Deutschland in der Krise: Die Wirtschaft ist geschrumpft
Das Bruttoinlandsprodukt ging vergangenes Jahr auch wegen anhaltend hoher Energiepreise um 0,3 Prozent zurück. Gleichzeitig spart der Staat.
„Die trotz der jüngsten Rückgänge nach wie vor hohen Preise auf allen Wirtschaftsstufen dämpften die Konjunktur“, sagte die Präsidentin des Statistischen Bundesamtes, Ruth Brand. Hinzu kämen ungünstige Finanzierungsbedingungen durch hohe Zinsen und eine geringere Nachfrage aus dem In- und Ausland.
Dass die Wirtschaftsleistung abnimmt, war allgemein erwartet worden. Die meisten Ökonom*innen gingen sogar von einem größeren Minus aus. Fünf führende Wirtschaftsinstitute prognostizierten im September in ihrer Gemeinschaftsdiagnose ein Minus von 0,6 Prozent. Die Bundesregierung ging in ihrer Herbstprojektion davon aus, dass die Wirtschaft um 0,4 Prozent schrumpfen würde.
Seit dem Vorkrisenjahr 2019 stieg die deutsche Wirtschaftsleistung insgesamt um lediglich 0,7 Prozent – und hinkt damit im internationalen Vergleich deutlich hinterher. Jetzt ist Deutschland vermutlich das einzige große EU-Land, in der das BIP 2023 sogar gesunken ist. Die EU-Kommission geht davon aus, dass die Wirtschaft in der gesamten Europäischen Union um 0,6 Prozent gewachsen ist. Seit 2019 hätte sich die Wirtschaftsleistung der EU damit um 4,1 Prozent vergrößert. Sogar noch stärker ist aber vermutlich das Plus seit 2019 in den USA und China mit 7,5 beziehungsweise 20,1 Prozent.
Energiepreise belasteten die Produktion
Laut dem Statistischen Bundesamt stabilisierten sich die Energiepreise, die 2022 infolge des russischen Angriffs nach oben geschossen waren, 2023 auf hohem Niveau. Dies belastete insbesondere die Industrieproduktion. Besonders stark sank die Wertschöpfung demnach in energieintensiven Branchen wie der Chemie- und Metallindustrie, die bereits 2022 relativ stark auf die steigenden Energiepreise reagiert hatten.
Gleichzeitig fiel der private Konsum als Konjunkturstütze aus. Er verringerte sich vergangenes Jahr um 1,1 Prozent und lag damit 2,1 Prozent unter dem Niveau von 2019. Dabei sparten die Menschen insbesondere an langlebigen Gütern wie Möbeln sowie Lebensmitteln und Getränken.
In dieser Situation gab auch die öffentliche Hand weniger aus, was die Wirtschaftsleistung zusätzlich schmälerte: Wenn man die Inflation rausrechnet, reduzierte der Staat 2023 erstmals seit fast 20 Jahren seine Konsumausgaben. Das Finanzierungsdefizit lag so bei 82,7 Milliarden Euro oder 2,0 Prozent des BIP – und damit unter dem EU-Grenzwert von 3,0 Prozent.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen