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Die WocheWie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Der Bundesgerichtshof lehnt das dritte Geschlecht ab, Wien ärgert Ankara und Homer Simpson, ein echter Demokrat, wirbt für Hillary Clinton.

Können die Simpsons genug Hillary-Fans mobilisieren? Foto: imago/EntertainmentPictures

t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?

Friedrich Küppersbusch: Letzte Sommerpause vor dem Wahljahr 2017. Diese Legislatur bestand drastisch aus Reagieren statt Agieren.

Und was wird besser in dieser?

Vorfreude auf die Option, zu gestalten.

Der Bundesgerichtshof lehnt den Antrag auf ein offizielles drittes Geschlecht für intersexuelle Menschen ab. Wir haben doch schon so vieles geschafft. Warum schaffen wir das nicht?

Bisher interessiert sich kein Schwanz für seine Chromosomen. Das Geschlecht ist offensichtlich, die Wahlmöglichkeit überschaubar. Hier findet auch der übersichtlich strukturierte Mitbürger flugs ein sexuelles Zuhause. Menschen mit abweichendem Chromosomensatz finden sich als behindert, krank und therapiebedürftig im „Pschyrembel“ [medizinisches Wörterbuch, Anm. d. Red.] wieder. Dabei kann man sie ebenso gut als kerngesunde Drittgeschlechtler sehen und alle anderen als paranoid. Die Angst, seiner Eindeutigkeit verlustig zu gehen, macht den Wandel zäh.

Der Bund hat im ersten Halbjahr 1,5 Milliarden Euro über Negativzinsen eingenommen. Wäre das nicht ein Geschäftsmodell für den eigenen kleinen Nebenverdienst?

Der klassische Deal – die Bank wuchert mit dem Spargeld herum und teilt den Zins mit dem Sparer – war Win-win-loose. Heute hingegen übervorteilt die Bank Anleger und Geschäftspartner: Win-loose-loose. Dafür stellt sie sich in der Werbung parareligiös dar, Versicherungen sind Engelchen, Banken letzte Horte von Vertrauen und Menschlichkeit. Kurz: Warum sollten wir von Banken lernen, wenn die eh nur Kirchen nachmachen? Also erkläre man sich zur Weltreligion, Sankt Schäuble etwa.

Der Blick nach Amerika: In Texas dürfen Studenten jetzt ihre Waffen mit in die Uni nehmen. Wird studieren dort jetzt endlich sicherer?

Hm … im Vergleich zu unseren schlagenden und Farben tragenden Verbindungen sind die Amerikaner damit bei ca. 1840 angekommen. Nur nicht so weit links.

Homer Simpson ist für Hillary Clinton, Clint Eastwood hingegen unterstützt Donald Trump. Welcher Filmstar kann mehr Fans für den Urnengang mobilisieren?

Veronica Ferres. Immer, egal was. Das spricht für Carsten Maschmeyer als „deutschen Trump“. Oder doch Dieter Bohlen? Die Frage, wer der deutsche Trump wäre, führt zur Antwort, ob wir noch vergleichsweise mehr Tassen im Schrank haben. Oder eben doch Til Schweiger.

Trump geht derweil davon aus, dass die Wahl im November ohnehin gefälscht sein wird. Woher weiß er das jetzt schon?

Von der Al-Gore-Wahl, deren Auszählung im Stadium wegen offensichtlicher Fälschung abgebrochen wurde, um Bush zu krönen. Die Republikaner wissen halt, wie man's macht.

Bayern wird VW wegen des Abgasskandals verklagen, hat Finanzminister Markus Söder angekündigt. Woher auf einmal die Chuzpe?

BMW spart viel Geld, statt teurer Imagewerbung einfach die Permanenzhupe Söder herumtröten zu lassen gegen die Konkurrenz. Diabolischerweise greift der mit VW auch Audi an, den größten Arbeitgeber in Horst Seehofers Heimat Ingolstadt. Und schließlich hält das Land Niedersachsen, vulgo die Sozen, 20 Prozent an VW. BMW plant zum Dank ein Sondermodell „söder, als die Polizei erlaubt“, mit dem man überhaupt nur rechts abbiegen kann.

Derweil tourt der Wirtschaftsminister auffällig braun gebrannt durch Mecklenburg-Vorpommern. Flucht vor Edeka oder Arbeit an der Basis?

Heißt der Tourismus-Slogan von Mecklenburg-Vorpommern „Land der Verlierer mit schlechter Laune“ oder hat Gabriel das nur geträumt?

In Thüringen hat die Polizei Telefongespräche mit MDR-Journalisten mitgeschnitten. Gibt es da überhaupt was Interessantes zu hören?

Im Gegenzug sollte der MDR den Polizeifunk ausstrahlen dürfen. Heimatnahes Programm, keine Migranten am Mikrofon und ordentlich deutsche Schlägerparade.

Von der Leyen will die Bundeswehr im Inneren einsetzen. Warum war das noch mal so grundfalsch?

