Demonstrationen gegen rechts: Zu lange geschwiegen
Die Demos gegen rechts machen Mut und sind nötig. Denn die rechten Geheimpläne zeigen: Das „Nie wieder“ ist nicht unverrückbar.
D er Ruf „Björn Höcke ist ein Nazi“ geht vielen Dresdner:innen inzwischen flott über die Lippen. Wann immer der AfD-Politiker, seine Leute und andere rechtsextreme Gruppen in den vergangenen Monaten über die Straßen der sächsischen Landeshauptstadt zogen, kamen Menschen zu Gegendemonstrationen zusammen – Angestellte, Schüler:innen, Studierende, Nachbar:innen. Die sächsische Zivilgesellschaft ist längst alarmiert und brauchte keine Undercover-Recherche, um zu erkennen, wie gefährlich die AfD ist und wie wichtig es ist, ihr entgegenzutreten. Gut, dass die gesellschaftliche Mitte, dass die Normalbürger:innen nun auch in Berlin und anderen linksliberalen Hochburgen auf die Straße gehen.
Die Demonstrationen mit Zehntausenden Teilnehmer:innen am Wochenende in mehreren deutschen Städten sind ein echter Lichtblick und machen Mut. Sie können aber nur der Anfang sein. Denn zu lange hat die Mehrheit geschwiegen. Man hatte sich in der behaglichen Gewissheit eingerichtet, dass die AfD ein Problem des Ostens und der Provinz sei und die Demokratie unerschütterlich.
Doch die Recherchen von Correctiv über das klandestine Treffen von Rechtsextremen mit AfD-Politikern in einem Potsdamer Landhotel und deren Plan zur massenhaften „Remigration“ von Menschen mit Migrationshintergrund haben noch einmal gezeigt, wie radikal menschen- und demokratiefeindlich die AfD ist und welche Gefahr von ihr ausgeht. Sie ist eben keine „normale“ Partei, mit der man sich ganz normal streitet.
„Remigration“, das erinnert nicht nur vom Duktus her an den Begriff der „Endlösung“ und an eine andere geheime Besprechung, zu der vor 82 Jahren nur wenige Kilometer von dem Potsdamer Hotel entfernt der Chef des SS-Reichssicherheitshauptamtes, Reinhard Heydrich, geladen hatte. Der Ausgang ist bekannt.
Gefährdete Menschenrechte
Doch das „Nie wieder“, das seit Jahrzehnten das juristische und moralische Fundament des geteilten und des wiedervereinigten Deutschlands bildet, ist nicht unverrückbar, wie die rechtsextremen Pläne zeigen. Eine Demokratie, die nicht mit Leben gefüllt wird, verkommt zur Hülle. Menschenrechte, die nicht verteidigt werden, sind angreifbar und gefährdet.
Ja, Björn Höcke ist ein Nazi. Und so müssen er und seine AfD auch behandelt werden. Wer der AfD nicht entgegentritt, sondern versucht, sie rechts zu überholen und zu überbieten, wie es die Union etwa beim Thema Migration versucht, legitimiert ihre Forderungen. Die AfD und ihre Ideen müssen bekämpft werden, und zwar auf allen Ebenen: politisch, gesellschaftlich – und wenn möglich auch juristisch.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag