Urteil zum Dividendenstripping: Knast wegen Cum-Ex
Haftstrafe wegen Steuerbetrug: Experten sagen nach dem Urteil gegen deutschen Ex-Banker, dass „Rechtsgeschichte“ geschrieben worden sei.
Das Landgericht Bonn hatte Christian S. am Dienstagabend wegen besonders schwerer Steuerhinterziehung in fünf Fällen zu fünfeinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Es ist das erste Urteil im Cum-Ex-Skandal mit Haftstrafe und das erste gegen einen deutschen Ex-Banker. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, möglicherweise wird Revision eingelegt.
Die Staatsanwaltschaft hatte zehn Jahre Haft gefordert, die Verteidigung Freispruch. S. galt als rechte Hand des Warburg-Chefs und Miteigners Christian Olearius. Die Bank betont, sich stets an Recht und Gesetz gehalten zu haben.
Finanzminister Olaf Scholz (SPD) musste sich vor einem Untersuchungsausschuss in Hamburg verantworten, der klären sollte, ob er in seiner Zeit als Erster Bürgermeister zugunsten von Warburg eingegriffen hatte. Die Hamburger Finanzbehörde hatte Steuernachforderungen in Höhe von 47 Millionen Euro verjähren lassen.
Weitere Verfahren anhängig
Bei den Geschäften schoben Banken, Investoren und Fonds Aktien mit (cum) und ohne (ex) Dividendenanspruch rund um den Ausschüttungsstichtag hin und her. Ziel war, sich eine nur einmal gezahlte Kapitalertragsteuer doppelt oder gar mehrfach erstatten zu lassen. Der Schaden für den Fiskus wird auf viele Milliarden geschätzt. Die Bundesregierung untersagte die Praxis erst 2012.
Bereits 2020 hatte das Bonner Landgericht zwei britische Aktienhändler zu Bewährungsstrafen verurteilt. Sie hatten umfangreich ausgesagt. Drei weitere Verfahren sind in Bonn noch anhängig. Warburg hatte 2020 insgesamt 155 Millionen Euro an den Fiskus überwiesen – zu viel erstattete Steuern. Die Bank klagt nun sowohl gegen Initiatoren und Nutznießer der Cum-Ex-Geschäfte als auch gegen die Steuerbescheide, die die Rückzahlung bedingten.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Thüringen
Das hat Erpresserpotenzial
Friedenspreis für Anne Applebaum
Für den Frieden, aber nicht bedingungslos
BSW in Sachsen und Thüringen
Wagenknecht grätscht Landesverbänden rein
Rückkehr zur Atomkraft
Italien will erstes AKW seit 40 Jahren bauen
Klimaschädliche Dienstwagen
Andersrum umverteilen
Tech-Investor Peter Thiel
Der Auszug der Milliardäre aus der Verantwortung