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Die CDU in der KriseAbschied von der Ära Merkel

Sabine am Orde
Kommentar von Sabine am Orde

Die CDU muss sich nach Laschets angekündigtem Abgang neu aufstellen, nicht nur personell. Wurstelt sie so weiter wie bisher, dürfte sich ihr Niedergang fortsetzen.

Merkel-Raute: Zwei Versuche in der CDU, ihre Politik irgendwie zu verlängern, sind gescheitert Foto: Hannibal Hanschke/Reuters

A rmin Laschets Ankündigung, sich vom Parteivorsitz zurück zu ziehen, war verschwurbelt und unklar, wie so viele seiner Einlassungen in letzter Zeit. Doch hinter die Aussage, dass die Parteispitze nun neu aufgestellt werden muss, wird der Rheinländer nicht mehr zurück kommen. Laschets Abgang ist nur noch eine Frage der Zeit. Doch wenn die CDU hofft, dass es damit nun wieder bergauf geht, täuscht sie sich.

Der Partei steht ein extrem schwieriger Erneuerungsprozess bevor, der wohl nur mit jenem Anfang der siebziger Jahre zu vergleichen ist. Damals setzte sich Helmut Kohl als Parteichef durch, platzierte junge und auf Veränderung drängende Parteifreunde wie Heiner Geißler und Kurt Biedenkopf an strategisch wichtigen Stellen und verordnete der Partei eine grundsätzliche Reform, inhaltlich wie strukturell. Kohl hatte sich auf all das gut vorbereitet. Und doch dauerte es bis 1982, bis die CDU wieder an die Macht kam.

Für Laschets Nachfolger sind Herausforderungen ähnlich groß. Die CDU muss sich neu aufstellen, nicht nur personell. Sie muss sich entscheiden, ob sie eine Partei der Mitte bleiben oder weiter nach rechts rücken will. Sie muss klären, für welche Themen und Positionen sie künftig stehen will. Und welchen Kurs sie in der Opposition, wo sie wohl landen wird, fahren will. Sie muss festlegen, wie viel Macht die Gremien behalten sollen und wie viel Mitspracherecht sie den Mitgliedern einräumen will. Kurz: Die Christdemokratie muss sich entscheiden, was für eine Partei sie sein will.

Gefahr selbstzerstörerischer Energien

Dass manche dabei, wie der Hamburger Landeschef Christoph Ploß oder Tilman Kuban, der Vorsitzende der Jungen Union, ausgerechnet mit der ÖVP als Modell liebäugeln, die sich Sebastian Kurz und seinem populistischen Kurs unterworfen hat, mag skeptisch stimmen. Mehrheitsfähig aber dürfte ein solches Modell – auch unabhängig von den aktuellen Razzien in Wien – in der CDU derzeit nicht sein.

Laschet hat angekündigt, zumindest die personelle Neuaufstellung moderieren und im Konsens lösen zu wollen. Doch es ist nicht zu erwarten, dass einer der bislang gehandelten Kandidaten, die längst hinter den Kulissen ihre Truppen sammeln – also Jens Spahn, Friedrich Merz, Norbert Röttgen und möglicherweise Ralph Brinkhaus – klein beigibt.

Keiner von ihnen ist stark genug, um als Laschets natürlicher Nachfolger zu gelten. Aber keiner ist so schwach, dass er das Feld freiwillig räumen wird. Viel spricht deshalb für einen offenen Machtkampf. Was gar nicht schlecht sein muss: Ihre Zukunftsfragen darf die CDU ruhig breit und kontrovers austragen. Die Gefahr ist, dass selbstzerstörerische Energien entfesselt werden, wie im Machtkampf zwischen Söder und Laschet. Die Selbstbeschäftigung sollte zeitlich eng befristet sein.

Kramp-Karrenbauer, Laschet – und nun?

Die CDU muss Abschied von der Ära Merkel nehmen. Zwei Versuche, Merkels Politik irgendwie in die Zukunft zu verlängern, sind gescheitert. Zuerst unter Annegret Kramp-Karrenbauer, jetzt unter Laschet. Wurstelt die Partei so weiter, dürfte sich ihr Niedergang fortsetzen.

