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Die Ecowas und der Coup in NigerSchlechter Ruf gestärkt

Kommentar von Katrin Gänsler

Nach dem Militärputsch in Niger zeigte sich die Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas uneinig. Ihr fehlt ein Mittel zur sinnvollen Beilegung von Konflikten.

Omar Touray (links), Präsident der ECOWAS-Kommission Foto: Gbemiga Olamikan/ap

A m Ende hat die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas keine Wahl gehabt, ist zurückgerudert und betont jetzt, dass nach dem Putsch im Niger auf diplomatischem Weg eine Lösung gefunden werden soll. Gleichwohl hat sie angekündigt, eine militärische Bereitschaftstruppe aufzustellen. Nach aktuellem Stand ist das eine nachvollziehbare Reaktion. Ein Glanzstück hat die Regionalorganisation damit aber nicht abgeliefert.

Bereits vor dem Auslaufen des Ultimatums am 6. August wurde deutlich, dass es in Westafrika keine Basis für eine militärische Intervention gibt. Länder wie Benin, die zwar bereit sind, Truppen zu stellen, betonen, dass ihnen Vermittlungsversuche lieber seien. Nichtstaatliche Organisationen und Po­li­ti­ke­r:in­nen warnen in der Region vor katastrophalen Folgen für die Bevölkerung. Nur Nigerias Präsident Bola Tinubu, gleichzeitig Ecowas-Vorsitzender, hielt noch an dem Plan fest. Damit hat er sich keinen Namen als geschickt verhandelnder Politiker gemacht.

Einerseits hat die Ecowas so zwar auf Sorgen der Bevölkerung reagiert, die eine Intervention ablehnt, auch wenn es keine Erhebungen gibt, wie viele Menschen eine solche tatsächlich befürwortet hätten. Andererseits hat sie ihren schlechten Ruf gestärkt, nicht konsequent genug zu sein und den Ankündigungen keine Taten folgen zu lassen. Und wenn es zu Konsequenzen kommt, dann treffen diese meist die Bevölkerung, nicht aber die Machthabenden.

Unter den bereits verhängten Wirtschaftssanktionen, etwa den geschlossenen Grenzen, leiden vor allem jene, die ohnehin kaum Geld haben. Wie wenig das bringt, hat Mali im vergangenen Jahr gezeigt. Die Ecowas wollte die Junta mit scharfen Sanktionen gegen die Bevölkerung zwingen, Präsidentschafts- und Parlamentswahlen zu organisieren. Doch sie scheiterte kläglich und musste die Sanktionen nach einigen Monaten erfolglos aufheben.

Tatsächlich geht es um strukturelle Probleme. Vor allem die Sahel-Länder Niger und Mali sind riesige Flächenstaaten. Dort waren staatliche Strukturen viel zu wenig präsent und auch nicht vertrauenswürdig. Das geht einher mit massiven wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Militärs haben leichtes Spiel, gewählte Regierungen zu diskreditieren und ihnen vorzuwerfen, zu wenig gegen den Terrorismus zu unternehmen. Unterstützung erhalten sie durch soziale Netzwerke, in denen allerlei Falschinformationen und antiwestliche Rhetorik verbreitet werden.

Erst wenn Re­gie­rungs­ver­tre­te­r:in­nen glaubhafter werden, sich Sicherheitslage und die wirtschaftliche Situation ebenso bessern wie der Zugang zu Bildung und Gesundheitsvorsorge, kann die Putschgefahr gebannt werden.

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Westafrika-Korrespondentin
Nach dem Abitur im Münsterland bereiste sie zum ersten Mal Südafrika und studierte anschließend in Leipzig, Helsinki und Kopenhagen Journalistik und Afrikanistik. Nach mehreren Jahren im beschaulichen Schleswig-Holstein ging sie 2010 nach Nigeria und Benin. Seitdem berichtet sie aus ganz Westafrika – besonders gerne über gesellschaftliche Entwicklungen und all das, was im weitesten Sinne mit Religion zu tun hat.
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8 Kommentare

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  • Die Ecowas ist wie die EU eine Wirtschaftsvereinigung. Diese hat sich in die inneren Angelegenheiten ihrer Mitglieder nicht einzumischen.

    • @DiMa:

      Nur wie stellen sie sich die Klärung einer solchen inneren Angelegenheit vor wenn es sich bei dieser um einen Militärputsch und die Errichtung einer Diktatur handelt? Und wäre Nichteinmischung und Übergang zur Tagesordnung tatsächlich die adäquate Reaktion aus Brüssel wenn sich - sagen wir mal - in Spanien Militärs an die Macht putschen und dort dann tun was Militärjuntas eben so tun?

      • @Ingo Bernable:

        Nehmen wir Ihr Beispiel "Spanien Militärputsch" dann könnten die jeweiligen Nachbarländer hierzu Stellung beziehen, nur die EU hat sich als Verein gefälligst rauszuholen. Es bleibt eine innere Angelegenheit eines Mitgliedsstaates.

      • @Ingo Bernable:

        Vorstellungsgabe

        Zitat @Ingo Bernable: „Nur wie stellen sie sich die Klärung einer solchen inneren Angelegenheit vor wenn es sich bei dieser um einen Militärputsch und die Errichtung einer Diktatur handelt? Und wäre Nichteinmischung und Übergang zur Tagesordnung tatsächlich die adäquate Reaktion aus Brüssel wenn sich - sagen wir mal - in Spanien Militärs an die Macht putschen und dort dann tun was Militärjuntas eben so tun?“

        …so etwa, wie man sich die Reaktion 1949 auf das NATO-Gründungsmitglied Portugal unter seinem Diktator Salazar sowie auf den Militärputsch der Obristen im NATO-Land Griechenland 1967 vorzustellen hat.

