Deportierte Migranten in Tunesien: Wo sind die aus Sfax Vertriebenen?

Von vielen aus der tunesischen Stadt deportierten Migranten aus Subsahara-Afrika fehlt jede Spur. Einige wurden offenbar in der Wüste ausgesetzt.

Afrikanische Migranten sitzen unter einem selbstbebastelten Sonnenschutz in der Hitze

Gestrandete afrikanische Migranten aus Tunesien an einem Strand in der Nähe der libyschen Grenze Foto: ap

TUNIS taz | Das Schicksal von über tausend aus der Hafenstadt Sfax deportierten Mi­gran­ten ist eine Woche nach den gewaltvollen Vertreibungen noch immer unklar. Am Montag letzter Woche kam ein 41-jähriger Tunesier bei Auseinandersetzungen zwischen Migranten aus Subsahara-Afrika und Jugendlichen aus Sfax ums Leben. In der darauffolgenden Nacht begannen die Ausschreitungen gegen die Migranten: Sie wurden aus ihren Wohnungen getrieben, geschlagen, bedroht. Täglich transportieren die Behörden Migranten in Bussen aus der 330.000 Einwohner zählenden Stadt.

An einem Strandabschnitt direkt neben dem libysch-tunesischen Grenzübergang Ras Jadir stieß am letzten Donnerstag Malik Traina, ein Reporter des katarischen TV-Senders Aljazeera, auf 700 aus Sfax deportierte Migranten, die ohne Wasser und Nahrungsmittel dort ausgesetzt worden waren.

Libysche Grenzbeamte belieferten die Gruppe mit dem Nötigsten, ließen sie aber nicht – wie von den Behörden in Sfax wohl erhofft – über die Grenze. Man habe selber über 700.000 Migranten im Land aufgenommen, erklärt ein Grenzbeamter gegenüber der taz. „Tunesien will seine sozialen Probleme auf dem Rücken der Migranten und Nachbarländer lösen. Das ist ein gefährlicher Präzedenzfall“, so der Beamte aus der nordwestlibyschen Hafenstadt Zuwara weiter.

Die Videos der bei über 40 Grad in der sengenden Sonne Gestrandeten sorgten weltweit für Empörung. Die Unnachgiebigkeit der von der Aktion völlig überraschten libyschen Beamten führte zunächst zu einem Nachgeben der tunesischen Behörden. Nachdem am Wochenende Helfer des Roten Halbmondes die lebensbedrohliche Entkräftung der Vertriebenen bestätigten, wurde die Mehrheit mit Bussen in verschiedene Orte Südtunesiens gefahren.

Unter den im Freien Ausgesetzten sind auch Kinder

In Ben Guerdane, nahe der Grenze, stehen seitdem 70 Migranten unter Polizeischutz. In Tataouine und Medenine, weiter im Landesinneren gelegen, wurden weitere Gruppen untergebracht.

Libyscher Grenzbeamter

„Tunesien will seine sozialen Probleme auf dem Rücken der Migranten lösen“

Viele der Betroffenen würden in ihre Heimat zurückreisen wollen, so Vertreter des Roten Halbmonds. Deren Rückflug würde man zusammen mit der internationalen Organisation für Migration (IOM) organisieren.

Doch die humanitäre Krise ist damit nicht zu Ende. Die in der Seenotrettung aktive Zivilorganisation Alarm Phone berichtet von weiteren Bussen aus Sfax, die am Dienstag Migranten bei Ras Jadir im Freien absetzten. Unter den dort Verblieben sind mindestens 30 Kinder.

Völlig unklar ist zur Zeit der Verbleib von bis zu 250 Migranten, die in zwei Gruppen aus Sfax an die algerisch-tunesische Grenze im westtunesischen Tozeur gefahren wurden. Offenbar wurden auch sie nach der Zerstörung ihrer Telefone ohne Wasser und Nahrungsmittel ausgesetzt. In Tozeur herrschten am letzten Wochenende auch nachts noch Temperaturen von 38 Grad, am Tag klettern sie auf knapp 50 – das macht das Grenzgebiet zu einer der derzeit heißesten Regionen der Erde.

Kontakt zu einer Gruppe Migranten ist abgebrochen

Tunesische Aktivisten sowie Alarm Phone haben offenbar zu den auf die algerische Seite geflohenen Migranten jeglichen Kontakt verloren. Wahrscheinlich sind die Batterien der bei den Migranten verbliebenen Telefone mittlerweile leer. Menschenrechtsaktivisten aus Djerba wurden bei dem Versuch, die beiden Gruppen zu orten, von der tunesischen Polizei festgesetzt.

In Sfax übernachten viele der aus ihren Wohnungen Vertriebenen weiter auf den Straßen. Und in den Verstecken an einem Strandabschnitt nördlich der Stadt warten weiterhin mehrere tausend Menschen auf die Überfahrt nach Europa.

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