Dazu gehört auch, jetzt keine Politiker in die erste Reihe zu lassen, die sich – wie Merz – weiterhin vor allem an der Kanzlerin und den eigenen Verletzungen aus dieser Zeit abarbeiten. Ganz zu schweigen von seinem rückwärtsgewandten politischen Kurs.

Ohnehin wäre es an der Zeit, dass die CDU einen Generationenschnitt vollzieht, wie damals bei Kohl. Dafür steht von den bislang gehandelten Kandidaten nur Jens Spahn. Der Gesundheitsminister, dem populistische Ausflüge nicht fremd sind, würde die CDU deutlich konservativer aufstellen, aber mutmaßlich nicht rückwärtsgewandt.

Ein Gegenmodell könnte der Kieler Ministerpräsident Daniel Günther verkörpern, wenn die CDU es liberaler will. Ein Kandidat oder gar eine Kandidatin, die quer zu diesen Lagern liegt, ist nicht in Sicht. Falls die Union sich in der Opposition wiederfindet, wird sie sich gegen die Ampel profilieren müssen. Mit einer liberalen Aufstellung wird das schwierig. Das spricht für die konservativere Variante. Es spricht für Spahn.

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Sabine am Orde
Innenpolitik
Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.
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17 Kommentare

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  • Kramp-Karrenbauer, Laschet – und nun?

    Darauf bin ich auch gespannt.

    Spahn naja china reiskorn - Merz nee - nä.

    Der CDU steht eine lange Zeit der Opposition bevor und das ist gut so.

  • Dass ein Jens Spahn die CDU erneuern könnte, ist für mich sehr schwer vorstellbar. Dazu fällt seine Bilanz als Gesundheitsminister auch viel zu durchwachsen aus. Das müssen dann schon eher Leute vom Schlage eines Daniel Günther machen. Der selbst wäre aber doch mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn er Schleswig-Holstein verlassen würde, um mal eben in der Schlangengrube der Bundes-CDU aufzuräumen. Wem soll man sowas eigentlich guten Gewissens zumuten können?



    Melanie Amann vom Spiegel hat kürzlich bei Maybritt Illner - sehr zum Ärger von Friedrich Merz - darauf hingewiesen, dass bei der CDU ja gar nicht erkennbar wurde, wohin sie programmatisch eigentlich will. Die Millionen an Wählern, die sie verloren hat, sind nach Mitte links abgewandert und nicht etwa nach weiter rechts. Alle Pläne, die CDU jetzt weiter rechts wieder neu aufzustellen, werden deshalb der CDU bei der nächsten Wahl keinen einzigen Wähler zurückholen.

    • @Rainer B.:

      "Die Millionen an Wählern, die sie verloren hat, sind nach Mitte links abgewandert und nicht etwa nach weiter rechts. "

      Das stimmt nur, wenn man alle Wahlen vor der Bundestagswahl 2021 vollkommen ignoriert.



      2009 hatte die AfD genau Null Stimmen, 2017 waren es 5.878.115 Stimmen, 2021 blieben immer noch 4.802.097 Stimmen übrig.



      Irgendwo müssen die ja hergekommen sein, und da kann man schon mal auf die CDU tippen.

      • @Don Geraldo:

        Die Stimmen, die vor der Bundestagswahl 2021 gewandert sind, waren primär gar keine Stimmen von Stammwählern, sondern von Protest-, Taktik- und Wechselwählern, darunter übrigens auch nicht wenige von denen, die vorher lange die Linke gewählt haben. Man wird davon ausgehen dürfen, dass bei dieser Wahl nur noch der harte Kern der CDU-Stammwähler auch die CDU gewählt hat. Dieser Kern wird immer älter und manche davon sind auch im Zuge der Corona-Pandemie verstorben. Das heißt doch, dass im Grunde nur die Parteien, denen es programmatisch gelingt, junge Leute an sich zu binden, in Zukunft überhaupt noch mit Zuwachs rechnen dürfen. Die Stimmen, die sich früher drei Parteien teilten, müssen sich heute sechs und mehr Parteien teilen. Wer auch immer der CDU verspricht in Zukunft wieder Wahlergebnisse wie in den 50er 60er 70er Jahren einzufahren, kann doch gar nicht seriös sein. Wem die CDU nicht rechts genug ist, der wählt doch heute gleich AfD.

