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Der Weg zum Vergesellschaftungsgesetz„Jeden Stein dreimal umdrehen“

Aktivist Achim Lindemann verrät, wie Deutsche Wohnen Enteignen zu einem wasserdichten Gesetz kommen will – und was die großen Knackpunkte sind.

Die Gespenster der Enteignung sind zurück Foto: dpa
Erik Peter
Interview von Erik Peter

taz: Herr Lindemann, wieso will die Initiative das Vergesellschaftungsgesetz erst in einem Jahr vorlegen, einen Entwurf dafür haben Sie doch längst in der Schublade?

Achim Lindemann: Unser Entwurf von 2021 hat den damaligen Stand der Wissenschaft, erarbeitet von Ehrenamtlichen, festgehalten. Das war ein erster Debattenaufschlag für die Diskussion. Normalerweise werden Gesetze von ganzen Senatsverwaltungen geschrieben. Angesichts der Erkenntnisgewinne aus der Arbeit der Expertenkommission werden wir den damaligen Entwurf als Ausgangspunkt für ein ganz neues Gesetz nehmen, das den aktuellen Wissensstand abbildet.

Bild: privat
Im Interview: Achim Lindemann ​

33, ist Jurist und Sprecher der Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen.

Wer wird das Gesetz schreiben?

Wir müssen zu einem rechtssicheren, 100 Prozent wasserdichten Gesetz kommen und wollen uns dafür fachkundiger juristischer Expertise bedienen. Wir werden eine Kanzlei beauftragen, das Gesetz zu schreiben, und zusätzlich einen wissenschaftlichen Beirat gründen, der hochkarätig besetzt sein wird. Beide werden Hand in Hand für die redaktionelle Erarbeitung verantwortlich sein. Und weil das alles Geld kostet, starten wir jetzt ein Crowdfunding. Wir brauchen 100.000 Euro.

Welche zentralen Ergebnisse haben Sie aus der Arbeit der Expertenkommission mitgenommen?

Der Abschlussbericht zeigt, dass wir richtig gelegen haben: Vergesellschaftung ist rechtssicher möglich, finanzierbar und der beste Weg, um den Mietenwahnsinn zu stoppen. Das ist die Hauptmessage. Zugleich zeigt der Bericht auch die Knackpunkte und politischen Spielräume, die bestmöglich in einem Gesetz reflektiert werden müssen.

Die Bestimmung der Entschädigungssumme ist der größte Knackpunkt. Über den Weg dahin waren sich die Kommissionsmitglieder nicht einig.

Wichtig ist, dass der Kommissionsbericht bestätigt hat, dass eine Entschädigung der Konzerne deutlich unter Marktwert erfolgen kann und muss. Aber die Bestimmung der Summe muss genau austariert werden. Spannend ist, dass die Kommission noch ein neues Kriterium eingeführt hat: die Leistbarkeitsgrenze des Landes. Das bedeutet, Vergesellschaftung darf nicht so teuer sein, dass Berlin sie sich nicht leisten kann. Denn sonst würden finanzielle Vorgaben die Anwendung eines Grundgesetzartikels verhindern.

Deutsche Wohnen & Co enteignen hat bislang argumentiert, dass sich die Entschädigungssumme an den späteren Mieten orientieren soll. Ist das jetzt vom Tisch?

Nein, der Bericht hat grundlegend grünes Licht für unser Faire-Mieten-Modell gegeben. Das geht davon aus, dass an die Konzerne nur so viel Entschädigung zu zahlen ist, wie sich an Mieterträgen aus den Beständen realisieren lässt – bei fairen Miethöhen. Aber es gibt auch noch weitere Wege, wie man zu der Entschädigungshöhe kommt. Wir werden den rechtssichersten bestimmen.

Wird es bei der Grenze von 3.000 Wohnungen, ab der vergesellschaftet werden soll, bleiben?

Die Kommission hat diese Grenze als Kriterium für die Vergesellschaftung ausdrücklich bestätigt. Aber sie hat auch hier politische Spielräume aufgezeigt, sodass die Grenze ebenso bei 2.000 Wohnungen liegen könnte. Möglich ist zudem, unabhängig von der Bestandsgrenze zu vergesellschaften und sich an der Rechtsform zu orientieren; dann würde man auf alle kapitalmarktorientierten Unternehmen zielen. Wir müssen schauen, was nicht nur auf dem Papier, sondern auch bei der konkreten Umsetzung die beste Lösung ist.

Halten Sie an dem Ziel fest, die vergesellschafteten Bestände in eine Anstalt öffentlichen Rechts zu überführen?

