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Deutsche Wirtschaftskrise hält anProduktion der Industrie bricht im August ein

„Autogipfel“ im Kanzleramt: Die Union will der kriselnden Branche mit einem Aufweichen des Verbrenner-Aus helfen. Umweltverbände lehnen das ab.

E-Autobau bei VW im sächsischen Zwickau: Noch läuft der Verkauf von Elektroautos in Deutschland nur schleppend Foto: Uwe Meinhold/imago

Berlin taz | Die deutsche Industrieproduktion ist im August so stark eingebrochen wie seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs nicht mehr. Unternehmen haben im August 5,6 Prozent weniger produziert als im Vormonat, im Vergleich zum August 2024 waren es 5,1 Prozent weniger, teilte das Statistische Bundesamt am Mittwoch mit. Beim Koalitionsausschuss von Union und SPD am Mittwochabend und beim „Autogipfel“ am Donnerstag im Kanzleramt wird es um Maßnahmen zur Stärkung der Konjunktur gehen.

Die deutsche Wirtschaft schrumpft seit zwei Jahren. Eine schwache Nachfrage, die Handelspolitik von USA-Präsident Donald Trump und hohe Energiepreise machen Unternehmen zu schaffen. Die Produktion der Autoindustrie ist im August sogar um 18,5 Prozent gegenüber dem Vormonat gesunken. „Eine wesentliche Ursache für den starken Rückgang der Kfz-Produktion dürfte die Lage der Werksferien gewesen sein, die in diesem Jahr anders als sonst üblich überwiegend im August stattgefunden haben“, teilte das Bundeswirtschaftsministerium mit.

Allerdings leidet die deutsche Autobranche auch außerhalb der Ferienzeit unter einer Absatzschwäche. Das hat Auswirkungen auf die Stahlindustrie, die auch aufgrund der US-Zollpolitik und billiger Importe unter Druck ist. Die EU hat angekündigt, die Stahlindustrie zu schützen, indem sie Importquoten um die Hälfte senkt und Zölle auf darüber liegenden Einfuhren um 50 Prozent anhebt. Um energieintensive Betriebe zu entlasten, hat die Bundesregierung die Senkung der Stromsteuer auf den Weg gebracht. Darüber debattiert der Bundestag am Donnerstag.

Im Koalitionsausschuss steht das von der EU vorgesehene Aus für neue Verbrenner-Autos ab 2035 auf der Tagesordnung. Die Autobauer verdienen an Verbrenner-Fahrzeugen mehr als an batteriebetriebenen. Deshalb wollen sie diese Autos so lange verkaufen wie möglich. Sie behaupten, sie bräuchten diese Gewinne zur Finanzierung der Umstellung auf Elektromobilität. Die Union will das Verbrenner-Aus aufweichen, die SPD daran festhalten. Entschieden wird das nicht in Berlin, sondern auf europäischer Ebene. Die Haltung der deutschen Regierung spielt dabei aber eine wichtige Rolle.

Klingbeil signalisiert Kompromissbereitschaft

Ein Kompromiss von Union und SPD könnte eine Änderung der Vorgaben zum Klimaschutz sein, etwa eine Senkung der Flottengrenzwerte. Das sind Obergrenzen für CO₂-Emissionen, die von den neu zugelassenen Autos eines Herstellers ausgestoßen werden. Außerdem hat SPD-Chef und Bundesfinanzminister Lars Klingbeil Bereitschaft signalisiert, bestimmte Modelle über 2035 hinaus zuzulassen. Das wären Hybrid-Fahrzeuge, die einen Verbrenner- und einen Batterieantrieb haben, und sogenannte Range-Extender, fossil betriebene Zusatzgeräte, die die Reichweite von E-Autos erhöhen. Diese Themen dürften auch beim Treffen von Ver­tre­te­r:in­nen der Autoindustrie und der Bundesregierung am Donnerstag im Kanzleramt eine Rolle spielen.

