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Den SUVs die Ventile aufdrehenLinsen oder Couscous

Gereon Asmuth
Kommentar von Gereon Asmuth

Es gibt viele Argumente, ein großes Auto zu fahren. In der Stadt überzeugt keins. The Tyre Extinguishers haben eine alte Aktionsform neu aufgelegt.

Klimaschutz ganz praktisch: Platter Reifen mit Bekennerschreiben bei einem Porsche SUV in Hamburg Foto: imago

D ie Luft ist raus. Ein kleine, schleichende Untergrundbewegung hat am Wochenende mal wieder zugeschlagen und an Ventilen dicker Pkw gedreht. Bei der Berliner Polizei gingen Anzeigen zu 88 Autos ein, die von ihren Besitzern mit platten Reifen vorgefunden wurden. Die Dunkelziffer dürfte höher liegen.

Dahinter stecken laut Selbstbezichtigung radikale Klimaaktivist:innen, die in Berlin sogar 200 SUVs entwaffnet haben wollen „aus Protest gegen die Internationale Automobilausstellung (IAA) in München.“ Und sie sind keineswegs nur im Mutterland des Automobils unterwegs. The Tyre Extinguishers (die Reifenlöscher) nennt sich die Gruppe, die weltweit Platten meldet – bis hinunter nach Australien.

Und ja, autogenervten Radfahrern zaubern solche Meldungen ein Lächeln ins Gesicht.

Denn eins steht ja unumstößlich fest. Autofahrer sind blöd. Und das gilt natürlich auch – wie man nach einem Blick hinter die SUV-Lenker dieser Stadt feststellen muss – für die Autofahrerinnen, die mit den aufgeblasenen Gefährten durch die City brummen. So oft, wie die sich die Vorfahrt nehmen, weil sie an das Recht des PS-Stärkeren glauben. So oft, wie die sich irgendwohin stellen, weil da gerade so schön Platz ist und man ja garantiert niemanden stört – außer vielleicht die Kinderwagen schiebenden und Rollstuhl fahrenden Mitbürger:innen. Ach echt, da war ein abgesenkter Bordstein? Hab ich gar nicht gesehen.

Tendenz steigend

Wobei man ehrlicherweise hinzufügen muss, dass Au­to­fah­re­r:in­nen nicht blöder sind als Rad­fah­re­r:in­nen oder Fußgänger:innen. Dummerweise potenziert sich ihr Nervfaktor aber durch die Größe ihres Gefährts. Wer mit dem Rad unterwegs ist, nimmt etwa 1,5 Quadratmeter des Straßenlandes in Anspruch. Ein:e SUV-Hocker:in hingegen beschlagnahmt locker 8 bis 10 Quadratmeter, also in etwa das Sechsfache, Tendenz steigend. Ihr Auto ist gefühlt 10-mal lauter. Es wiegt 100-mal schwerer. Und verbraucht unendlich mal mehr Sprit. Aufgeblasener geht es kaum noch.

Natürlich gilt auch im Verkehr die alte Parole: Freiheit ist immer auch die Freiheit der Anderslenkenden. Aber das heißt ja eben nicht, wie FDPler das interpretieren würden, dass Motorisierte alles dürfen. Erst recht nicht, wenn das Klima gerade weltweit baden geht.

Hier hat es einen SUV von Audi im Juli in Hamburg getroffen Foto: imago

Darum liegt es auf der Hand, dass Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nen die alte Idee des Luftablassens recyceln. Ihre Technik ist simpel. Sie schrauben Ventile auf, stecken ein Steinchen oder ähnliches in den Verschluss, der den Nupsi niederdrückt – und dann: Pfffffft.

Neu ist dieses Vorgehen keineswegs. Schon 2007 erregte ein Trupp von Ventilaufschraubern die Berliner Öffentlichkeit, die per Handzettel hinter dem Scheibenwischer die SUV-Eigner „auf die möglichen Auswirkungen der Nutzung hochmotorisierter Autos für den Klimawandel hinwiesen“.

Fragen Sie bitte Ihren Anwalt

Neu ist diesmal nur, dass sich die heutigen Autoschrauber international vernetzen und in einem globalen Englisch kommunizieren. Zudem empfehlen sie auf ihrer Webseite die Verwendung von Linsen oder Couscous, um das Ventil offenzuhalten. Merke: Zeitgemäßer Widerstand muss vegan sein.

Im Jahr 2007 ließ die Polizei den Staatsschutz nach den Platt­fuß­ver­ur­sa­che­r:in­nen fahnden. Drei wurden ertappt und zwei Jahre später zu Geldbußen verurteilt. Drum muss man hier deutlich darauf hinweisen: Auch wenn die Luftablasser weder Auto noch Reifen an sich beschädigen, wird die Aktion von Gerichten gemeinhin als Sachbeschädigung gewertet. Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie bitte Ihren Anwalt.

