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Die Wochenvorschau für BerlinExpedition in die preußische Hölle

Kommentar von Claudius Prößer

Ist der nagelneue Gendarmenmarkt eine No-Go-Area, wie KlimaaktivistInnen behaupten? Oder einfach nur ein mittelmäßiger Großstadtplatz?

Ja und? Der Gendarmenmarkt nach seiner Wiedereröffnung Foto: IMAGO / Jürgen Ritter

B erlin steht eine sonnige Woche bevor – was läge da näher als eine Runde über den Gendarmenmarkt? Vor wenigen Tagen wurde die Fläche zwischen Deutschem und Französischem Dom nach zwei Jahren Baustelle wiedereröffnet. Unter dem frischen Pflaster liegt zwar kein Strand, dafür aber das Gewirr aus Versorgungsleitungen für Open-Air-Veranstaltungen. Außerdem hat die Grün Berlin GmbH unterirdische Regenauffangbecken angelegt, damit Niederschlagswasser nicht mehr verloren geht.

Und was ist der Dank? Hohn und Spott. In den sozialen Medien überschlagen sich vor allem Menschen mit Klimaschutzhintergrund, die nur menschenfeindliche Steinwüste erkennen wollen, auf die sich in kommenden Sommern nur noch Wüstenexpeditionen wagen werden. Berlin habe sich für gut 20 Millionen eine „No-go-Area“ geschaffen, während andere Städte ihre Freiflächen eifrig aufforsteten.

Unpopular opinion: Man kann es auch übertreiben. Zuerst mal zeigt ein Blick ins viel heißere Ausland, dass große Plätze auch ohne Bewuchs populär sein können. Die Praça do Comércio in Lissabon, 30.000 Quadratmeter Leere, zieht irgendwie immer noch Menschen an. Die Plaza Mayor in Madrid, komplett kahl. Und hat irgendwer jemals ein Bäumchen auf der Piazza Navona in Rom entdeckt?

Jetzt mag man einwenden, dass manche dieser Höllenorte von Arkaden umgeben sind, unter die man an heißen Sommertagen fliehen kann. Mag sein – aber auch der Gendarmenmarkt durfte die meisten seiner Kugel­ahorne hinter dem Französischen Dom behalten, und auf der Südseite wurden ein paar zusätzliche Japanische Schnurbäume gepflanzt, zusätzlich zu den vorhandenen, stattlichen Exemplaren. Nur die Mitte des Platzes vor dem Schauspielhaus ist kahl, und dort sollen ja auch wieder Events stattfinden, bei denen Bäume im Weg wären.

Bäume braucht es eher anderswo

Außerdem wird es bis auf Weiteres so bleiben, dass die höllenheißen Tage nur einen Bruchteil des Jahres ausmachen. Und niemand ist gezwungen, sich ausgerechnet in den wärmsten Stunden auf den Gendarmenmarkt zu begeben. Parks mit dichtem Baumbestand gibt es in Berlin so manche, und zusätzlicher Schatten ist wichtiger auf den Wegen, die viele Menschen notgedrungen zurücklegen müssen.

Das Problem ist ja ein anderes: Mag Kai Wegner noch so oft vom „schönsten Platz Europas“ schwadronieren, es bleibt eine Lüge. Mit oder ohne Bäume ist der Gendarmenmarkt ein preußisches Karree mit mediokrem Flair. Aber schauen Sie’s sich doch selber mal an in dieser sonnigen Woche.

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Redakteur taz.Berlin
Jahrgang 1969, lebt seit 1991 in Berlin. Seit 2001 arbeitet er mit Unterbrechungen bei der taz Berlin, mittlerweile als Redakteur für die Themen Umwelt, Mobilität, Natur- und Klimaschutz.

5 Kommentare

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  • "Expedition in die preußische Hölle" - seltsame Überschrift: wegen dem (preußischen) Gendarmenmarkt?

