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Deutscher Mieterbund über Grundsteuer„Hongkong kann kein Vorbild sein“

Lukas Siebenkotten vom Mieterbund wünscht sich ein Grundsteuer-Modell, in dem der Gebäudewert keine Rolle spielt. So sollen Mieter in Metropolen entlastet werden.

Ginge es nach dem Mieterbund, würden nur Grund und Boden in die Berechnung einbezogen Foto: dpa
Interview von Martin Reeh

taz: Herr Siebenkotten, die Verhandlungen zwischen Bund und Ländern um die neue Grundsteuer laufen noch immer. Wie zufrieden sind Sie bisher aus Mietersicht?

Lukas Siebenkotten: Wir sind der Auffassung, dass die Grundsteuer nicht mehr auf Mieter umgelegt werden darf, was eine Änderung der Betriebskostenverordnung bedeuten würde. Wenn wir das bekämen, bräuchten wir uns mit dem genauen Modell der neuen Grundsteuer nicht mehr zu beschäftigen. Aber natürlich wissen wir nicht, wie die Verhandlungen ausgehen. Bisher sind wir nicht sonderlich zufrieden, weil ein wertabhängiges Modell, in dem der Gebäudewert eine wichtige Rolle spielt, Mieter in Metropolen stärker belasten wird.

Das Modell wird von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und allen Ländern außer Bayern favorisiert. Sie wollen dagegen ein Bodenwertmodell. Was ist das?

Es bezieht nur den Wert von Grund und Boden in die Grundsteuerberechnung ein. Es ist deutlich einfacher als das Scholz-Modell, weil der Bodenwert in ganz Deutschland durch Gutachterausschüsse erhoben wird und man auf diese Daten zurückgreifen kann.

Das Modell finden manche gut, weil es Spekulation mit Grundstücken unattraktiver macht und damit einen Anreiz zum Bauen setzt. Auf der anderen Seite sorgt es für eine größere Verdichtung. Hongkong hat eine solche Bodenwertsteuer. Sehen Sie die dortigen eng gebauten Hochhäuser mit wenig Lichteinfall als Vorbild?

Hongkong kann natürlich kein Vorbild sein, aber von Hongkonger Verhältnissen sind wir zum Glück noch weit entfernt. Eine gewisse Verdichtung ist notwendig, wenn man genügend bezahlbaren Wohnraum in den Städten schaffen will. Auf fünf Etagen noch eine sechste draufzusetzen ist notwendig und zu begrüßen.

Wie kann man vermeiden, dass gleich drei Etagen drübergesetzt werden, weil sich das mit dem Bodenwertmodell besser rechnet?

Bild: Markus Wächter
Im Interview: Lukas Siebenkotten

Lukas Siebenkotten, 61, ist seit 2008 Direktor des Deutschen Mieterbundes und Chefredakteur der MieterZeitung. Der Jurist war von 1995 bis 1999 Bürgermeister von Willich.

Über das Baurecht. Die Kommunen müssen im Bebauungsplan festschreiben, dass mehr als sechs Geschosse nicht zulässig sind.

Sie glauben, dass solche Bebauungspläne auch erlassen werden?

Ich gehe davon aus, dass die Stadtmütter und -väter nicht an einer Stadt voller 17-stöckiger Hochhäuser interessiert sind.

Sie kennen vielleicht das Fliegerviertel in Berlin-Tempelhof mit vielen Reihenhäusern in Innenstadtnähe, eher eine Kleine-Leute-Gegend. Steigt dort – wie in anderen deutschen Einfamilienhäusern in Innenstadtlage – der Druck durch die Bodenwertsteuer, sodass die Bewohner verkaufen müssen?

Ganz klar: Das Bodenwertmodell tut mehr für Menschen, die in größeren Häusern wohnen. Bewohner eines kleinen Hauses mit einem hohen Bodenwert schneiden tendenziell schlechter ab. Dessen sind wir uns bewusst. Wir können aber nicht alle Probleme auf einmal lösen. Vor allem nicht, wenn die Grundsteuerreform aufkommensneutral sein soll – das ist die Monstranz, die der Bundesfinanzminister und die Länder vor sich her tragen.

Streit über Grundsteuer

Noch immer stocken die Verhandlungen um eine Neuordnung der Grundsteuer. Grund ist der hartnäckige Widerstand der CSU. Bayern bevorzugt ein sogenanntes Flächenmodell zur Berechnung: Es ist unbürokratischer als das von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) favorisierte wertabhängige Modell - für Villenbesitzer in Starnberg und Sozialmieter in der Oberpfalz fiele aber der gleiche Tarif an. Scholz will dagegen auch die Miethöhe in die Berechnung der Grundsteuer einbeziehen. Damit könnten allerdings die Mieten in den ohnehin teuren Innenstadtlagen nochmals steigen. Ob die Grundsteuer weiterhin auf die Mieter umgelegt werden kann, soll nämlich erst entschieden werden, wenn die neue Grundsteuer verabschiedet ist. Die SPD ist gegen die Umlagefähigkeit, die Union dafür.

