Die „Zeit“ und der Fall Schlesinger: Ach, da war nix
Die „Zeit“ bemüht sich um die Rehabilitation der Ex-RBB-Intendantin Patricia Schlesinger. Noch vor Abschluss der Ermittlungen vermutet sie Unschuld.
![Eine Frau schaut nachdenklich. Eine Frau schaut nachdenklich.](https://taz.de/picture/7265723/14/36620943-1.jpeg)
M anche Kolleg*innen von der Zeit haben ja ein spezielles Verhältnis zu Patricia Schlesinger. Aktuell bemühen sich Stephan Lebert und Thomas E. Schmidt ellenlang um die Rehabilitation der ehemaligen Intendantin, die wegen des RBB-Skandals gehen musste. Lebert ist Redakteur im Zeit-Ressort „Verbrechen“ und hat noch vor Abschluss der Ermittlungen der Berliner Staatsanwaltschaft die ganz große Unschuldsvermutung. Da war nix. Ach, so ist das. Diese Formulierung merken wir uns für diesen Beitrag.
Wirklich so gar nichts? Paar Kleinigkeiten vielleicht, geben die Autoren zu. Ganz weltfremd sind Leber und Schmidt ja nicht. Aber nichts von wirklichem Belang. Aus dem Privattrip, den Schlesinger samt Ehemann und Freunden zu einem Wohltätigkeitsball in die City of London 2021 unternahm und den RBB zahlen ließ, wird so „eine ungenau abgerechnete Reise nach London“.
Aber sonst war da nix. Über die offenen Fragen, in welchem Verhältnis der Immobilienunternehmer und RBB-Verwaltungsratschef Wolf-Dieter Wolf zu den Beratern stand, die der RBB zur Planung seines Digitalen Medienhauses (DMH) beauftragte, findet sich kein Wort. Dass die noch vorm ersten Spatenstich explodierenden Kosten für das DMH höchst real fast zur Pleite des RBB geführt haben, kann auch nicht stimmen.
„Das DMH hätte den RBB technisch reformiert und möglicherweise schon nach wenigen Jahren seinen Haushalt entlastet. Mit Studiotechnik hätte das DMH wohl 160 Millionen Euro gekostet“, weiß das Blatt. Dass im Untersuchungsbericht des Brandenburger Landtags von 310,6 Millionen die Rede ist, kommt nicht vor.
Natürlich ist Springer schuld
An allem ist natürlich Springer schuld, denn zu diesem Reich des Bösen gebe es bis heute „diese direkte ‚Standleitung‘ aus dem RBB“, wie im Zeit-Text ein nicht genanntes Mitglied des aktuellen Verwaltungsrats klagt. Ja, Springer war bei der Berichterstattung mit seinem Businessinsider vorn mit dabei. Dass all das Kampagne war, wie jetzt die Zeit suggeriert, hatte schon Patricia Schlesinger behauptet. Aber was ist mit den Fakten?
Ach so, da war nix.
Und schuld sind, klar, die RBB-Mitarbeitenden. Die hätten eine „ganz eigene Rolle“ gespielt, weil sie den „zu erwartenden Stellenabbau im Zuge der Digitalisierung“ fürchteten und ihr piefig-überbesetztes Biotop retten wollten. Die Belegschaft hätte sich „im Sommer 2022 […] sogar als treibende Kraft“ erwiesen. „Es gelang ihr, die Geschäftsführung anzuprangern, während sie ihre Interessen erfolgreich wahrte.“
Genau, Millionensparkurs im Programm, Entlassung freier Mitarbeiter*innen, alles voll im Interesse einer Belegschaft, die nur von der Pause bis in die Kantine denkt. Sonst war da nix! Liebe Zeit, warum gibst du dich für so einen Stuss her? Aber vielleicht heuert Schlesinger ja bald bei euch an. Chefredakteur Giovanni di Lorenzo hat ja gerade die 65 vollgemacht. Und dann gnade uns die Göttin!
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