Deutsche Polizisten an EU-Grenze: Rechtmäßiger Rechtsbruch
Deutsche Frontex-Polizisten, die im Auftrag Griechenlands EU-Recht brechen, machen sich nicht strafbar. Sie unterstehen griechischem Recht.
Immer mehr deutsche Bundespolizisten beteiligen sich am Frontex-Einsatz in Griechenland. Das Bundesinnenministerium versichert: „Auch bei einem Einsatz im Ausland dürfen die deutschen Beamten rechtswidrigen Anordnungen nicht nachkommen.“ Doch was ist „rechtswidrig“?
Frontex, die EU-Agentur für die Grenz- und Küstenwache, unterstützt nationale Grenzschützer. Bisher sind 60 Bundespolizisten in Griechenland tätig. Auf griechische Anforderung werden in diesen Tagen weitere elf Beamte nach Griechenland verlegt. Die deutschen Polizisten werden unter griechischem Kommando arbeiten, für ihren Einsatz gilt griechisches Recht. Auch für den Einsatz von Schusswaffen sind griechische Gesetze maßgeblich.
Der Umgang mit Flüchtlingen an der Grenze ist eigentlich EU-einheitlich geregelt. Die Asyl-Verfahrensrichtlinie der EU legt fest, dass Asylanträge auch an der Grenze gestellt werden können. Doch vorige Woche hat Griechenland beschlossen, für einen Monat keine neuen Asylanträge anzunehmen. Die Grenzübergänge an der griechischen Landgrenze zur Türkei wurden geschlossen. Auf Flüchtlinge wird mit Tränengas und Gummipartikeln geschossen. In der Ägäis werden Flüchtlingsboote Richtung Türkei zurückgedrängt. Wenn Flüchtlinge es über die Grenze schaffen, werden sie inhaftiert, um sie ungeprüft wieder abzuschieben. Dies alles widerspricht europäischem Recht.
Die Bundesregierung reagiert hilflos. Einerseits betonte sie am Freitag in der Regierungspressekonferenz, dass EU-Recht und Völkerrecht „selbstverständlich“ weiter gelten. Andererseits könne man aus Berlin „keine Ferndiagnose“ zu den Zuständen in Griechenland stellen. Verwiesen wurde vielmehr auf die EU-Kommission als „Hüterin der EU-Verträge“. Dieses Herumlavieren werden die deutschen Bundespolizisten vermutlich nicht als hilfreich empfinden.
Dänen vorbildlich
Interessant ist da ein Beispiel aus Dänemark, das auch an der Frontex-Mission in Griechenland beteiligt ist. Kürzlich weigerte sich die Besatzung eines dänischen Patrouillenboots, einen Befehl der griechischen Frontex-Zentrale umzusetzen. Sie sollten 33 eben gerettete Flüchtlinge wieder in ein nicht seetüchtiges Schlauchboot setzen und Richtung Türkei zurückschicken. Die Dänen hielten das für lebensgefährlich und überzeugten die Zentrale, den Befehl zurückzuziehen. Von Dänemarks sozialdemokratischer Verteidigungsministerin Trine Bramsen wurden sie dafür ausdrücklich gelobt.
Seit die Grenzen geschlossen sind, kümmern sich allerdings die griechischen Grenzschützer selbst um die Flüchtlingsboote. Die Dänen dürfen nur noch beim Aufspüren helfen, dokumentieren aber nebenbei Rechtsverstöße der Griechen, berichtet Danmarks Radio.
Es ist nicht zu erwarten, dass Bundespolizeichef Dieter Romann den Deutschen in Griechenland solche Zivilcourage nahelegt. 2015 hatte Romann eine Abriegelung der deutschen Grenze zu Österreich vorbereitet, um mit abschreckenden Bildern Flüchtlinge abzuhalten. Er konnte sich damals nicht durchsetzen. Nun zeigen die Griechen, wie Abschreckung an der Grenze aussieht.
Deutsche Polizisten im Frontex-Einsatz genießen nach den üblichen Frontex-Vereinbarungen Immunität – allerdings nur in Griechenland, nicht in der Heimat. Deutsche, die im Ausland Menschen verletzen oder ihren Tod verursachen, können sich auch nach deutschen Recht strafbar machen. Im Fall der Bundespolizisten käme es darauf an, ob sie die griechischen Frontex-Befehle befolgen durften oder nicht. Das müssten die Staatsanwaltschaft und das Landgericht am Wohnort des Beamten entscheiden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern