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Die Grünen und sichere HerkunftsstaatenDer Anti-Seehofer

Kretschmann will weiteren „sicheren Herkunftsländern“ zustimmen. Wieder einmal setzt er den Konsens mit der Regierung über grüne Grundsätze.

Moderat und berechenbar: Auf Winfried Kretschmann kann die Kanzlerin vertrauen Foto: reuters

Stuttgart taz | Selten wurde eine Bundesratssitzung mit solcher Spannung erwartet. Denn eigentlich sollten die Länder Freitag zustimmen, Algerien, Tunesien und Marokko zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären. Doch das Thema ist vertagt. Die grün mitregierten Länder haben größte Bedenken. Trotzdem sorgt Winfried Kretschmann für Aufregung. Er steht an diesem Morgen im ARD Hauptstadtstudio mit erhabenem Blick aufs Regierungsviertel und erklärt, warum er bereit wäre, entgegen der Parteilinie trotzdem zuzustimmen. Die präsidiale Szenerie des Fernsehstudios passt gut.

Denn Kretschmann gefällt sich auch nach der Landtagswahl in der Rolle des Kanzerlinnenverstehers, wenn es um die Flüchtlingspolitik geht. Er habe die Zusage der Bundesregierung, dass Schwule, Journalisten, religiöse Minderheiten auch aus diesen Ländern im Deutschen Asylverfahren auch weiterhin so gründlich behandelt würden, wie bisher, sagt er. Damit sei den Menschenrechten „ein Stück weit genüge getan“. Im Übrigen sei es wichtig, dass sich Bund und Länder in der Flüchtlingsfrage nicht gegenseitig blockieren.

Ein typischer Kretschmann. Denn in Wahrheit hält der baden-württembergische Ministerpräsident die Frage, ob die Maghrebstaaten zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden, eher für vernachlässigbar. Im Mai kamen aus Tunesien gerade einmal 55 Flüchtende nach Deutschland.

Er hat da einen Kompromiss verhandelt, der erst recht offenlegt, wie klapprig das Konzept der sicheren Herkunftsstaaten ist, nimmt man Menschenrechtsfragen wirklich ernst. Denn wozu braucht es eine Sonderbehandlung von Journalisten, Schwulen, Lesben und religiösen Minderheiten, wenn angeblich auch bei sicheren Herkunftsländern das individuelle Recht auf Asyl gewahrt bleibt?

Das wären alles Gründe seine Zustimmung zu verweigern und auf einen grundsätzlich anderen Umgang mit Flüchtlingen zu dringen. Aber so tickt Kretschmann nicht. Für ihn ist der Konsens unter Demokraten ein eigener Wert in diesen Zeiten, die nicht nur er für Krisenzeiten der Demokratie und Europas hält. Er hat die AfD als stärkste Oppositionsfraktion im eigenen Landtag. Er kennt die Stimmung in der Bevölkerung zum Beispiel gegenüber übergriffigen Gruppen von Algeriern in Köln und anderswo. Darauf, findet er, muss man als gewählter Politiker Rücksicht nehmen.

In der moralischen Zwickmühle

Und so bleibt er für die Kanzlerin der Anti-Seehofer. Im Ton moderat und in der Sache stets berechenbar. Auch wenn ihn das in die moralische Zwickmühle und den Konflikt mit seiner Partei bringt.

Und dann ist da noch der Koalitionspartner daheim. Seit März ist das eine CDU, die sich erst daran gewöhnen muss, Juniorpartner zu sein. Bei der Präsentation des Koalitionsvertrags hatte man – Achtung grün-schwarze Symbolik – Kiwi und Trauben aufgefahren. Kretschmann und sein Juniorpartner Strobl hatten ein wenig darüber gescherzt, ob der Vertrag nun mit grüner oder schwarzer Tinte geschrieben sei, und zur Freude der konservativen in der Union kurz zuvor ziemlich eindeutig hineingeschrieben: „Die im Bundesrat anstehende Entscheidung über die Erweiterung des Kreises der sicheren Herkunftsstaaten um die Maghrebstaaten werden wir unterstützen, falls die entsprechenden hohen verfassungsrechtlichen Voraussetzungen vorliegen.“

