Der Cum-Ex-Mafia auf der Spur: Staatsanwältin Brorhilker ermittelt
Staatsanwältin Anne Brorhilker versucht seit acht Jahren den Cum-Ex-Skandal aufzuklären. Inzwischen ermittelt sie gegen fast 1000 Beschuldigte.
Den Begriff „Steuer-Mafia“ würde die nüchtern wirkende Juristin wohl sogar selbst benutzen. Auch sie spricht von „Merkmalen der organisierten Kriminalität“, vor allem weil die Täter so gut vernetzt waren, bis hin ins Finanzministerium und auch zu Steuerbehörden. Das besonders Gefährliche sei die „Unterwanderung“ des Staats, so Brorhilker.
Beim Cum-Ex-Skandal geht es um Aktien mit (cum) und ohne (ex) Dividende. Die Beteiligten ließen sich Kapitalertragssteuer zweimal erstatten, obwohl sie nur einmal bezahlt wurde. Komplexe Aktienverkäufe rund um den Dividendenstichtag tarnten den Trick. Die Täter hatten damit dem Fiskus rund 10 Milliarden Euro Schaden verursacht. Mitbeteiligt waren Anwälte, Investmentprofis und Banken.
Anne Brorhilker ermittelt seit 2013 bei der Kölner Staatsanwaltschaft im Cum-Ex-Skandal. Sie merkte schnell, dass sie etwas ganz Großem auf der Spur ist. Und sie will das Geflecht als Ganzes aufdecken, nicht nur einzelne Fälle vom Tisch bekommen. Mit dem Landeskriminalamt in Düsseldorf bildet sie eine gemeinsame Ermittlungsgruppe.
Brorhilkers erster großer Schlag war eine internationale Razzia im Oktober 2014. In 14 Staaten wurden gleichzeitig 130 Gebäude durchsucht, damit sich die Verdächtigen nicht warnen können. Beschlagnahmt wurde auch das Archiv des Steueranwalts Hanno Berger, der sich viele Cum-Ex-Modelle ausgedacht hat.
Der Durchbruch
Brorhilker gewann auch einen Kompagnon Bergers als Kronzeugen, der bestätigte, dass hinter den Deals Absprachen, System und kriminelle Energie steckten. Das war der Durchbruch, nun öffneten sich immer mehr Beteiligte der Ermittlerin.
Gegen zwei englische Kronzeugen fand ab 2019 der erste Strafprozess statt. Brorhilker vertrat die Anklage. Im März 2020 wurden die Engländer verurteilt. Brorhilker hatte wegen der Aufklärungshilfe auf milde Strafen plädiert. Für sie war es viel wichtiger, dass endlich gerichtlich festgestellt ist: Die Cum-Ex-Manipulationen waren strafbar.
Im März dieses Jahres musste die 47-jährige Juristin aber auch einen herben Rückschlag hinnehmen. Ihre Vorgesetzten stoppten die Durchsuchung von Finanzbehörden in Hamburg. Brorhilker wollte herausfinden, warum das zuständige Hamburger Finanzamt von einer Cum-Ex-Bank zunächst eine Rückzahlung von 47 Millionen Euro forderte – und nach Bänkergesprächen mit dem damaligen Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) plötzlich darauf verzichtete. Ihre Vorgesetzten in Köln sahen jedoch keinen hinreichenden Verdacht für Straftaten.
Inzwischen ermittelt Brorhiler gegen fast tausend Cum-Ex-Beschuldigte. Die Hamburger Spur wird sie nicht vergessen.
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