Der letzte Einsatz einer deutschen Armee im Inneren wurde hinterher Nationalfeiertag und ein jährliches Ritual der Abscheu: der 17. Juni 1953, als die NVA streikende Arbeiter angriff. Da die NVA in die Bundeswehr einging, kann man künftig bei Inlandseinsätzen ein herzliches „Da seid ihr ja wieder“ ausbringen. Von der Leyen erklärte im Mai, nach 25 Jahren Abrüstung brauche sie nun erstmals mehr Personal für die Vielfalt neuer Aufgaben. Und Einsätze, die keiner braucht, für Personal, das sie nicht hat, fallen ihr schon ein.

102 Jahre schlechte Laune

Es heißt ja immer, die Gedanken sind frei. Was ist denn mit dem olympischen Gedanken?

Sport ist wie Sex: Wenn du vorher diskutieren möchtest, können wir's auch lassen.

Österreich möchte die EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei abbrechen. Ja ist denen der Zorn Ankaras denn ganz und gar powidl?

Als Österreich das osmanische Bosnien übernahm, mündete das in den Ersten Weltkrieg. Die könnten „102 Jahre schlechte Laune“ feiern.

Der Papst findet es falsch, den Islam als terroristisch zu bezeichnen oder ihn mit Gewalt gleichzusetzen. Muss da wirklich erst der Papst kommen?

Nachdem sein Vorgänger Ritze-ratze-mit-viel-Tücke-eine-Lücke-in-die-Brücke gesägt hatte: ja. Ratzinger hatte den Islam diffamiert, Franziskus repariert's.

Und was machen die Borussen?

Mit den Rückkäufen Kagawa, Sahin und Götze haben wir nix gewonnen, aber die jüngste Traditionself der Welt!

FRAGEN: AWEI, PWE

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Friedrich Küppersbusch
Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".
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4 Kommentare

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  • " der 17. Juni 1953, als die NVA streikende Arbeiter angriff"

     

    Die NVA ist also 3 Jahre vor ihrer Gründung eingesetzt wurden? Eher nicht. Die Panzer 1953 kamen von der Sowjetarmee. Und als Honecker den Einsatz der 1989 erwogen hat, wurde dies vom Verteidigungsminister abgelehnt.

     

    Dagegen gibt es jede Menge Beispiele für den Einsatz der Armee gegen die Bevölkerung aus der Zeit des Kaiserreichs und der Weimarer Republik...

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      ... da nehme ich natürlich das "na gut" (s.u.) zurück.

  • 17.Juni `53, na gut.

    Aber ein besserer Grund, der den Einsatz der Armee im Inneren verbieten sollte, ist wohl 25 Jahre früher zu suchen.

     

    Novemberrevolution 1918 -> Spartakusaufstand 1919 : Am 6. Januar übernahm Gustav Noske (SPD !) auf Friedrich Eberts Geheiß den Oberbefehl über Heer und Marine mit den Worten: „Meinetwegen, einer muss der Bluthund werden. Ich scheue die Verantwortung nicht.“

    Am 11. Januar gab Noske den Einsatzbefehl gegen Demonstranten, die nach der rechtswidrigen Absetzung des moderaten Berliner Polizeipräsidenten den „Vorwärts“ sowie einige Verlagshäuser besetzt hatten. Die Angreifer waren noch mit Kriegsausrüstung bewaffnet und ihren Gegnern daher weit überlegen. Das Freikorps Potsdam eroberte z.B. das Gebäude des Vorwärts mit Flammenwerfern, Maschinengewehren, Mörsern und Artillerie. Zu organisierten Schlachten kam es nicht, da die Aufständischen den Kriegswaffen hoffnungslos unterlegen waren; vielfach ergaben sie sich freiwillig. Dennoch erschoss das Militär über hundert Aufständische und eine unbekannte Zahl von unbeteiligten Zivilisten vor Ort.

    In den folgenden Tagen wurden Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht ermordet. Im Nachlass des Wehrmachtsoffiziers Waldemar Pabst, der die Morde veranlasst hatte, wurde die Abschrift eines Briefes aus dem Jahr 1969 gefunden:

    „Daß ich die Aktion ohne Zustimmung Noskes gar nicht durchführen konnte – mit Ebert im Hintergrund – und auch meine Offiziere schützen musste, ist klar. Aber nur ganz wenige Menschen haben begriffen, warum ich nie vernommen oder unter Anklage gestellt worden bin. Ich habe als Kavalier das Verhalten der damaligen SPD damit quittiert, dass ich 50 Jahre lang das Maul gehalten habe über unsere Zusammenarbeit.

    (https://de.wikipedia.org/wiki/Spartakusaufstand)

    Empfehlung: Sebastian Hafner; 4. Ausgabe, 5. Auflage: Der Verrat. Deutschland 1918/1919. Berlin, Verlag 1900, 2002, ISBN 3-930278-00-6

    • @jhwh:

      Errata:

      35 Jahre früher

      und Haffner mit zwei "f"