Darauf haben wir uns frühzeitig festgelegt und auch schon ein umfassendes Konzept vorgelegt, das wir ebenfalls noch mal einer kritischen Überprüfung unterziehen werden. Wir wollen die bestmögliche Verwaltung und demokratische Mitbestimmung der Mie­te­r:in­nen garantieren und dafür sorgen, dass Veräußerungsmöglichkeiten durch zukünftige Senate ausgeschlossen werden, die Bestände also ewig in den Händen der Ber­li­ne­r:in­nen bleiben.

Gehen Sie nicht ein großes Risiko ein, wenn schlussendlich Ihr Gesetz vor den Gerichten beurteilt wird? Ein Scheitern würde auf Sie zurückfallen und den Weg für Vergesellschaftungen verbauen.

Wir werden mit diesem Gesetzesvolksentscheid den Artikel 15 voranbringen. Wenn wir diesen Grundgesetzartikel, der noch nie zur Anwendung gekommen ist, nicht anfassen, um ihn nicht kaputtzumachen, dann haben wir auch nichts gewonnen. Wir müssen jetzt mutig vorangehen, denn dieser ungehobene Schatz im Grundgesetz kann für viele Krisen, denen wir gerade begegnen, eine erfolgversprechende Lösung sein. Wir werden ein Gesetz erarbeiten, das der Prüfung vor den obersten Gerichten standhalten wird. Das ist unser Anspruch. Wir werden auf dem Weg dahin jeden juristischen Stein dreimal umdrehen.

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9 Kommentare

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  • Ich tippe, dass die Immobilienlobby auf eine Grundgesetzänderung abzielen wird um die Vergesellschaftung zu verhindern.



    Die reaktionäre Presse wird erwartbar kräftig mittrommeln..



    Und Scholz (oder wer auch immer) wird schnell umfallen.

  • Die große Macht des Grundrechts auf Eigentum zeigt sich auch im Justizskandal von Rangsdorf, wo nach fehlerhafter Zwangsversteigerung jetzt das Haus der Käufer bei der Versteigerung abgerissen werden muss.

  • Und sich nach der Vorlage wundern, wenn niemand mehr bauen will!



    Warum nicht die Grenze bei 5 Wohnungen ziehen, weil wenn 3000 oder 2000 keinen Unterschied machen dann gehen auch ein paar weniger, oder?

  • Wow, das ist ein so beeindruckendes Vorhaben. Sehr komplex, das alles. Ich wünsche nur das Beste und drück die Daumen!

  • Für die Berliner wird die Enteignung



    u. die anschließende Sanierung des



    Wohnungsbestandes, erst recht nach dem Inkraftsetzung treten des GEG ein



    teurer Spaß , der durch kommunale



    Steuern u. Gebühren finanziert werden



    muß - der Länderfinanzausgleich wird dafür nicht herhalten.



    Warum hat Berlin vor 20 Jahren die



    Wohnungen verscherbelt ? Weil es



    die Instandsetzungskosten nicht



    bezahlen konnten. Jetzt glaubt man,



    Kaufen und Sanieren zu können?

  • Die Entschädigung ist halt der Knackpunkt und die Kommission ist kein Verfassungsgericht. Sieht eine Verfassungsgericht die Entschädigungssumme als zu niedrig an, ist das Ganze vom Tisch. Bis zu einer abschließenden Entscheidung bleiben dann zwischen der Wahl und einer Entscheidung ca. sechs Jahre Ungewissheit. Lehnt dann ein Verfassungsgericht die Berechnung als zu niedrig ab, ist das Ganze vom Tisch.

    • @DiMa:

      Das Bundesverfassungsgericht hat schnelles Arbeiten nicht erfunden . Zwischen Klage und Urteil werden ein paar Jahre vergehen.

    • @DiMa:

      Und während dieser Zeit investiert niemand in diese Wohnungen, weil nicht klar ist, wem sie zukünftig gehören. Das ist keine gute Lösung.



      Wenn der ganze Spuk nach ein paar Jahren wieder abgeblasen wird, hat Berlin einen Wohnungsbestand mit hohem Energieverbrauch und weiterhin zu wenig Neubau.

      • @Abid Kidoh:

        Nur aus dem Dilemma kommt man nicht heraus, bis endlich eine rechtskräftige Entscheidung über die Höhe der Entschädigung vorliegt.

        Die Tatsache, dass es dann zu einem Investitionsstopp kommt hat dann alleine die Initiative zu verantworten. Klar ist das keine gute Lösung nur haben wir in Berlin halt zu viele sogenannte Aktivisten, die mit dem Kopf durch die Wand wollen.