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Die Grünen und die AutosHassen Sie Autos, Herr Minister?

Der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann wurde gern als Autogegner dargestellt. Doch nun der Schock: Er ist gar keiner.

Schon immer Autofahrer: Verkehrsminister Hermann in einem Mercedes bei einer Auto-Messe 2015 Foto: Wolfram Kastl/dpa/picture alliance

W er Kulturkämpfe führen will, hat keine oder schlechte Argumente in der Sache, das gilt für alle Ideologien und politischen Parteien. Im speziellen Fall der CDU Baden-Württemberg war es so, dass sie sich den Grünen-Verkehrsminister Winfried Hermann zum Staatsfeind Nr. 1 auserkoren hatte. Vorwurf: Fährt Fahrrad. Hasst Autos. Richtig ist, dass er Fahrrad fährt. Beruflich saniert er dagegen jede Mengen Straßen für den Autoverkehr, weil aus den alten Zeiten der CDU-Regierung sehr, sehr viel liegen geblieben ist.

taz am wochenende

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Aber etwas bleibt immer hängen, und so werden einige Leute bass erstaunt sein über das Geheimnis, dass Hermann, 68, nun in seiner autobiografisch-politischen Mobilitätsgeschichte „Und alles bleibt anders“ (molino-Verlag) enthüllt: Er sei nicht nur „kein Feind des Autos und der Autoindustrie“, er wuchs in Rottenburg am Neckar als Autonarr auf. War komplett fixiert auf ein eigenes Auto und fuhr eines mit dem 18. Geburtstag – einen Ford Taunus 12 M, den er seinen Eltern abgeschwatzt hatte.

Hermann, langjähriger Verkehrsexperte der Grünen-Bundestagsfraktion, war 2011 in die erste Kretschmann-Regierung gewechselt und bearbeitet dort seither mit dem Klima- und Umweltminister Franz Untersteller den grünen Transformationskern.

Landespolitische Fortschritte sind meist nur mit sehr genauem Blick zu bemessen, aber bei Hermann ist das anders: Er saniert nicht nur Straßen, er hat von der Ladeinfrastruktur für Elektroautos über den öffentlichen Nahverkehr bis zu einer bundesweit führenden Fahrradstrategie Sichtbares und Spürbares aufzuweisen. Er hole vielleicht nicht die Stimmen, sagt ein landespolitischer Insider, sei aber „klar der Aktivposten der grünen Regierung“. Und massiert mit seiner Arbeit die grüne Parteiseele.

„In der Sache habe ich eine lange Bilanz dessen, was wir hingekriegt haben“, sagt er am Telefon, „aber wenn ich die Klimabilanz sehe, bin ich frustriert.“ Fahrradförderung, Radwege, Stadtbahn, Kombiticket, das alles verändert menschliche Lebensräume zum Besseren. Aber, sagt Hermann, „solange fossile Autos und Lkws massenhaft da sind und auf nationaler und europäischer Ebene die Rahmenbedingungen das begünstigen, werden wir im Klimaschutz nicht erfolgreich sein.“

So skizziert er in seinem Buch etwa die Elek­trifizierung der Autobahn für den Gütertransport oder erklärt, dass er für die Maut ist, um den Klimaschaden zu bepreisen.

Während er in den ersten Jahren, auch wegen Stuttgart 21, tatsächlich das Lieblingsschreckgespenst der damals oppositionellen CDU abgab, hat sich das längst geändert. Schon vor der letzten Wahl sprachen die Leute in Umfragen den regierenden Grünen die höchste Problemlösungskompetenz im Bereich Verkehr zu.

Was zum einen bedeuten kann, dass der anfangs etwas arglose Hermann cleverer geworden ist. Zum Zweiten, dass er mit seiner modernisierten Mobilitätspolitik schlicht die Mehrheitsgesellschaft vertritt. Und zum Dritten, dass die Zeit der inszenierten Blockade durch Autobahnfreiheitsgewinsel zu Ende geht.