Umweltverbände warnen vor einer Senkung der Flottengrenzwerte. Stattdessen sollte die Regierung die E-Mobilität zu einer Erfolgsgeschichte machen, fordert der ökologische Verkehrsclub VCD. „Die Reaktion ist immer dieselbe: Wenn die Autoindustrie klagt, eilt ihr die Regierung sofort zur Hilfe – mit teuren, aber oft wirkungslosen Maßnahmen wie: Konjunkturprogrammen, Sonderabschreibungen und Förderungen“, sagt die VCD-Vorsitzende Kerstin Haarmann. Die EU-CO2-Vorgaben würden zum „Sündenbock“ für die Probleme der Branche gemacht. „Dabei sind es gerade diese populistisch geführten Debatten über CO₂-Grenzwerte und das Verbrenner-Aus, die das Vertrauen in E-Autos untergraben“, sagt sie. Bislang bleibt der Absatz von E-Autos in Deutschland weit hinter den Erwartungen zurück.

Das Aufweichen des Verbrenner-Aus helfe weder der deutschen Autoindustrie noch dem Klima, sagt der Präsident des Naturschutzbundes Nabu Jörg-Andreas Krüger: „Dieser Schritt würde nur für erneute Unklarheit im Markt sorgen, langfristig noch mehr Arbeitsplätze gefährden und uns vom eingeschlagenen Weg in Richtung Klimaschutz abbringen.“

Nicht zum Autogipfel eingeladen sind Ver­tre­te­r:in­nen der Energiebranche – die immerhin für den Ausbau der Ladeinfrastruktur für E-Autos zuständig ist. Die Diskussion über eine Aufweichung der Flottengrenzwerte gehe genau in die falsche Richtung, sagte die Chefin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) Kerstin Andreae. „Auch die Diskussion über Plug-in-Hybride oder Range-Extender ist in vor dem Hintergrund vorhandener Lademöglichkeiten und immer reichweitenstärkerer Batterien unverständlich und unnötig.“

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14 Kommentare

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  • Es ist maßgeblich auch der Haltung früherer Bundesregierungen zu "verdanken", die der Autoindustrie alles hat durchgehen lassen, so daß sich diese all zu oft auf ihren Lorberen ausgeruht hat. Jetzt wo sich der Wind, besonders durch die Autoproduktion in Asien, dramatisch dreht, zeigen sich die fatalen Auswirkungen.







    Aber anstatt aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen, blässt die cdU weiter ins immer gleiche Horn. So nach dem Motto:

    -> *aber es muß doch gehen..früher gings doch auch*...







    Bye bye Autoland D..







    ;-))

  • Sollte man lieber die verstaubten Fahrräder aus dem Keller holen? Zumindest um sich dran zu gewöhnen....in nicht weiter Ferne gibt's auch kein Sprit und keine Batterien mehr...😉

  • BMW und Konsorten sind heute schon international aufgestellt und werden auch nach 2035 gute Gewinne mit Verbrennern machen. Aber eine Fertigung und Zulieferer mit über 12 Millionen Arbeitsplätzen in Europa lässt sich nach einem Verbrenner-Aus nicht mehr rechtfertigen. Batterieautos können die Chinesen gut und günstig, da ist unser Technologievorsprung weg, es werden sich Partner finden.

    Vielleicht merkt die Regierung langsam, dass das Verbrenner-Aus für die Aktionäre internationaler Automobilkonzerne kein allzu großes Problem wird, aber für den europäischen Arbeitsmarkt eine Katastrophe mit Ansage.

    • @Descartes:

      Wenn man jetzt das Verbrenneraus kippt, werden vielleicht die Bilanzen der Konzerne kurz aufgehübscht.



      Auf Dauer wird aber der technische Rückstand unserer Industrie verstärkt.



      In spätestens 10, eher 5, Jahren baut die Konkurrenz E-Autos deutlich billiger, als die deutsche Industrie ihre geliebten Verbrenner. Dann ist hier Schluss.

    • @Descartes:

      Ach und manche Zulieferer haben den Knall ja schon gehört und stellen die Produktion um auf Rüstung. Der einzige Industriezweig, der hier momentan wächst.

    • @Descartes:

      Stimmt, die deutsche Autoindustrie hat verpennt in die Elektromobilität zu investieren, weil am Verbrenner zu optimieren kurzfristig profitabler und risikoärmer schien. Ich glaube, kurz vor der Pandemie schon erzählte mir ein Kumpel, dass die Branche langsam nervös wurde, mehr in Elektro investierte und im mechanischen Bereich bezüglich weniger Bremsenquietschen und co die Investitionen zurückfuhr dafür. Und jetzt müssen sie zugeben, dass ihr Plan nicht aufging.

