Bock und Polach hatte 171 unbearbeitete Akten zurückgelassen, bevor er als Staatsrat ins Innenressort wechselte. Obwohl der Aktenberg schon kurz nach seinem Amtsantritt als Staatsanwalt 1995 ruchbar wurde, blieb von Bock eineinhalb Jahre auf seinem Stuhl sitzen. Daß er, gegen den später Anklage wegen Strafvereitelung im Amt erhoben wurde, kein gutes Vorbild für die Polizeibeamten abgeben würde, mochte von Bock lange Zeit nicht einsehen. Erst als die CDU seinen Dienstherrn Ralf H. Borttscheller (CDU) unter Druck setzte, trat von Bock zurück. Schweren Herzens. Er sieht sich als Opfer der Presse und einer wildgewordenen Staatsanwältin. Jetzt sitzt von Bock zu Hause und hat endlich Zeit zu lesen. Das hätte er auch schon in der Behörde am liebsten getan, tuscheln ehemalige Kollegen böse. Ob das der Grund für den Aktenberg war?
Geschickt: Elke Kröning
Das hat sie geschickt gemacht. Als Friedrich Rebers aus gesundheitlichen Gründen den Landesvorsitz für die Wählerinitiative Arbeit für Bremen (AfB) aufgab, blieb Elke Kröning (50) still. Man müsse erstmal in Ruhe überlegen, wie es weitergehen solle, winkte die ehemalige Lehrerin Spekulationen um die Rebers-Nachfolge ab. Andreas Lojewski war der Erste, der öffentlich danach strebte, in die Fußstapfen des AfB-Gründers zu treten. Ein Fehler, denn wer den Streit anfängt, den liebt man nicht. Die Quittung folgte prompt. Im „Fleet“, einer Kneipe in der Böttcherstraße, wurde Elke Kröning beerbt. Wenn ihr die rund 600 Mitglieder der Wählerinitiative im Januar die Stimme geben, tritt sie in die Fußstapfen Rebers. Reine Formsache, heißt es in AfB-Kreisen. Elke Kröning ist ständig unterwegs und kann Hände schütteln wie der Rebers. Doch Elke Kröning gibt sich bescheiden. „Die Fußstapfen sind ein bißchen groß“, sagt sie. Und die Basis wird sie dafür lieben. Geschickt, geschickt.
Abserviert: Ronald Mönch
Der Rektor hatte als einer der ersten die Zeichen der Zeit erkannt und verkündet: Seine Hochschule sollte umziehen nach Grohn, dort internationale Studiengänge anbieten und als Schmankerl obendrein eine private Tochter-Universität gründen, um Söhne arabischer Scheichs und Töchter indonesischer Industrie-Magnaten anzulocken. Doch dann stotterte der Umzugsmotor und die ungeliebte Bremer Universität zog mit ihren Visionen von einer amerikanischen Privat-Universität in Grohn an Mönch vorbei, die Wissenschaftssenatorin bläst Rückenwind und Mönch wird gönnerhaft angeboten, sich an dem Projekt zu beteiligen.
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