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Schon vorher hatte sich Kretschmann bei der Frage, ob er den sicheren Herkunftsländern zustimmen wolle, hinter diesen verfassungsrechtlichen Zweifeln verschanzt. Das Instrument selbst hat er aber verteidigt. Das werde gebraucht, um angeblich Millionen Armutsflüchtlinge davon abzuhalten, sich auf den Weg zu machen, obwohl klar sei, dass sie keine Chance auf ein Bleiberecht haben, erklärt er immer wieder. Deshalb steht die Zustimmung zu den sicheren Herkunftsländern nun im Koalitionsvertrag und Innenminister Thomas Strobl sagt mit unschuldigem Augenaufschlag: „Ich halte Verlässlichkeit für ein hohes Gut in der Politik. Ich gehe davon aus, Herr Kretschmann sieht das genauso“.

Seitdem die Zustimmung im Koalitionsvertrag also festgeschrieben ist, war Kretschmann in der Zwickmühle. Zwischen der eigenen Partei und dem Koalitionspartner, der noch dazu in einen liberalen und einen konservativen Flügel zerfällt. Die Hardliner in der Fraktion hätten es Strobl, der eher die moderne CDU im Ländle repräsentiert, nicht durchgehen lassen, wenn er Kretschmann bei diesem Symbolthema nicht auf Zustimmung verpflichtet hätte. Der Ausweg, der jetzt gefunden ist, den trägt auch Strobls Union mit.

Milde Reaktionen aus der Partei

Und so bleibt es der sonst eher Kretschmann-Ergebenen Landespartei überlassen, den Deal zu kritisieren. Der Landesvorsitzende Oliver Hildenbrand sagt: „Das Eintreten für Menschenrechte erfordere eine klare Haltung“. Dass er es selbst war, der das Thema Flüchtlinge in den Stuttgarter Koalitionsrunden mit verhandelt hat, sagt er allerdings nicht.

Die Reaktionen der Bundespartei sind derweil erstaunlich milde. Der Parteivorsitzende Cem Özdemir sagt, der Ministerpräsident von Baden-Württemberg treffe seine eigenen Entscheidungen. Der Nordrhein-Westfalens Grünen-Chef Sven Lehmann erklärt: „Wir brauchen echte Problemlösungen, keine stimmungsgetriebene Symbolpolitik“. Die Grünen setzten auf Informationskampagnen in den Herkunftsländern und bessere Rücknahmeabkommen und Beschleunigung der Verfahren.

Kretschmann setzt derweil langfristig auf den, wie sollte es auch anders sein, pragmatischen Vorschlag eines anderen grünen Realos. Robert Habeck hatte schon vor Längerem vorgeschlagen, Verfahren jener Flüchtlingen zu beschleunigen, deren Länder eine erfahrungsgemäß geringe Anerkennungsquote haben. Eine individuelle Prüfung soll dabei wie beim jetzigen Kompromiss erhalten bleiben. Kretschmanns grün-schwarzes Kabinett hat diesen Vorschlag schon einmal grundsätzlich seinen Segen erteilt.

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15 Kommentare

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  • Es geht Kretschgrün nicht um Asyl oder 'sichere Herkunftsstaaten'. Es geht um Innenpolitik, eine Schwarz-Grüne Bundesregierung nach 2017 ist das Ziel. Dazu wollen Grüne wie CDU das 'gesunde Volksempfinden' gegen Flüchtlinge befriedigen. Dei Koalition in BaWü mit CDU-Light (Grüne) und CDU bedeutet den Probelauf für Berlin.

    • @Philippe Ressing:

      Rot-rot-grün wird es nicht geben. Dafür ist die Anti-Europa Linke zu nah bei der AFD. Für rot-grün wird es zu knapp sein. Schwarz-grün ist daher die bessere Option statt einer erneuten GroKo.

    • @Philippe Ressing:

      Ja, so sieht´s aus.

  • „Im Übrigen sei es wichtig, dass sich Bund und Länder in der Flüchtlingsfrage nicht gegenseitig blockieren.“

     

    So isses. Die grün mitregierten Länder werden deshalb auch nur solange moralische Bedenken zur sicheren Herkunft aus den Maghreb-Staaten haben, bis die Beteiligung des Bundes an den „Integrationskosten“ in trockenen Tüchern ist.

