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Der Staat und die EheNicht mehr zeitgemäß

Kommentar von Andreas Gran

Der Staat sollte sich aus intimem Lebensbereichen raushalten. Hunderte Normen in unserem Bürgerlichen Gesetzbuch gehören ersatzlos gestrichen.

Sollten wir nicht intensiver darüber nachdenken, ob die Eheschließung insgesamt noch zeitgemäß ist? Foto: imageBROKEr/imago

A chtung, jetzt wird es unromantisch, aber progressiv: Heiraten ist irgendwie „normal“. Tatsächlich haben aber die allermeisten mehr oder weniger Verliebten absolut keine Ahnung, was die Eheschließung als der meist wichtigste Vertrag im Leben für rechtliche Auswirkungen hat. Egal, es ist normal. Über die rechtlichen Folgen zu Zugewinngemeinschaft, ehelicher Wohnung, gesetzlicher Vertretungsmacht füreinander und vieles mehr weiß vor dem Standesamt kaum eine der Vertragsparteien Bescheid. Wer eingebürgert werden will, muss sich mit deutscher Kultur auskennen, aber wer heiratet, muss nicht erfassen, welcher Schritt dadurch gegangen wird.

Sollten wir nicht intensiver darüber nachdenken, ob die Eheschließung insgesamt noch zeitgemäß ist? Das Konstrukt stammt aus einer Zeit, in der es um die finanzielle Absicherung oft im Austausch für Hingabe ging, aber in der modernen Gesellschaft ist das nicht mehr vorrangig. Als Zeichen lebenslanger Liebe und Verbundenheit ist die Ehe auch kaum noch geeignet, angesichts von nahezu hälftiger Scheidungsquote.

Vielleicht ist es gerade die rechtliche Bindung, die Druck ausübt. Warum überhaupt ein Rechtskonstrukt bestehen muss, ist ohnehin fraglich. Es ist doch eigentlich nicht die Aufgabe des Staates, mit einem Vertragstypus in intime Lebensbereiche einzuwirken, aber genau das geschieht. Niemand wird gezwungen zu heiraten, aber der gesellschaftliche Druck infolge gesetzlicher Vorgaben ist faktisch da. Ebenso muss hinterfragt werden, warum der Staat im Steuersystem Unverheiratete benachteiligt.

Der Staat sollte sich aus diesem intimen Lebensbereich heraushalten. Ersatzlos sollten hunderte Normen in unserem Bürgerlichen Gesetzbuch gestrichen werden. Schockiert? Erst wenn in neuen Dimensionen gedacht wird, kann sich eine Gesellschaft entfalten, kann das reifen, was Menschen (möglicherweise) wirklich ersehnen und nicht nur abschauen, nämlich ein individuelles Leben ohne Zwänge, weder staatlich noch gesellschaftlich noch monetär.

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9 Kommentare

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  • Das Problem ist wohl immer, dass wir denken, das war wir haben ist das normale und das Beste und ist immer schon so gewesen. Bedenken wir, dass die Menschheit mindestens 330.000 Jahre alt ist und in verschiedensten sozialen Formationen gelebt hat (ich empfehle 'Anfänge' Graeber/Wengrow), dann existiert die Ehe nur einen winzigen Bruchteil dieser Zeit. Merkwürdigerweise haben die Leute das gut überlebt - und ich bin mir sicher - auch die waren oft glücklich. Ganz ohne Papier und Steuervergünstigung ...

  • Muss mensch nicht teilen, kann sie aber zur Kenntnis nehmen im Diskurs, damit mensch nicht "betriebsblind" wird: Eine Gegendarstellung



    //



    www.dijg.de/ehe-fa...el-bedeutung-wert/



    //



    Die Einflussnahme auf Politik und Gesetzgebung ist oft unterhalb vom Radar zu verorten.

  • Nahezu hälftige Scheidungsraten heißt doch, dass die größere Hälfte zusammenbleibt - das ist doch schön. Ich will Dich lieben, achten und ehren alle Tage meines Lebens, in guten und in bösen Tagen bis der Tod uns scheidet - zeitgemäß ist das natürlich nicht, zeitlos aber schon und als Absichtserklärung hab' ich schon übleres gehört. Lasst die Leute doch einfach mal Leute sein, Mann.

    • @yor:

      "... Lasst die Leute doch einfach mal Leute sein, Mann." ja ganz richtig - aber die Frage ist ja - wozu brauchen sie dann ein Ehepapier, Gesetze und Steuern die dort eingreifen. - ganau dann lasse ich sie ja nicht sein.

  • Ein Blick nach Frankreich zeigt, dass man auch ohne die "deutsche Ehe" eine rechtliche Absicherung erzeugen kann:

    de.wikipedia.org/w...idarit%C3%A4tspakt

  • Ok Ok - als Wiederholungstäter! Woll

    “Warum hast du! eigentlich nochmal geheiratet. Ich will niemanden fragen müssen! Wenn ich mit dem Männe nicht mehr zusammensein möchte!“



    “Tja. Was soll ich sagen! Zum damaligen Zeitpunkt wäre ich mit meinem Sohn nicht verwandt gewesen & die Vorstellung - Hätte seine Mutter bei unseren Motoradtouren sich schwer verletzt oder gar den Abgang gemacht & ich (& vice versa) hätte mich mit ihrer Mutter - ihrer Schwester (beide mir nicht geheuer) mich wg seinetwegen auseinandersetzen müssen - wäre auf deren Goodwill angewiesen gewesen!



    War mir schlicht eine Horrorvorstellung



    Heute könnt ihr das weitestgehend absichern! Viel Glück.



    &



    So kam es denn & für mich - stimme Nutzer zu!



    Denn selbst bei Ehe - Zugewinngemeinschaft - regiert im Zweifel ohnehin je nach Konstellation -



    Das Faustrecht •

    kurz - Faustformel - Bei Kindern & Geld!



    Hört der Spaß auf - in der taz dabei keineswegs genderneutral - aber gern kenntnisarm - betrachtet! Gelle.

  • Was sind denn nun die hunderte Normen, die gestrichen werden sollten?

    Sämtliche Gemeinschaftsparagraphen zu streichen, bedeutet im Endeffekt eine noch stärker individualisierte Gesellschaft. Zusammenleben, Kinder? Heute ja, morgen nein. Ist das Zeitgemäß?

    Und wer bestimmt den Zeitgeist? Es gibt genug Leute in der Gesellschaft die gerne heiraten, warum auch immer. Die sind alle nur rückständig?

  • Die Ehe ist halt nix für Angsthasen.

  • wieso und ob man heiratet sollte tatsächlich privat sein. Aber ein rechtlicher Rahmen zur finanziellen Absicherung ist schon ratsam. Selbst bei 2 verdienenden Partnern ist die Einkommenssituation oft unterschiedlich, gemeinsame Investitionen, wie Haus oder sonstige Anschaffungen müssen auch gemeinschaftlich ausgeglichen werden sollte es zu einer Trennung kommen. Auto Haus was auch immer sind oft nicht rechtlich gemeinschaftliches Eigentum, bei einer Scheidung kommt es trotzdem zu einem Ausgleich. Bei einer bloßen rchtlich unverbindlichen Partnerschaft nicht, da kann eine Partei u.U. schlechter gestellt werden. Aus welchen Grunden auch immer. Das gilt es abzusichern.