        • @Reinhardt Gutsche:

          Wenn sie das tatsächlich für adäquat und richtig halten, bleibt mir nur die Feststellung, dass Diktatur mittlerweile wohl von immer mehr Menschen für eine normale und akzeptable Regierungsform gehalten wird.

  • Die Sorgen der Bevölkerung

    Zitat: „…hat die Ecowas so zwar auf Sorgen der Bevölkerung reagiert, die eine Intervention ablehnt“

    Soeben wurde die Verschiebung des interventionsvorbereitetenden Treffens der Ecowas-Militärchefs auf den St. Nimmerleinstag gemeldet. Bemerkenswerter noch als diese Verschiebung ist deren Begründung: Dem Tagesspiegel zufolge erfolgte die Absage „vor dem Hintergrund von Protesten von Befürwortern des Staatsstreichs in der Hauptstadt Niamey. Tausende Menschen versammelten sich in der Nähe eines französischen Militärstützpunkts und skandierten „Nieder mit Frankreich, nieder mit Ecowas“.

    Es scheint der Ecowas zu dämmern, daß im Niger das Ancien Regime alles andere als populär und von der Musterdemokratie weit entfernt war, die der Wertewesten aller Welt glauben machen will. An diesem Narrativ werden immer mehr Zweifel laut, und es sieht nicht danach aus, daß die Volksmassen dem abgesetzten Präsidenten dicke Tränen nachweinen. Die Opposition hatte offensichtlich unter Zuständen zu leiden, wie sie allgemein nur unter Diktaturen üblich sind: „Wir Nigrer haben nichts als das Ersticken unserer Grundrechte erlebt und die Korruption und die illegitime Bereicherung neue Gipfel erreichen sehen“, so die NGO „Alliance pour la paix et la sécurité“. (Le Monde, 09.08.2023). Protestkundgebung dagegen wurden regelmäßig blutig unterdrückt und Teilnehmer kaltblütig erschossen.

    Die Sanktionen und die Interventionsdrohung haben paradoxerweise zu einer Solidarisierung mit der Junta auch jener Kräfte geführt, die zuvor dem Putsch ablehnend gegenüberstanden, wie etwa die NGO „Tournons la page“ oder die größte Oppositionspartei „Moden-Fa Lumana“. deren Vorsitzender H. Amadou vor der Präsidentenwahl 2016 inhaftiert und damit von der Kandidatur gegen Bazoum ausgeschlossen wurde, ein wahlentscheidendes Manöver, das allein die demokratische Legitimität des gestürzten Präsidenten in Frage stellt. (ebd.)

    • @Reinhardt Gutsche:

      Der Umstand, dass auch vorher nicht alles super war bedeutet nur eben längst noch nicht, dass die Machtübernahme durch eine Militärjunta legitim oder auch nur besser wäre. Dass die Massen Diktatoren zujubeln haben wir in der eigenen Geschichte gleich mehrfach erlebt, etwas Gutes hat das nie bedeutet.

      • @Ingo Bernable:

        Mir persönlich fällt es schwer eine klare Position zu beziehen.



        Aber "...dass auch vorher nicht alles super war", ist eine Verharmlosung der Zustände. Der Niger ist eines der Ärmsten Länder der Welt und wird wirtschaftlich gerade von Frankreich ausgebeutet. Viele Menschen leben dort unter unmenschlichen Bedingungen. Europäische Ideale scheitern an der Realität deren Gegebenheiten auch darin liegen, das diese Ideale für Europa außerhalb seiner Grenzen über Lippenbekenntnisse hinaus keine Gültigkeit besitzen sobald es um geopolitische oder wirtschaftliche Interessen geht. Frankreich bezahlt Dumpingpreise für Uran aus dem Niger. Gesundheitliche und ökologische Folgen werden ignoriert. Ich kenne das Leben in Armut in Westafrika durch aktive Unterstützung sozialer Projekte sehr gut. Ich war schon oft dort ( Liberia und Cote d´Ivoire ) und stehe über WhatsApp in ständigen Kontakt mit Freunden die mir ihren Alltag schildern. Für viele ist das Leben einfach zu hart. Und es wird nicht besser. Oft ist das Gegenteil der Fall. Ob Diktator, Militärjunta oder Demokratie macht für viele keinen unterschied wenn man jeden Tag um das Minimum kämpfen muss. Sie wollen das es für sie persönlich besser wird. Demokratie hat sich für viele nicht bewährt. Wir sind mitschuldig daran, indem wir aus Eigeninteressen afrikanische Demokratien schwächen wenn es uns in den Kram passt.



        Die Westafrikanischen Länder in denen geputscht wurde haben auch den Franc CFA der allein den Interessen Europas und der afrikanischen Oberschicht dient. Er ist am Euro gekoppelt. Haben sie schonmal gehört wenn es um Europäische Währungspolitik geht, dass der Franc CFA Thema war und Rücksicht genommen wurde? Wohl kaum. Das die Hälfte der Währungsreserven der CFA- Länder in Frankreich liegen weiß auch kaum jemand in Europa. Die Einführung des ECO der den CFA ablösen sollte kommt auch nicht voran. Warum auch immer. Wer sich mit Frankreich anlegt hat viel Sympathie bei den Menschen.