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Der neue PapstLeo XIV. wird die deutsche katholische Kirche brauchen

Kommentar von Philipp Gessler

Will der neue Papst umstrittene Reformen in der Weltkirche umsetzen, ist er auf die deutschen Katholiken angewiesen – auch wenn sie manchmal nerven.

Zählt zu den streitbarsten deutschen Theologen: Kardinal Gerhard Ludwig Müller in seinem Arbeitszimmer Foto: Oliver Weiken/dpa

E s waren in den vergangenen Jahrhunderten zuverlässig große Seufzer zu hören, wenn im Vatikan das Gespräch auf die katholische Kirche in Deutschland kam. Die hiesige Kirche Roms – immerhin trotz Massenaustritten und Missbrauchsskandal seit vielen Jahren noch mit etwa 20 Millionen Mitgliedern – war nie eine brave Tochter der strengen Mutter am Tiber, sondern eher schwierig, zumindest aus Sicht konservativer Kardinäle.

Das liegt etwa daran, dass die hiesigen Katholikinnen und Katholiken dank vieler und bestens ausgestatteter Fakultäten lange eine führende (und liberale) Rolle in der weltweit geachteten Theologie spielten. Außerdem ist die katholische Kirche in Deutschland aufgrund des nahezu einmaligen Systems der Kirchensteuer ziemlich reich und finanziert viele Projekte der Weltkirche – vor allem im sozialen Bereich – großzügig mit.

Dazu ist sie wegen der fast gleich großen evangelischen Kirche im eigenen Land stark ökumenisch ausgerichtet, was im Globalen Süden oft irritiert. Und sie ist – siehe ­Synodaler Weg – ­vergleichsweise progressiv, was Kirchenreformen, die Segnung homosexueller Paare oder die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals angeht. Kurz: Eine erwachsene Tochter, die besserwisserisch, reich und aufmüpfig ist, ist meist nicht das liebste Familienmitglied. Wen wundert’s?

Was das alles mit Papst Leo XIV. zu tun hat? Sein Vorgänger, der kürzlich verstorbene Papst Franziskus, hatte schon vor sechs Jahren ein auf Deutsch verfasstes Schreiben „An das pilgernde Volk Gottes in Deutschland“ veröffentlicht. Darin die Mahnung: Macht weiter mit den Reformen der Kirche im eigenen Land, aber übertreibt es nicht – und spaltet euch nicht ab!

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Der richtige Umgang mit den renitenten Deutschen

Seit der Abspaltung der hiesigen Altkatholischen Kirche, vor allem aus Protest gegen das Unfehlbarkeitsdogma des Ersten Vatikanischen Konzils 1870, ist das die Urangst in Rom: dass die Deutschen mit ihrem Reformeifer und ihrer Renitenz wieder ein Schisma verursachen könnten. Dass auch viele führende Christdemokraten die Reformen der Kirche in Deutschland klar unterstützen, verringert die Ängste im Vatikan nicht. Der neue Oberhirte auf dem Papstthron muss also irgendwie mit den renitenten Schäfchen hierzulande umgehen – die er aber zugleich ziemlich dringend braucht.

Denn der neue Papst Leo XIV. dürfte sich die deutsche katholische Kirche tapfer an seiner Seite wünschen, sollte er umstrittene Reformen in der Weltkirche umsetzen wollen – beispielsweise zu mehr Synodalität wie nach seiner Wahl angedeutet. Das könnte für ihn wichtig werden, wenn er trotz massiven Widerstands die einflussreiche und reiche katholische Kirche in den USA auf Reformkurs bringen will, die ob der menschenverachtenden Politik von US-Präsident Donald Trump im Weißen Haus heillos zerstritten ist – nicht zuletzt in Migrationsfragen.

Kurz: Der neue Papst braucht die katholische Kirche Deutschlands als starken Rückhalt. Auch – oder gerade weil – sie manchmal gehörig nervt.

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4 Kommentare

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  • Wer den erwähnten Hirtenbrief des Papstes Franziskus an die Teilnehmer des "Synodalen Weges" von 2019 noch besser einordnen möchte und insgesamt etwas über die Stellung des Vatikans zum Treiben in der dt. kath. Kirche erfahren möchte:



    www.katholisch.de/...-zum-synodalen-weg



    Der Satz, man soll der Versuchung widerstehen, die dazu führe, "das Volk Gottes auf eine erleuchtete Gruppe reduzieren zu wollen, die nicht erlaubt, die unscheinbare, zerstreute Heiligkeit zu sehen, sich an ihr zu freuen und dafür zu danken" ist schon so etwas wie eine "letzte Warnung" auf Vatikanisch.

    Danach hat der Papst den Dt. immer wieder seine Haltung zum "Synodalen Weg" deutlich gemacht, sei es bei den offenbar heftigen Auseinandersetzungen beim letzten Pflichtbesuch (ad limina) der deutschen Bischöfe in Rom, sei es durch das Verbot, aus dem unverbindlichen "synodalen Weg" einen ständigen "synodalen Rat" mit Entscheidungsbefugnis zu machen.



    Auch der Hinweis, man brauche "keine zweite protestantische Kirche in Deutschland" war ziemlich unmissverständlich.



    Ich kann mir nicht vorstellen, dass Leo XIV. davon abweicht oder sogar widerruft.

  • Als Alt-Katholik liegt mir daran, eine Passage etwas aufdröseln: „Seit der Abspaltung der hiesigen Altkatholischen Kirche, vor allem aus Protest gegen das Unfehlbarkeitsdogma des Ersten Vatikanischen Konzils 1870, ist das die Urangst in Rom: dass die Deutschen mit ihrem Reformeifer und ihrer Renitenz wieder ein Schisma verursachen könnten.“ 1870ff war es sicherlich auch Renitenz, aber eben auch das Beharren auf dem „alten[!] katholischen Glauben“, der aus ihrer Sicht eben keine zentralistisch-hierarchisch organisierte Kirche vorsah, die die dann alt-katholisch genannten Gläubigen die Dogmen der Unfehlbarkeit und des Jurisdiktionsprimat ablehnen lies. Damit waren sie exkommuniziert und mussten eine eigene „Notkirche“ konstituieren.



    Die alt-katholische Kirche hat sich dann konsequent bischöflich-synodal konstituiert, d.h. der Bischof (bisher nur Männer) ist für die Theologie zuständig, aber die Synode für das Kirchenrecht – und da hat der Bischof wie alle anderen nur eine Stimme. Reformen wurden dann oft lange diskutiert, aber eben dann auch immer wieder umgesetzt.

  • Nach fast einhundert Jahren hoffen wir auf nachhaltige Lerneffekte der Katholischen Kirche mit umfangreicher transnationaler Wirkung und demütiger Weitergabe der Erkenntnis:



    "Im Hirtenwort der kath. Bischöfe vom 3.6.1933 heißt es: "Wir wollen dem neuen Staat um keinen Preis die Kräfte entziehen, und wir dürfen es nicht, weil nur die Volkskraft und die Gotteskraft, die aus dem kirchlichen Leben unversiegbar strömt, uns erretten und erheben kann." (s. Wilhelm Corsten, Aktenstücke zur Lage der katholischen Kirche in Deutschland 1933-1945, Köln, 1949, S. 5ff)"



    Quelle



    www.friedenskooper...ck-nodeblock-16956

  • Ein unpassendes Titelbild. Müller ist völlig out und hat sich selbst ins Abseits geschossen.