Wenn das Modell so viele Vorteile hat – warum ist es in den Verhandlungen kein Gegenstand?

Das habe ich auch nicht verstanden. Aus meiner Sicht ist es sogar ein idealer Kompromiss zwischen dem wertabhängigen Modell mit Gebäudewertberechnung von Herrn Scholz und dem Modell, was Bayern bevorzugt, nämlich nur die Fläche zu berücksichtigen. Mein Eindruck ist, dass insbesondere die kommunalen Spitzenverbände die Bodenwertsteuer auf keinen Fall wollen.

Was wird am Ende der Verhandlungen über die neue Grundsteuer stehen?

Da könnte ich ebenso gut in eine Glaskugel schauen. Ich glaube, dass die Entscheidung erst kurz vor Ende des Jahres fallen wird, also kurz vor der Frist, die das Bundesverfassungsgericht für eine Neuregelung vorgegeben hat.

Wie bei den Brexit-Verhandlungen …

… bei denen der Termin noch verlängert wird. Zumindest daran glaube ich nicht, weil es sich niemand leisten kann, den Kommunen diese wichtige Einnahmequelle wegzunehmen. Ich halte es auch für denkbar, dass die Bodenwertsteuer noch mal ins Gespräch kommt, wenn man sich zwischen den gegensätzlichen Positionen nicht einigen kann. Nicht nur wir haben uns dafür ausgesprochen, sondern auch das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) und der Umweltverband Naabu.

Eine seltsame Koalition. Gibt Ihnen nicht zu denken, dass das arbeitgebernahe IW das auch vorschlägt?

Wir sind ein Verband, der sich für Mieterinnen und Mieter einsetzt, und wenn andere das auch tun, freut uns das. Die IW favorisiert, wie es die Wirtschaft meistens macht, ein möglichst einfaches Modell. Und das wertabhängige Modell von Olaf Scholz ist nicht viel einfacher als das bisherige. Sogar – das finde ich besonders amüsant – fiktive Mietwerte spielen eine Rolle. Darüber werden im Zweifelsfall wieder die Gerichte entscheiden müssen.

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9 Kommentare

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  • Die Neuberechnung der Grundsteuer bringt einen enormen Mehraufwand, ohne signifikante Verbesserungen für Mieter zu schaffen. Da die Grundsteuer auf die Mieter umgelegt werden kann wird für sie Wohnen noch teurer.

    A.Bacher

    www.immomakler-muenchen.de/

  • Mir scheint, dass die meisten die Lokalität der Grundsteuer nicht so recht überblicken.



    Sie wird von den Kommunen erhoben.



    Wenn die neue Grundsteuer aufkommensneutral gestaltet wird - was immer wieder betont wird! - dann ergeben sich geringfügige Verschiebungen innerhalb einer Kommune. Der Hauswert wird nur dann interessant und als Hebel wirksam, wenn es sich (1) um ein Luxusobjekt handelt - dann finde ich es auch sehr berechtigt- (2) wenn es ein großes Objekt ist - dann wird es auf viele Einheiten umgelegt.



    Insofern ist das Modell Scholz völlig ok und die ganze Aufregung bei ein wenig Mathekenntnissen (aber die sind in DE ja eher igitt) völlig überflüssig.

  • Die Frage ist, wo überhaupt die Rechtfertigung für eine Grundsteuer liegt. Wenn wir sie komplett streichen und stattdessen Kapitaleinkünfte (Mieteinnahmen!) stärker besteuern (Konzerne wurden von SPD-Finanzministern über Gebühr und vernunftwidrig entlastet), kommen wir einer sinnhaften Unterscheidung von selbst genutztem Besitz, der nichts erwirtschaftet, und (Sach-)Kapital etwas näher. Mit einem Mietshaus will ich Einnahmen erwirtschaften, und diese können durch Markteffekte ausbeuterisch hoch sein. Eine Zahnbürste oder ein kleines Einfamilienhaus sollten aber nicht dadurch enteignet werden, dass ihr Wert (oder der des Grundstücks) ohne eigene Einflussmöglichkeit steigt, entsprechend besteuert wird und mit vielleicht bescheidenen finanziellen Mitteln nicht mehr gehalten werden kann. Entweder wir lassen persönlichen Besitz zu oder nicht - besonders, wenn wir sonst immer kapitalfreundlicher werden.

  • Die Grundsteuer wurde geschaffen um die laufenden Infrastrukturausgaben eine Kommune zu finanzieren. Was hat die Grundteuer somit mit irgendeinem Wert zu tun?