    • @Descartes:

      Das, die Katastrophe unter dem s.g. "Verbrenner-Aus", halte ich für Unfug; nicht auf der Tatbestandsebene, aber auf der Folgenseite. Bereits jetzt bzw ohne das s.g. Verbrennener-Aus, könnte die Produktion mit nur einem Bruchteil der Beschäftigten aufrechterhalten werden. Die Umstellung auf Elektrofahrzeuge bzw umweltfreundlichere Mobilität wird neue zumindest ähnlich bezahlte Arbeitsplätze schaffen. Sie ist nämlich Bestandteil des gesellschaftlichen Antriebes, die (geschädigte) Umwelt zu reparieren und umweltschädliche Prozesse zu ersetzen. Es bedarf hier lediglich einer entsprechenden angeleiteten / gemeinsamen Planung und Umsetzung.

  • „Auch die Diskussion über Plug-in-Hybride oder Range-Extender ist in vor dem Hintergrund vorhandener Lademöglichkeiten und immer reichweitenstärkerer Batterien unverständlich und unnötig.“

    Was unnoetig ist, entscheidet der Kunde und nicht Frau Andreae.



    Deutschland braucht endlich eine Sonderwirtschaftszone, wo sich die ganzen Planwirtschaftler austoben koennen. Und damit diese nicht vom Ansturm der Freiwilligen ueberrannt wird bauen wir am besten ne Mauer drum rum ;-)

    • @elektrozwerg:

      Mich dünkt, manche Menschen benötigen dringend eine Flasche mit Auto- und anderen Abgasen zum Suchtschnüffeln. Im Anschluss gerne eine Mauer (mit Topfdeckel) drumherum. 👍

      • @Gerhard Krause:

        Es ging um Planwirtschaft, nicht darum ob das Suchtschnueffeln am Auspuff oder am Schornstein des naechsten Kohle- bzw Frackinggaskraftwerks befriedigt wird.

      • @Gerhard Krause:

        Den Begriff dafür habe ich erst kürzlich gelernt:



        Petromaskulinität.

  • „Nicht zum Autogipfel eingeladen sind Ver­tre­te­r:in­nen der Energiebranche – die immerhin für den Ausbau der Ladeinfrastruktur für E-Autos zuständig ist.“



    Wenn man mehr Gewinne braucht, dann beginnt doch u.a. mit Sparen, also bei den höchsten Gehältern und anderen Preistreibern, oder?



    Dann produziert man keine Auslaufprodukte, sondern solche mit Zukunftsperspektive und dazu lädt man dann strategische Partner ein. Man wartet nicht auf Hilfe aus der Politik, denn das wäre ja ein Armutszeugnis, schließlich leben wir ja in einer Marktwirtschaft, sozial soll sie sogar sein. Impulse sind ja schön und gut, aber nicht für eine sterbende Industrie, denn das klingt mehr nach Defibrilator und Herzschrittmacher.



    Ach ja, wo bleibt eigentlich der Beitrag der Aktionäre in der ganzen Angelegenheit? Ich lese immer nur von Steuergeldern und Vergünstigungen, für die Autoindustrie natürlich.

    • @Achsachbloß:

      Dem ist wohl so, aber leider ist es ja so das der ,der den Laden am besten schmiert, bestimmt wie es läuft. Aber so wie es aussieht könnte der "Schmierstoff" durch die Marktwirkung weniger werden. Der einzige, in jeder Hinsicht, welcher das Nachsehen hat, ist der Mensch.

    • @Achsachbloß:

      Mit E-Autos macht man in Deutschland aber keine Gewinne, ausser mit tonnenschweren Luxuskarossen.

      Natuerlich probiert der Staat die Autoindustrie zu unterstuetzen, schliesslich geht es um Arbeitsplaetze und Steuereinnahmen. Alternativ koennte man auch die Ausgaben des Staates um 5 bis 10% reduzieren, wo fangen wir an? Renten, Gesundheitssystem, Bildung oder Buergergeld?