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    „..schnippeln an einer Gemüsesuppe.“ Sowas schaffen auch nur Politiker*innen. Und als Beilage gibt’s dann Worthülsensalat. 🍭



    Ich sach mal: „Deutsche Sprache schwere Sprache.“ Z.B.: „Henneberger: ‚Wenn wir es schaffen, eine Regierung zu bilden, die die 1,5-Grad-Grenze nicht nur respektiert, sondern auch umsetzt, wenn wir es also schaffen, für unsere Generation eine Zukunft aufzubauen: Warum sollte man es dann nicht versuchen?‘“ Ja. Wenn wir das schaffen, dann sollten wir es auch unbedingt versuchen.



    Merke: Zukunft gibt’s nur eine,



    doch jedeR wünscht sich seine.



    (gegendert reimen ist echt schwer 😍)

    • 9G
      95820 (Profil gelöscht)
      @95820 (Profil gelöscht):

      falsche Weide.Sollte hier hin:



      taz.de/Gruen-gelbe...rs-Klima/!5803998/

  • Ab kommendem Dienstag steht Sebastian Kurz als neuer Parteivorsitzender (er wechselt mal eben) und Kanzlerkandidat der CDU zur Verfügung. Jung, dynamisch, rechtslastig. Was will man mehr?

  • "Mit einer liberalen Aufstellung wird das schwierig. Das spricht für die konservativere Variante. Es spricht für Spahn."

    Aber ehrlich, Spahn ist erstens nicht konservativ, zweitens hat er sich durch seine Nicht-Leistungen als Gesundheitsminister disqualifiziert (auch wenn er das selbst nicht wahrhaben will) und drittens ist er ein Produkt des Systems Merkel. Er würde also den Niedergang fortführen. Wer der CDU Jens Spahn wünscht, will ihren Untergang..

  • @ Pfanni: "unter Merkel besser ging"?? 1. Afghanistan mit vielen Toten, vielem Leid und viele Milliarden, besser, nein. 2. Cum-Ex mit 33 Mia Verlust und wenig Aufklärungswille in der Ära Merkel. besser, nein 3. Krankenschwestern-, Erzieherinnen- und Grundschullehrerinnenmangel im reichsten Land Europas mit der "mächstigsten" Frau an der Spitze, deren Maxime Machterhalt bis ins Rentenalter mit einem massiven Reformstau gerade aufgegangen ist, dank fehlender Investigativität vieler Medien und der Unfähigkeit vieler Bürger:innen, ihr Machenschaften zu durchschauen. Schon 2012 gab es ein Buch von Stefan Hebel: Mutter Blamage. Seither ist noch viel Negatives dazugekommen. Kurz in Ö. ist die junge Dreistigkeit sog. bürgerlicher Regierungen, Pendant hier: Scheuer, Amthor und die ganzen Maskenprofiteure usw., Änderung kaum in Sicht.

    • @Sarg Kuss Möder:

      Bisher musste sich JEDE Regierung zum Ende der Legislaturperiode eine lange Liste von Fehlern und Versäumnissen vorhalten lassen, die Liste der Erfolge war stets kürzer (gilt auch für die gehabte rot-grüne Schröder/Fischer-Regierung).



      Wir kennen zwar die künftige Regierung noch nicht. Aber egal, ob AMPEL, JAMAIKA oder GROKO: Auch ihnen wird es zum Ende, wenn Bilanz gezogen wird, nicht anders ergehen!

  • Bin gespannt, wohin es die Union treibt.. Zurück in die 90`er mit Merz, oder weiter nach Rechts..? Würde mich freuen, wenn Leute wie Rötgen und Günther mehr das Ruder nehmen würden. Die beiden wären für mich sogar wählbar. Eine moderne Großstadt Union wollte ja einst OVB in Hamburg gründen, ist dabei aber kläglich gescheitert. Eine Union wie unter Kohl ist wohl das letzte was gebraucht wird. Die Situation erinnert mich immer ein wenig an die Reps in den USA, die haben die Partei dann aus purer Verzweiflung einem Irren überlassen. Hoffentlich nicht hier auch.. Wer könnte das hier sein- Maaßen, X Naidoo..?

  • Was die, wie auch immer geartete neue Regierung mit sich bringen wird, muss sich noch zeigen. Hoffentlich wird man nicht am Ende der Legislaturperiode sagen müssen, dass es uns unter Merkel besser ging!