    Was will Scholz? Eine Sondervermögenssteuer auf Wohnen? Zur "Vereinfachung" soll nun nicht mehr jedes einzelne Grundstück bewertet und jede einzelne Miete erhoben werden. Stattdessen wird auf "Pauschalwerte" zurückgegriffen . Sozialverträglich heißt damit, dass für einen nicht renovierten Altbau die selbe Grundsteuer erhoben wird wie für eine luxussanierte Altbauwohnung, das baufällige Haus des Rentners, der das Pech hat vor 60 Jahren in einer heute gefragten Gegend billig gebaut zu haben, die selbe Steuer wie auf die Luxusvilla nebenan. Wer hat auch von den Genossen der Bosse etwas anderes erwartet.



    Die Ausrede die Grundsteuer nicht mehr auf die Nebenkosten umlegen zu wollen ist Augenauswischerei! Sie wird auf die Kaltmiete aufgeschlagen werden.

    „Wie kann man vermeiden, dass gleich drei Etagen drübergesetzt werden, weil sich das mit dem Bodenwertmodell besser rechnet?“ Durch das Baurecht? Ja träume weiter lieber Herr Siebenkotten“.



    Das Baurecht wird heute durch die „Investoren“ bestimmt (Vorhabensbezogener Bebauungsplan, der neu geschaffene Gebietstyp "urbane Gebiete" mit GFZ 3,0 nach BauNVO=Hongkong ). Je größer desto besser. Und die Stadträte folgen dem willig („Wir haben 100000 neue Wohnungen verspochen“).



    Dies ist jedenfalls meine Erfahrung als Stadtplaner.

  • Glaubt der Mann vom Mieterbund ernsthaft, daß die Gesamtkosten für die Mieter sinken, wenn die Grundsteuer nicht mehr umgelegt werden kann ?



    Ich bin auch einer dieser skrupellosen Kapitalisten, ich vermiete eine (in Zahlen 1) Wohnung in einem Zweifamilienhaus, die andere Wohnung bewohne ich selbst.



    Ich verlange ganze 5,29 Euro pro Quadratmeter. Um das Preisniveau einordnen zu können, unsere Gemeinde verpachtet einem Investor günstig ein Grundstück, damit der dort "bezahlbaren" Wohnraum schafft und diesen Preis für mindestens 10 Jahre garantiert. Als bezahlbar gilt für unseren Gemeinderat dabei 10 Euro pro Quadratmeter.



    Wenn ich in Zukunft die Grundsteuer nicht mehr umlegen kann, bin ich gezwungen die Miete entsprechend zu erhöhen. Während sich das Finanzamt für die Umlagen nicht interessiert, müssen die Mieteinnahmen versteuert werden. Um keinen Verlust zu machen, müßte also die Mieterhöhung um einiges höher ausfallen als die Einsparung bei der Grundsteuer.

  • Hier mal eine ganz einfache, pragmatische Lösung (stammt aber nicht von mir)

    - Jede Kommune ermittelt für ein bestimmtes Jahr (z.B. 2018) ihr Grundsteueraufkommen.

    - Dieses übernimmt in Zukunft der Bund

    - Dafür wird der Soli nicht abgeschaft.

    - Entlastet werden alle Mieter und Eigentümer (unter denen es übrigens auch viele gibt, die nicht im Geld schwimmen), und das ist ein Großteil der Bevölkerung.

    - Kosten dafür: quasi null

    - Erforderliche Fachkenntnis: kann jeder Depp machen.

    - Chancen auf politsches Wohlwollen: null, da Steuersenkung oder gar -abschaffung per se sozial ungerecht.



    Tja, darum ist es in unserem Land so wie es ist ...

    • 8G
      83379 (Profil gelöscht)
      @Chefideologe:

      das bringt aber kein Geld für die mächtigste Lobbyistengruppe in diesem Land rein - die Bürokraten. Stattdessen kriegen wir einen Lösung die mehr kostet als sie einbringt aber einen Haufen Jobs für Verwalter, Sesselfurzer und Bürohengste schafft.

  • Ich bin seit 27 Jahren in der Immobilienbranche und ich kann Ihnen versichern, daß die Jungs, die da an Sonnabenden und Sonntagen in ihren zugigen Containern stehen, auch bezahlt werden, auch wenn auf dem Bauschild in riesengoßen Lettern prangt: Für den Käufer provisionsfrei. Natürlich ist das alles eingepreist. Im Supermarkt zahlen Sie die Kassiererin ja auch nicht extra für ihre Dinestleistung. Eingedenk dessen würde jede Verlagerung der Grundsteuerkosten natürlich auch -tusch- eingepreist werden. Was denn sonst. Und nu ?

    • @Thomas Schöffel:

      Das wird man doch einfach mit-verbieten! Man setzt dann neueingestellte Bürokraten ein, um den maximal zulässigen Verkaufspreis zu ermitteln - alles, was der Bürokratiemaximierung dient, denn Bürokraten sind die letzten halbwegs zuverlässigen SPD-Wähler. Die selben Politgenies, die das gerade vorantreiben werden übrigens am lautesten jammern, wenn dann noch weniger Wohnraum gebaut wird als ohnehin schon.