     

    (http://www.faz.net/agenturmeldungen/adhoc/roundup-bund-und-laender-bei-integrationskosten-noch-weit-auseinander-14292202.html)

  • Kretsche ist eben ganz der Pragmatiker. Er gibt da nach, wo sich eine Konfrontation nicht wirklich auszahlt, denn mit der Erklärung zu sichern Herkunftsstaaten wird ja das Asylrecht für Menschen aus diesen Ländern nicht abgeschafft.

     

    Die linken Ideologen werden sich bestätigt fühlen - "Kretschmann als Quasi-CDUler". Die Betonköpfe in der CDU werden Ihren Bauch samt Ihren fremdenfeindlichen Gefühlen gebauchpinselt fühlen und stolz darauf sein einen Phyrrussieg errungen zu haben.

     

    Und Kretsche wird sich dann, wenn es wirklich um etwas geht durchsetzen.

     

    Das nennt man wohl politisch erfolgreich agieren...

  • 8G
    89318 (Profil gelöscht)

    Ich bin AfD-Wähler.

    Mir reicht es. Es sollen also keine Nordafrikaner abgeschoben werden können, weil es "Homophobie" in Nordafrika gibt? Aha.

    Und sie meinen nicht etwa das 99% der Nordafrikaner die hier sind, heterosexuell sind, und selber homophob mit hoher wahrscheinlichkeit?

    Und das eine Prozent muss dann halt damit leben, ist so.

    Desweiteren: "homophob" ist Deutschland auch, dass können sie mir glauben. In Tuniesien kommt kein Schwuler ins Gefängnis.

    Wir müssen DRINGEND unser Asylrecht abschaffen (GB hat auch keines), denn sonst hätten mittlerweile 91% der Weltbevölkerung hier einen Asylgrund. Und das kann es ja nicht sein.

    Mal schauen ob die taz andere Meinung zensiert. Winston Churchill hat mal gesagt: "Die Faschisten der Zukunft, werden Antifaschisten genannt werden.".

    • @89318 (Profil gelöscht):

      Das nicht Einstellen von rechtlich nicht zu beanstandenden Meinungsaüßerungen (von Euch immer "Zensur" genannt, was es aber nicht ist) findet ziemlich radikal in _Euren_ Medien statt.

    • @89318 (Profil gelöscht):

      "Mal schauen ob die taz andere Meinung zensiert."

      Ich kann Sie beruhigen, i.d.R. ist die taz sehr tolerant, wenn sich jemand mit seinem Kommentar öffentlich blamieren will.

  • Kretsche wird für die Grünen das, was Agenda-2010-Schröder für die SPD war.

  • Is ja bekannt - "Wir können alles -

    Außer Hochdeutsch" - Aber -

    Schlimmer geht immer!

    "…Damit sei den Menschenrechten „ein Stück weit genüge getan“.…"

    Kretschi aber kann weder Deutsch -

    Noch Rechts&Verfassungsstaat!

     

    Das Duo Infernale im Doppelpaß!

    FrozenThomas con BlindKretschi -

    Können schon mal das Aufgebot -

    Bestellen! Pascht geschützt scho - &

    Nicht nur ein Stück weit!

    Ekelhafte Verluderung des Rechts!

    • @Lowandorder:

      @Urmel hat natürlich recht -

       

      Das FDJ-Winkelement - is

      The leader of the Pack!

       

      Mit der Richtlinienkanzlerin -

      Ist das Trio-Infernale - komplett!

       

      kurz - Fait accompli 'schland!

      Koordinated by Peter Altmaier!

      Wolfgang Carl S.S. Gröfimaz -

      An der Registrierkasse - Zéro noir &

      PanzerUschi v.d. Lie-ng get her guns!

      Melodie:" …'schland über alles!"

      Auf's nächste "…tausendjährige!"

      • @Lowandorder:

        & auch klar -

         

        Domestiken Kellner Büffetfrauen

        Werden nicht genannt!

        Die haben den Rand zu halten!

        (so geht es Nützlichen Idioten &

        Verrätern - zu recht!)

  • #Volkspartei. 30%+ in einem 11-Millionen Bundesland bekommt man nicht mit dem Denkmuster von Kreuzberger Millieuparteien.

    • @Tim Leuther:

      Das ist ja genau der Grund warum es überhaupt noch einen Ministerpräsident Kretschmann gibt.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    "Damit sei den Menschenrechten „ein Stück weit genüge getan“.",

    sagt er und wird nicht einmal rot vor Scham.