    Vor meiner 'Expedition' nach Berlin West 1963 im plombierten Zug quer durch die Vorhölle (?) DDR hatte meine Mutter noch geträllert: "Du bist verrückt, mein Kind, du musst nach Berlin...". Dort habe ich dann zwei Semester studiert - mit kleinen 'Expeditionen' an die Havelseen in die Nähe von Berlins schönstem Vorort - Potsdam - und einmal auch an den Müggelsee im Osten, denn als Student aus der BRD durfte ich, anders als die Westberliner*innen, via Bahnhof Friedrichstraße in die 'sozialistische Vorhölle' tageweise einreisen, um z.B. in der Oper zwischen DDR-Offizieren zu sitzen...

    Von der Existenz der 'baumlosen Hölle' eines preußischen Gendarmenmarkts ahnte ich damals nichts. Hinzufahren zu Preußens Gloria hätte mich jedenfalls nicht 'höllisch' angestachelt. (Hölle, wo ist dein Stachel? Hölle, wo ist dein Sieg?)

  • Der Platz ist richtig schön geworden. Vorher war der Belag uneben und holperig (wie beispielsweise in der Taubenstraße) und ist ansonsten fast unverändert. Was "mehr grün" bewirkt hätte, lässt sich bei einem kurzen Spaziergang nördlich des Konzerhauses erahnen; dort steht bereits ein etwas größeres Zelt einschließlich einer recht großen Gasflsche mitten im spärlichen sogenannten Grünstreifen.

    Beim Weihnachtsmarkt entfallen dann hofentlich die ganzen Zuleitungen.

  • " Bäume braucht es eher anderswo "



    🤣😂oder eher zum 😪😪😪😪😪



    Warum nicht gleich mit Alufolie ausgelegt - die neue Wüste...

  • Yes. Wie gehabt.



    “ Mit oder ohne Bäume ist der Gendarmenmarkt ein preußisches Karree mit mediokrem Flair. Aber schauen Sie’s sich doch selber mal an in dieser sonnigen Woche.“



    &



    Die zugörige Trallafitti & Lokaliätenszene -



    “Frauman sieht sich & möchte gesehen werden - wa!“



    Sodaß, einschließlich Diekmannisierung der taz



    Die Gemeinten längst nicht mehr die Straßenseite wechseln wenn ihnen solche Sumpf🩸 Schleim &🩲 🩲-Typen der Springer-Journaille entgegen kommen! Woll



    Und ein Harry Rowohlts - in memoriam - zu



    Peter “Sudelpepe“ Boenisch:



    “ Als kleiner Gruß aus der Heimat Lektüre der BILD-Zeitung. Peter Boenisch fordert den sofortigen Rücktritt von Manfred Stolpe. Das ist sein gutes Recht. Man weiß zwar noch nichts, aber ein bißchen hetzen kann man ja schon mal. Was mich wundert, ist, daß es Sudel-Pepe überhaupt noch gibt. Wenn auch nicht mehr lange. Ich beschließe nämlich, hier und heute ein Kopfgeld auf ihn auszusetzen, und zwar, der Bedeutung dieses Mannes angemessen, in Höhe von 35 Öschis beziehungsweise 5 Mark.“



    Gemünzt auf Franz Josef Wagner oder oder



    …mit indigniertem Hüsteln und spitzen Fingern übergangen würde •



    ——



    www.zeit.de/1992/2...wohlt-poohs-corner

  • Fun fact: zur Steinpflasterhölle machten die Nazis den Platz. Die DDR führte das fort und legte das Quadrate-Pflaster an. Und das wurde dann von Claus Lederer als absolut zu schützende DDR-Moderne für unveränderlich erklärt.

    Von wegen Preußen.

    Zu Kaisers Zeiten war der Gendarmenmarkt wunderbar befgrünt und bepflanzt.

    Aber in Berlin ist es ja unmöglich, einen Platz dauerhaft schön zu begrünen oder gar Blumen zu pflanzen. Man fragt sich immer, wie das eigentlich alle anderen Städte hinkriegen. Jedes Kaff schafft es, ein paar Blumenbeete anzulegen, nur die Hauptstadt Deutschlands scheitert daran.

    Davon abgesehen: der Platz soll ja für Events genutzt werden (warum eigentlich?). Da stören Blumenbeete und Bäume nur.