  • Gerade Kuban und Ploß ihr vermeintliches Vorbild so abzunehmen, würde selbst der ÖVP auch skeptisch nahe treten, denn das nun wirklich ausgewiesene Rechtspopulisten üblerer Sorte. Dazu müssten sie erst mal erwachsen werden, ich meine auch so erwachsen wie es Herr Kurz schon war als er Kanzler wurde, oder gewesen sein dürfte. FPÖ, vielleicht. Und das, wie ich hier vor Wochen begründete, die Autorin nun offenbar ähnlich bewertet, auch eher die Richtung, die im Angesicht der geballt-gezwungenen "Mitte" aka Ampelklumpen überhaupt bleibt. Ob man das dann noch konservativ nennen möchte, ist eine andere Frage. Und ob ein Spahn das einlösen könnte, oder auch nur wollte, noch mal eine andere. Skepsis aber schon deshalb angebracht, da ja nun gerade Jens Spahn als Versprechen für Aufbruch und Erneuerung eigentlich dreimal verbrannt ist. Sowohl durch seine jetzt schon ewig gefühlte Zeit in der Merkel-Groko als auch durch seine inzw. reichlich angehäuften Verfehlungen. Für ihn und mit ihm ist wohl nichts mehr zu gewinnen und der wusste sehr gut, warum er nicht selbst bereits zum zweiten Mal antrat, das lag garantiert nicht nur an selbstloser Rücksicht auf Laschets Ausbeute oder der Verhinderung des sonst fast sicheren Merz. Der dann schon viel eher. Auch jetzt und jetzt erst recht, sowieso wenn die Basis bestimmt, nur mit ihm hart rechts und da müssen, werden sie hin. So ist der erwartete Preis für's an sich zweifelhafte Ampelvergnügen, das kann man nicht fröhlich und kritikfrei hochjazzen und sich dann wundern, wenn sich links wie rechts radikalisiert. Die Parallelen zu den 70ern sind sonst überschaubar. Ganz andere Gesellschaft, kein Osten, nur eine Konkurrentin, keine Zangenlage durch die AfD. Wer die traditionellen Lager so aufgibt, obwohl sie weiter bestehen, der bekommt ein *Lager*. Das wird's in sich haben. Und man wird vielleicht selbst Spahn noch mal vermissen, von Günther und anderen nicht zu reden.

    • @Tanz in den Mai:

      Welche lagergerechtere Alternative zu Jamaika oder Ampel lässt denn das Wahlergebnis aus Ihrer Sicht zu?

      Der "Ampelklumpen" ist in den USA eine Partei. Die nennt sich Demokraten und haben zudem (um in der Analogie zu bleiben) auch noch den "gemäßigteren" Teil der CDU und der Linkspartei mit an Bord. Das ist leider auch dort nicht der Idealzustand einer Vereinigung von Menschen mit gemeinsamen Zielen.

      Man muss sich halt irgendwie entlang der Problemstellungen zusammenraufen, und auch die dann notwendige Kritik an diesem "Lösungsklumpen" sollte nicht abgehoben von den tatsächlichen Problemstellungen und Widersprüchen erfolgen.

      Im Prinzip gibt es heute, wie ich zu Beobachten meine, zwei Lager, die den Rechts/Links Antagonismus nicht ersetzten aber überlagern:

      Die Menschen, die einem argumentativen Diskurs auch im Streit mehr als weniger offenstehen oder die, welche es aus einer Vielzahl von Gründen eben nicht sind.

  • Spahn ist korrupt und unfähig genug, dass er das Rennen machen dürfte. Damit steht er für Kontinuität in der CDU.

    • @Dorian Müller:

      Leider ja.



      Was auch ein Grund wäre, die CDU ganz in der Versenkung verschwunden zu lassen.



      Korruption zerstörte und zerstört jede Demokratie!

  • Fall es nach der Wiederaufstellung der Union dieses Jahrhunderts wieder 10 bis 12 Jahre dauern wird, bis die Union wieder an die Macht kommt, gelangen wir aus den, hoffentlich sehr liberalen und progressiven, 20er Jahren doch wohl hoffentlich nicht in sehr illiberale und reaktionäre 30er...