Hinzu kommt natürlich die Standardkritik der Meckernden: Was ist mit denen, die auf ein Auto im Allgemeinen und einen SUV im Speziellen angewiesen sind? Klar, wer sich so tief in die Pampa verflüchtigt hat, dass man dort – auch wegen der wachsenden Zahl von Starkregengüssen – eigentlich nur noch mit dem Trecker vorankommt, der soll sich gern mit einem SUV glücklich brummen. Und was ist mit der hochschwangeren Großstädterin, die ihren humpelnden Schwiegervater samt drei Kleinkindern zum Biomarkt fahren muss? Oder gar in die Notaufnahme?

Ach, die soll, falls ihr Sportnutzfahrzeug aus welchen Gründen auch immer nicht fahren kann, einfach ein Taxi benutzen. Das ist zu teuer? Kleiner Tipp: Wer erst gar kein Auto hat, spart so viel Geld, dass man sich für jede eilige Fahrt einen Chauffeur leisten kann. Zudem spart das auch noch Zeit und Nerven, die sonst für die Parkplatzsuche draufgehen.

Erst mal tief durchatmen und dann die Luft rauslassen. Das tut gut. Nicht nur im übertragenen Sinne.

Und noch etwas macht den Charme dieser Luftikusse aus. Ihre Methode müsste sogar der FDP gefallen. Denn sie ist technologieoffen. Man kann mit ihr locker auch E-Fuel- oder E-Autos aus dem Verkehr ziehen, die zwar weniger Benzin, aber genauso viel Raum brauchen. Und ganz zur Not sogar mal ein nervig geparktes Lastenrad.

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Gereon Asmuth
Ressortleiter taz-Regie
Leiter des Regie-Ressorts, das die zentrale Planung der taz-Themen für Online und Print koordiniert. Seit 1995 bei der taz als Autor, CvD und ab 2005 Leiter der Berlin-Redaktion. 2012 bis 2019 Leiter der taz.eins-Redaktion, die die ersten fünf Seiten der gedruckten taz produziert. Hat in Bochum, Berlin und Barcelona Wirtschaft, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und ein wenig Kunst studiert. Mehr unter gereonasmuth.de. Bluesky:@gereonas.bsky.social Mastodon: @gereonas@social.anoxinon.de ex-Twitter: @gereonas Foto: Anke Phoebe Peters
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16 Kommentare

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  • Vielen Dank für eure Beiträge. Wir haben die Kommentarfunktion geschlossen. Die Moderation

  • “Was ist mit denen, die auf …. einen SUV im Speziellen angewiesen sind?”

    Bitte wie? Vor 35 Jahren gab’s gar keine SUV’s, warum sollte irgend jemand plötzlich auf diese Blechkisten angewiesen sein? Ich glaub’ es hackt!

    Das Angebot bestimmt die Nachfrage, längst nicht umgekehrt. All diejenigen, die diese abartigen Blechkisten kaufen, “damit sie keinen Busführerschein machen müssen”, sollten mal zum Arzt gehen …

  • Das Gewaltmonopol des Staates sollte eigentlich in einer Demokratie schon mal in der Schule durchgenommen worden sein. Das andere Leute das nicht so lustig sehen, zeigen zunehmend die Wahlumfragen.

  • Super diese Taktik der Nadelstiche . Zeit, Nerven, Geld Verluste, bei Menschen die Viel-Zuviel haben.

  • Ich mag auch keine SUVs, aber diese AKtionen und diese Verherrlichung geht mir eindeutig zu weit.

  • Erst ein Artikel mit vielen Kommentaren. Dann ein aktivistischer Kommentar. Fraglich, ob er die Abo Zahl in die Höhe schraubt.



    Kein einziges Auto wird wegen der Aktionen weniger fahren. Im Gegenteil, schliesslich müssen einige Reifen gewechselt werden. Immerhin ist es nicht gefährlich, da diese Autos meist Warnanzeigen haben. Es ist dann eine Frage der Zeit, bis die mit App des Halters verbunden werden.



    Und SUVs, Modelldiskussion inklusive, die am Straßenrand parken. gehören nicht den wirklich Reichen.

    • @fly:

      Was sind das für Reifen die man wechseln muss weil jemand die Luft ablässt?

  • Gute Idee. Irgendwie muss man diese Volltrottel ja aufwecken. Ich wette, die Industrie kann auch kleine Autos bauen und mit entsprechenden Marketing teuer verkaufen. Trotteln kann man alles teurer verkaufen.