Im Gegensatz zu Umweltminister Untersteller stellt sich Winfried Hermann erneut zur Wahl. Er habe, sagt er, zu denen gehört, die Ministerpräsident Kretschmann ausdrücklichst gebeten hatten, weiterzumachen. „Damit war für mich klar, dass ich auch weitermache.“ Wenn er seinen Stuttgarter Wahlkreis erneut und diesmal gegen die CDU-Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann gewinnt, kann derweil deren Karriere an diesem Sonntag zu Ende sein.

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Peter Unfried
Chefreporter der taz
Chefreporter der taz, Chefredakteur taz FUTURZWEI, Kolumnist und Autor des Neo-Öko-Klassikers „Öko. Al Gore, der neue Kühlschrank und ich“ (Dumont). Bruder von Politologe und „Ökosex“-Kolumnist Martin Unfried
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6 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Autos muss man nicht hassen. Das bringt soviel wie (zum Beispiel) das Coronavirus zu hassen: das müssen wir nur loswerden.

    Man darf sie halt nicht mehr subventionieren, dann erledigt sich das Problem von selbst.

    Das ganze in die ideologische Schiene zerren zu wollen, wie hier von Herrn Unfried getan, ist eine sinnlose Ablenkung, keine Ahnung ob mit Absicht oder aus Naivität heraus.

    • @tomás zerolo:

      Das Problem ist halt, dass Deutschlands Wirtschaft, Wohlstand und nicht zuletzt Steuereinnahmen stark auf Fahrzeugbau gründen. Vielleicht reicht es ja schon, die Umrüstung auf alternative Antriebe zu forcieren.

  • Wann werden diese Museeumsstücke eigentlich mal abgeschafft?

    • @Bunte Kuh:

      Wenn sie mich die 34Km zur Arbeit tragen. Bus fährt keiner und laufen bisschen weit.

  • Däh&Zisch - Mailtütenfrisch - legt nach:

    “ Einfaltsgewinsel = Ausfaltsgewinsel.







    Es ist doch nicht zu fassen.



    Autos sind nicht zu hassen.



    Mensch soll sie fahren lassen.







    Lass fahren dahin,



    sie bringen viel Gewinn.



    Das ist Gesetz in Schwaben,



    und alle, die keins haben,



    die haben es im Sinn.“

    kurz - Un dann sün da noch de ahl bekannde!



    Poli&Medi- Propagandüsten.



    Dei so tun - als wenn’se von nix wüßten!



    Meßdienern & Bede sich durchs Spätzle Lande.



    &



    Dann noch die am Griffel Kauer.



    Wie Tulpe tun‘se - auf schwer Schlauer.



    & nochens -



    Wenn ich den Kaffee nicht eh aufhätte:



    Sachich mal 'taz - Fischeinwickelgazette'

  • Däh&Zisch - Mailtütenfrisch - legt vor:

    Zitat: “ & VORAB ZUR EINEN EINEN PHRASE 😂 -

    Glückauf! noch nicht auf taz.de: taz.de/!5754532/ Ein Wort sagt mehr als tausend Phrasen: "Autobahnfreiheitsgewinsel"



    (Ist es noch Spott oder ist es schon Niedertracht?)“

    kurz - Biste nur noch Propàgandíst - 😱 -



    Dann Kehrwoche selber deinen Mist 😫 - “



    & ergänzte doch sogleich -



    “ kurz - Wennse sonst nix auffe Pfanne haben. Gellewelle.



    Tun sojet tumbe Knaben - 🤫 -



    Wohlfeil sich aaf die Schnelle - 🧹-



    An ehrn ahl Pappkameraden - Laben 🥳



    & weiter geht’s -



    “ & Indeed. PU: Reden: I never heard. But.



    “Guter Redner. Lausiger Schreiber!“



    Befand einst Hans Mayer zu einem sojet



    Fürwahr • “

    Ende des Vorstehenden

    unterm——



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