  • „Es gibt viele Argumente, ein großes Auto zu fahren.“ Welche denn? bei einem Besetzungsgrad im MIV von 1,2 Personen. Mobilität - und darum sollte es gehen - ist sicher kein Argument, denn die funktioniert, wenn es denn schon ein Auto sein muss, auch mit dem Kleinwagen und das selbstverständlich auch auf dem Land. Fast alles andere ist teure und ressourcenverschwendende Angeberei, tatsächlich werden über 20% der Blechdosen praktisch überhaupt nicht bewegt.



    www.forschungsinfo...&clsId2=0&clsId3=0



    Die deutschen Autokäufer hauen alle 7 Jahre im Schnitt 34000 Euro für immer fettere Verbrenner raus (Neuwagen machen da 60% aus und kosten im Schnitt sogar 45000 Euro) dazu 8000 Euro jährlich Unterhalts- bzw. Betriebskosten. „Der Wertverlust eines Neuwagens ist enorm. Im ersten Jahr sinkt sein Wert um etwa 25 Prozent. Mit den Jahren pendelt er sich bei fünf bis sechs Prozent ein.“ (Allianz)



    Gleichzeitig beklagen sich Hausbesitzer (vehement unterstützt von weiten Teilen ihrer meist motorisierten Mieter) über die angeblich viel zu teure Auflage eine schon mittelfristig budgetschonende klimaschützende Heizung einbauen zu müssen. Soviel zu Prioritäten in diesem Land.

  • Bei den ganzen bullis koennte man gleich weitermachen. Brauchen auch viel platz und glaub kaum dass die bessere werte als n suv haben.

  • ob da nun ein paar SUVs morgens mit einem Platten dastehen oder nicht macht keinen Unterschied. Die allgemeine Erregung und Gegnerschaft auch von mehrheitlich nicht Betroffenen ist aber garantiert.



    Stellt sich die Frage nach der Sinnhaftigkeit und ob hinterher mehr erreicht wurde als zerstört (im Sinne von Unterstützung für Umweltanliegen)...

    • @nutzer:

      Ich vermute weniger.



      Solche Aktionen lösen eher Reaktanz aus. Und wie sollte die optimale Reaktion sein? SUVs wegwerfen und ein E-Auto kaufen?



      Das wäre auch nicht sinnvoll.

      Ich habe selber kein Auto, wäre allerdings zum Beispiel für finanziell geförderte Mitfahrportale bzw Summe x für jede Person die man regelmäßig zur Arbeit fährt. Sowas ließe sich mit einer App sinnvoll regeln (Angaben wie z.B. maximaler Umweg, Uhrzeit, Musik, Raucher, Unterhaltung gewünscht etc). Ich bin sicher richtig gemacht könnte es einiges bringen.

      Natürlich wäre es nur ein kleiner Teil der Lösung, allerdings ist das ein Punkt bei dem es nicht die eine Lösung geben wird, sondern viele verschiedene Ansätze notwendig sind.

      Leuten die Luft aus den Reifen zu lassen, schadet im Zweifelsfall der gesamten Klimabewegung, da viele Leute zu wenig differenzieren und von einer Gruppe auf den Rest schließen.



      Ich weiß nicht wie oft ich erkläre das ich mich nicht auf Straßen klebe...

      • @Badmonstercat:

        Das man andere Modelle fördert ist auch in meinem Sinn. Es gäbe noch viel Potenzial. Aber es ist nun mal so dass Autos ab einer bestimmten Grösse PS und Gewicht überproportional an Kraftstoff verbrauchen. Das hat nichts mit Auto verbieten zu tun sondern mit die Freiheit des einzelnen endet wo die Freiheit anderer gefährdet wird. Ein SUV wie auch die tausenden Camping Busse die nach Corona als Alltagsauto rumfahren gehören bei mir in diese Kategorie. Mit dem Luft raus lassen schafft man es vielleicht dass es den Menschen (nicht den SUV Fahrern alleine) so bewusst wird das es quasi unanständig wird mit sowas durch die Stadt zu fahren. Dann hat es sehr wohl geholfen. Ich wäre allerdings für etwas Abrüstung in dem sie nur an einem Reifen die Luft raus lassen.

  • Wenn's hilft, warum nicht?

    Pffffffffffffffffffffffffffffffffffff

    • @Jim Hawkins:

      Ob's hilft, wird man sehen.



      Schaden tut's jedenfalls kaum:



      Juristen koennten vielleicht sogar das Zweck-Mittel-Verhaeltnis angemessen finden.

      Und schoen ist's allemal.

  • "...Auch wenn die Luftablasser weder Auto noch Reifen an sich beschädigen, wird die Aktion von Gerichten gemeinhin als Sachbeschädigung gewertet...."

    Zu recht, es ist Sachbeschädigung, die Reifen sind danach unbrauchbar weil sich das Felgenhorn mit dem Fahrzeuggewicht, sehr punktuell in die Reifenflanke gräbt und dabei die Drahtarmierung beschädigt. Auch nicht besonders nachhaltig, brauchbare Reifen in Sondermüll zu verwandeln.